"Von Null auf Hundert"
Hans-Volker Pürschel hält mit Anwohnern den Mühlenkiez grün

Schon wieder auf Achse: Hans-Volker-Pürschel aktualisiert die Öko-AG-Info-Tafel unweit der Hanns-Eisler-Straße 54.  | Foto: Ulrike Kiefert
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Im Mühlenkiez halten Anwohner die Grünflächen in Schuss und stellen neue Öko-Projekte auf die Beine. Für mehr Artenvielfalt und ein gesundes lokales Klima.

Als Hans-Volker Pürschel vor 46 Jahren als erster Mieter in die Neubauten an der Hanns-Eisler-Straße zog, war von üppigem Grün nicht viel zu sehen. Heute ist das anders. Auf den Lichtungen zwischen den Häusern saftet im Sommer grünes Gras, wachsen Büsche, gelbe Winterlinge und glockenförmige Szilla, essbare Kräuter und stämmige Bäume. Ein Paradies für Vögel, Insekten – und Anwohner. „Wir haben schon viel geschafft“, sagt Pürschel stolz und schaut sich um. „Sehen Sie, hier kommen im Frühjahr 2000 neue Krokusse raus.“ Gepflanzt erst vor wenigen Wochen von 19 Nachbarn, organisiert von der Öko-AG.

Die Arbeitsgruppe ist ein lockerer Verbund aus inzwischen zehn aktiven Frauen und Männern, die wie Hans-Volker Pürschel im Mühlenkiez wohnen. Der 80-Jährige hat sie vor zwei Jahren gegründet, damals noch als Einzelkämpfer. Pürschel ist promovierter Physiker, Sohn eines Harzmalers aus Wernigerode und in einem „sehr naturverbundenen Elternhaus“ aufgewachsen, wie er sagt. Schon früh  hat er sich für die Umwelt und den Klimawandel interessiert, den schier grenzenlosen Wachstum, den Treibhauseffekt und seine Folgen, und welche zentrale Rolle der Mensch in dem Dilemma spielt. Er las unzählige Bücher und Studien, verstand die Zusammenhänge und leitete eine „Zukunftswerkstatt“. Inzwischen ist er längst Rentner und betreibt Ökologie „im Kleinen“. Sein Motto: „Von Null auf Hundert und das möglichst in wenigen Jahren“.

Dass das kein dahingesagter Spruch ist, zeigt Pürschels Öko-AG. Seit 2018 haben er und seine Mitstreiter zahlreiche Projekte auf die Beine gestellt, die der Artenvielfalt und dem lokalen Klima im Mühlenkiez zugute kommen sollen – unterstützt vom Pankower Grünflächenamt und der Wohnungsbaugenossenschaft Zentrum (WBGZ).

Naschen erlaubt

Da ist zum Beispiel die Bienenweide, ein 50 Quadratmeter großes Hochbeet mit farbenfrohen Blumen und einer Bienentränke neben dem Kinderspielplatz „bei den Ziegen“. Oder das eingezäunte Areal mit Frühjahrsblühern und essbaren Kräutern gegenüber der Jugendverkehrsschule. Im Hintergarten der Hanns-Eisler-Straße 54 hat die AG Himbeeren, Johannisbeeren und Esskastanien gepflanzt. Und im „Benjeshecken-Areal“ reifen Holunder, Brombeeren, Walderdbeeren und Kornelkirschen heran. „Wer hier spazieren geht, darf gern ernten“, sagt Pürschel. Dazu hat er mobile Info-Poster im Kiez aufgehängt, eine Art Naturlehrpfad, der an Ort und Stelle über die gerade blühenden Pflanzen aufklärt. Ein bisschen Bildungsarbeit muss sein. Dazu gehört auch das experimentelle Wildbienenhaus auf dem Gelände des Grünflächenamtes an der Kniprodestraße. Kinder haben das Insektenhotel in Workshops des Vereins Kultur-Markt-Halle Mühlenkiez gebaut und aufgestellt.

Die grünen Projekte stoßen aber nicht überall auf Gegenliebe, hat Hans-Volker-Pürschel festgestellt. „Die Beete müssen wir umzäunen, damit keine Hunde auf die essbaren Kräuter urinieren oder Frühblüher auswühlen.“ Und aus der „essbaren Grünanlage“ sind spurlos zwei Walnussbäume verschwunden. Beschwerden gab es auch gegen die Bienenweide neben dem Spielplatz. Eltern hatten befürchtet, dass die Bienen ihre spielenden Kinder stechen könnten. „Was absoluter Unsinn ist“, sagt Pürschel. „Bienen sind keine blutsaugenden Insekten und greifen keine Menschen an.“

Unterstützung für Ehrenamtler

Bei den meisten aber stoße die Arbeit der Öko-AG auf viel Sympathie – auch außerhalb des Mühlenkiezes. 15 Firmen unterstützen die Ehrenamtler mittlerweile mit Spenden oder sponsern Geräte. Vom Bezirksamt kommen Fördermittel, für 2020 rund 3000 Euro. Dazu hofft Pürschel auf einen dauerhaften Kooperationsvertrag mit der WBGZ und auf den leer stehenden „Postraum“ im Keller der Hanns-Eisler-Straße 54. „Dort könnten wir unsere Dengelbänke, Sensen, Heureuter, Rechen, Heugabeln und die Materialien für die Ostereier-Workshops unterstellen.“

Dengelbänke und Sensen braucht die Öko-AG für ihr Ausbildungsprojekt „Sensen-Dengeln-Mähen-Heumachen“. Auf der großen Wiese rund um das Wildbienenhaus findet am 5. Juni 2021 wieder der Sensen-Kurs statt. Das gemähte Schnittgut geht als Heu an den Tierpark Neukölln. Auch das hat Pürschel organisiert.

Was aber macht die Öko-AG jetzt im Winter? „Fördermittel an Land ziehen und die Workshops vorbereiten.“ Denn spätestens im Frühjahr geht’s wieder von Null auf Hundert.

Wer Kontakt zur Öko-AG aufnehmen will, schreibt eine E-Mail: oeko-ag@kulturmarkthalle-berlin.de.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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