Eine seltene Begegnung
„Berliner Spatzenretter“ wollen den Lebensraum des Haussperlings bewahren
In Berlin kennt ihn jedes Kind, den Passer domesticus, besser bekannt als Haussperling oder Spatz. Doch nur wenigen ist klar, dass der Lebensraum der Vögel in den Großstädten zunehmend bedroht ist.
„Ich bin in Köln aufgewachsen und dort waren Spatzen zunächst weit verbreitet“, erinnert sich die passionierte Ornithologin und Vogelschutzexpertin Claudia Wegworth. „Man traf sie auf dem Balkon, auf Schulhöfen, großen Plätzen, auf den Tischen von Restaurants und Biergärten.“ Dass diese Begegnungen aber immer seltener wurden, hat Claudia Wegworth erst bemerkt, als sie vor zehn Jahren mit ihrer Freundin, der Filmemacherin Antonia Coenen, nach Berlin kam. „Die vielen Spatzen hier machten uns bewusst, dass diese Vögel in Köln fast verschwunden waren.“ Es war der Anlass für die beiden, in Kooperation mit der Deutschen Wildtierstiftung und der Stiftung Naturschutz Berlin die Initiative „Berliner Spatzenretter“ zu gründen.
Noch sind die Bestandszahlen in der Hauptstadt recht stabil, Schätzungen des NABU Berlin gehen von derzeit rund 150.000 Brutpaaren aus. Für Claudia Wegworth ist das allerdings kein Grund zur Entwarnung. Denn mit Neubauten und Fassadensanierungen gingen immer mehr Brutplätze verloren. Zwar sei der Naturschutz bei jeder baulichen Maßnahme zu berücksichtigen, aber in der Realität würden Gebäudebrüter wie Sperlinge oft schlichtweg vergessen. „Das Konzept der ‚Berliner Spatzenretter‘ setzt deshalb vor allem bei baulichen Maßnahmen an“, sagt Wegworth, die beruflich ursprünglich aus dem Bereich Design kommt. „Schulen sind bevorzugte Lebensräume von Spatzen, allerdings sind diese Gebäude in Berlin oft sanierungsbedürftig. Wir haben bislang 200 Gebäude in Bezug auf Artenschutz untersucht und die Ergebnisse Bezirksämtern und Baubehörden übermittelt. Zudem wird die Kooperation mit den Schulen gesucht, insbesondere über den Kontakt mit dem Lehrpersonal.“ Auf diesem Wege vermitteln die Spatzenretter den Schulen Konzepte zum Schutz und Ausbau der Lebensräume der Vögel. Wegworth: „Wir liefern zum Beispiel Unterrichtsmaterialien wie die Spatzenkiste, die viel Informationsmaterial enthält. Zudem bieten wir Workshops an und geben Tipps, wie man mit wenig Aufwand Nist- und Rückzugsplätze schaffen kann – zum Beispiel durch Anlegen von Gärten oder Fassadenbepflanzungen.“
Die Schulen müssten nistende Spatzen als Chance begreifen. Denn die Vögel ließen sich, so Wegworth, auf dem Schulgelände aus nächster Nähe beobachten und deshalb perfekt in den Unterricht einbinden. Die Vogelexpertin nennt ein Beispiel aus der Praxis: „Spatzen nisten mit Vorliebe in Rollladenkästen. In der Stechlin-Grundschule in Friedenau wurden diese Nester nicht entfernt, vielmehr können die Kinder die Vögel nun beim Brüten beobachten. Und je mehr die nächste Generation über die Tiere erfährt, desto größer ist künftig die Sensibilisierung für den Schutz dieser Spezies.“ Mittlerweile beteiligen sich rund 30 Schulen in Berlin aktiv am Programm der „Berliner Spatzenretter“. Und auch von anderer Seite gab es Zuspruch. So wurde der Initiative Anfang Dezember die Auszeichnung „Soziale Natur – Natur für alle“ des UN-Dekade-Projekts Biologische Vielfalt verliehen. Zwar sei das, so Claudia Wegworth, zunächst ein symbolischer Preis, aber er führe dazu, dass der Spatz in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werde.
Auch Prominente wie die Schauspieler Benno Fürmann und Friederike Kempter unterstützen die Spatzenretter – nämlich bei der Produktion von „Tschippie Superspatz“. Die aufklärenden Zeichentrickfilme sollten als Werbetrailer im Vorprogramm von Kinofilmen laufen, was pandemiebedingt zunächst verschoben wurde. Einstweilen sind sie nebst vielen weiteren Informationen rund um die Initiative im Internet zu sehen auf berliner-spatzenretter.de.
Autor:Michael Vogt aus Prenzlauer Berg |
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