Alle mussten gewusst haben, worum es ging
Erste Forschungsergebnisse zur Rolle der Ofenbauerfirma Kori in der NS-Zeit

Kostenvoranschlag der Firma Kori aus den 50er-Jahren. | Foto: Museen Tempelhof-Schöneberg
2Bilder
  • Kostenvoranschlag der Firma Kori aus den 50er-Jahren.
  • Foto: Museen Tempelhof-Schöneberg
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Im Februar hatten die Bezirksverordneten auf Antrag der Grünen beschlossen, an der Stelle der ehemaligen Heinrich Kori GmbH in der Dennewitzstraße 35 eine Mahntafel anzubringen. Damit wurde die dunkle Vergangenheit der Ofenbauerfirma in der Zeit des Nationalsozialismus einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Licht ins Dunkle des Unternehmens wollen zwei Historikerinnen bringen. Unlängst berichteten Annegret Schüle, Leiterin des Erinnerungsorts „Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“ in Erfurt, und Susanne Zielinski, Mitarbeiterin am Erinnerungsort Topf & Söhne, im Schöneberg Museum über erste Forschungsergebnisse. Der Vortrag fand im Rahmen der Sonderausstellung „Ausgeblendet. Der Umgang mit NS-Täterorten in West-Berlin“ im Gedenkort SA-Gefängnis Papestraße statt.

Susanne Zielinski befasst sich seit zwei Jahren intensiv mit dem Unternehmen aus Schöneberg, das, wie Topf & Söhne, Leichenverbrennungsöfen für die nationalsozialistischen Konzentrations- und Vernichtungslager herstellte.

Die Quellenlage sei schlecht, räumte Zielinski gleich zu Beginn ein. Die Firma sei 2012 aus dem Handelsregister gelöscht worden und bis heute nie Gegenstand wissenschaftlicher Forschung gewesen. „Ihre Geschichte ist weitgehend unbekannt. Vielleicht gelingt es mit Geduld und Hartnäckigkeit, das Thema doch noch aufzuarbeiten“, so Susanne Zielinski.

Am Anfang steht der Ingenieur und Gründer aus einer sächsischen Juristenfamilie, Heinrich Kori (1860-1938). Er baut den Betrieb von einem Büro für Zentralheizungen in der Luisenstraße in Mitte zu einem erfolgreichen Unternehmen mit den Geschäftsfeldern Heizungen und Feuerungsanlagen in der Dennewitzstraße aus, das ganz Europa und sogar Länder in Übersee beliefert.

In den Zwanzigern wird Kori eine GmbH. Einer ihrer Gesellschafter ist der Ingenieur Hugo Heßler (1881-1952). Das NSDAP-Mitglied wird 1936 einer der Geschäftsführer und zwei Jahre später erster Geschäftsführer. Ein Jahr nach dem Tod von Heinrich Kori nimmt Heßler Geschäftsbeziehungen zur SS auf. Wie der Kontakt zustande kam, ist bisher nicht bekannt. Vielleicht über Georg Kori, Jahrgang 1900, den Neffen des Firmengründers. Er ist seit 1933 Mitglied der SS und seit 1937 Scharführer. Alle mit der SS geschlossenen Verträge hat Hugo Heßler unterzeichnet.

Die SS erteilt ihren ersten Auftrag am 9. Dezember 1939. Bestellt werden Kremierungsanlagen für die KZ Sachsenhausen, Mauthausen und Flossenbürg, lieferbar bis 15. Januar 1940. Ein Kori-Ofen zur Einäscherung kostet inklusive Montage 3200 Mark. Die KZ-Öfen sind technisch von Müllverbrennungsöfen abgeleitet. Kori stattet mindestens 18 Konzentrations- und Vernichtungslager mit Öfen aus.

Kori-Mitarbeiter seien vor Ort mit Details konfrontiert gewesen, die nicht öffentlich werden sollten, so die Historikerin Susanne Zielinski. „Alle mussten gewusst haben, worum es ging.“ Für einen wie auch immer gearteten Widerstand seitens Firmenleitung oder Mitarbeiter gibt es momentan keine Belege. Dafür ist Susanne Zielinksi auf Hinweise gestoßen, dass Kori auch Gaskammern ausgestattet hat.

In den 40ern ist Kori ein „Reichsbetrieb“, also bedeutend für die Rüstungs- und Kriegsproduktion. Finanziell geht es bergauf. Der Gewinn steigt seit 1940 stark, um 1944 drastisch zu fallen. Die Produktionsstätte in der Dennewitzstraße ist durch alliierte Bomben stark beschädigt. Die SS räumt ihre KZs.

Nach 1945 bleibt die Firma unbehelligt. Die Alliierten stellen keine Nachforschungen an. Es kommt weder zu Gerichtsverhandlungen noch zu Verurteilungen. Hugo Heßler wird 1948 rehabilitiert. Er bleibt bis 1951 Geschäftsführer. Seine Hauptaufgabe ist, die Kriegsschäden zu reparieren und das Geschäft irgendwie aufrecht zu erhalten.

1976 verkaufen Heinrich Koris Enkel das Grundstück in der Dennewitzstraße. Der Schöneberger Norden ist eines der größten Sanierungsgebiete in West-Berlin. Die Gebäude werden abgerissen. Kori zieht nach Neukölln in die Rudower Straße 122. 1999 ist die Firma insolvent. 2012 wird sie im Handelsregister gelöscht.

Zielinski und Schüle befürworten eine „Markierung“ des historischen Ortes in der Dennewitzstraße. Zuvor seien jedoch weitere wissenschaftliche Forschungen und Publikationen notwendig.

Kostenvoranschlag der Firma Kori aus den 50er-Jahren. | Foto: Museen Tempelhof-Schöneberg
Ein erschütterndes Bilddokument, das während des Vortrags gezeigt wird: Ein befreiter polnischer Häftling zeigt einem US-Soldaten einen Kori-Ofen im Konzentrationslager Mittelbau-Dora.   | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

19 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 99× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 218× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 207× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 63× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 270× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 624× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.