Machtwechsel als Ende einer Ära
Geplantes Ampel-Bündnis präsentiert sich als "Zukunftsmodell"

Die künftigen Koalitionäre. Von links: Günes Keskin und Hinrich Westerkamp (Fraktionsvorsitzende der Grünen), Klara Schedlich und Mathias Adelhoefer (Kreisvorsitzende der Grünen), Jörg Stroedter (Kreisvorsitzender der SPD), Marco Käber (Fraktionsvorsitzender der SPD), Uwe Brockhausen (SPD, designierter Bürgermeister), Sibylle Meister (Bezirksvorsitzende der FDP), David Jahn (Fraktionsvorsitzender der FDP). | Foto:  Thomas Frey
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  • Die künftigen Koalitionäre. Von links: Günes Keskin und Hinrich Westerkamp (Fraktionsvorsitzende der Grünen), Klara Schedlich und Mathias Adelhoefer (Kreisvorsitzende der Grünen), Jörg Stroedter (Kreisvorsitzender der SPD), Marco Käber (Fraktionsvorsitzender der SPD), Uwe Brockhausen (SPD, designierter Bürgermeister), Sibylle Meister (Bezirksvorsitzende der FDP), David Jahn (Fraktionsvorsitzender der FDP).
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SPD, B’90/Grüne und FDP wirkten fast euphorisiert, als sie am 3. November ihr Ampel-Bündnis vorstellten. Vom einem "Fortschrittsbündnis" wie von einem "Zukunftsmodell" war die Rede und das, was hier vereinbart worden sei, reiche über Reinickendorf hinaus.

Das neue Bündnis beendet die CDU-Dominanz im Bezirk, die ein Vierteljahrhundert vorgeherrscht haht. Wie auf Bundesebene soll es auch in Reinickendorf eine solche Dreier-Koalition geben und Uwe Brockhausen (SPD) neuer Bürgermeister werden. Die Wahl ist für den 24. November vorgesehen. Die drei Ampel-Parteien stellen in der BVV zusammen 28 der 55 Sitze.

Das Wort Koalition passt in diesem Fall besser, als die eigentlich für solche Kooperationen auf Bezirksebene gebrauchte Vokabel "Zählgemeinschaft". Zwar wird die auch von den künftigen Partnern gebraucht und das Ergebnis ihrer Abmachungen trägt den Titel "Zählgemeinschaftsvereinbarung". Was dort aber niedergeschrieben wurde, ist weitaus mehr, als das, was eigentlich darunter zu verstehen ist.

Normalerweise läuft das in den Bezirken so: Nach einer Wahl werden Mehrheiten gesucht und gefunden, deren Hauptziel oft darin besteht, gemeinsam einen Bürgermeister zu wählen. Außerdem werden meist noch einige Vorhaben skizziert, die entweder allen oder einigen Vertretern solcher Bündnisse besonders am Herzen liegen und die in den kommenden Jahren verwirklicht oder auf den Weg gebracht werden sollen.

Darüber hinaus werden solche Vereinbarungen häufig eher locker gehandhabt. Selbst bei etwas fester formierten Zählgemeinschaften kann es während der Legislaturperiode passieren, dass die Partner bei Anträgen unterschiedlich abstimmen, sich auch ganz bewusst gegeneinander stellen.

Das alles ist bei der geplanten Reinickendorfer Ampel nicht vorgesehen. Ihr künftiges Regierungshandeln orientiert sich mehr an den Regularien, wie sie aus dem Bundestag oder Abgeordnetenhaus bekannt sind. Die künftige Zusammenarbeit der drei Parteien soll zum Beispiel eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“ garantieren. Auf diese Gleichberechtigung hatte vor allem die FDP Wert gelegt, die, anders als SPD und Grüne nicht im künftigen Bezirksamt vertreten ist. Zu den Vereinbarungen gehört das gemeinsame Einbringen und Abstimmen von Anträgen, die vorher diskutiert werden. Ebenso soll ein einmütiges Verhalten bei Anträgen anderen Fraktionen gelten. Nicht nur für die Konsensfindung ist ein sogenannter Zählgemeinschaftsausschuss zuständig.

Einmal im Jahr soll es eine Klausurtagung der drei Fraktionen geben. Dazu in der Mitte der Legislaturperiode eine "Evaluierung", also eine Bestandsaufnahme, was bis dahin erreicht wurde, wo möglicherweise Ergänzungsbedarf besteht und wie die Zusammenarbeit im Ampelbündnis bisher abgelaufen ist.

Das alles soll untermauern, dass sich die Reinickendorfer Ampel als mehr sieht, als nur ein Zweckbündnis. Das Ziel sei, dies wurde ebenfalls formuliert, in dieser Konstellation auch in fünf Jahren bestätigt zu werden.

Aber natürlich handelt es sich weiter um drei Parteien, die auch unterschiedliche Interessen und Schwerpunkte haben. Außerdem spielt auch die CDU noch eine Rolle. Sie stellt aufgrund ihres Wahlergebnisses drei der sechs Mitglieder im Bezirksamt. Sie können aber von den zwei SPD- und einem Grünen-Vertreter in diesem Gremium überstimmt werden. Denn bei einem Patt zählt das Votum des (wohl künftigen SPD)-Bürgermeisters doppelt.

Bei der Präsentation wurde noch einmal deutlich, dass die CDU ein ganz wichtiger Grund für das Zustandekommen des Bündnisses ist. Er sei 1995 zur Welt gekommen, sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende David Jahn. Seither habe es nur CDU-Bürgermeister in Reinickendorf gegeben.

Der SPD-Kreisvorsitzende Jörg Stroedter kritisierte speziell das Verhalten der Union in der zurückliegenden Legislaturperiode. Sie habe sich häufig Mehrheiten durch eine "inoffizielle Zählgemeinschaft mit der AfD" gesichert. Und dass keiner der drei bisherigen Bezirksamtsmitglieder der Partei erneut zur Wahl gestanden habe, zeuge ebenfalls nicht von Kontinuität. Dies verwundere allerdings nicht wirklich, weil der CDU-Kreisverband eigentlich aus zwei Parteien bestehe. Im Bezirk habe dies vor allem zu Stillstand geführt.

Grünen-Kreisvorsitzende Klara Schedlich deutete wiederum auch Brücken an. Beim inhaltlichen und politischen Wandel sollten alle demokratischen Parteien integriert werden, sagte sie. Gleiches gilt, ausweislich der schriftlich niedergelegten Vereinbarung, auch für viele gesellschaftliche Gruppen.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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