"Ich war einfach zu anders"
Chie Ishii ist die Rockmusikerin und Autorin vom Viktoria-Luise-Platz

Chie Ishii am heimischen Klavier. | Foto: KEN
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Hier fühle sie sich heimisch, sagt Chie Ishii. Die japanische Musikerin und Autorin lebt am Viktoria-Luise-Platz; eine erstaunliche Persönlichkeit, diese zarte Frau mit dem unwiderstehlichen Lächeln.

Seit 23 Jahren wohnt die gebürtige Tokioterin im Kiez. Nach Berlin ist Chie Ishii schon sieben Jahre früher gekommen. Das war unmittelbar nach dem Mauerfall. „Jetzt muss ich nach Deutschland“, habe sie sich damals gesagt. „Ich habe nach meinem Studium in den USA ein neues Leben gesucht“, so Chie Ishii.

Ishii hatte in Arkansas „Piano Performances“ studiert, ein Jahr als Direktorin der Yamaha-Musikschule gearbeitet und noch einmal, diesmal in Boston, eine Alma mater besucht, das Berkeley College of Music. Dort belegte sie die Fächer Jazz und Musikgeschäft. Dort begegnete sie zum ersten Mal in ihrem Leben einem Europäer. Das Fernweh packte sie. Unternehmungslustig sei sie eben schon immer gewesen, meint die Künstlerin. Zuhause in Tokio jobbte sie neben der Schule, was offiziell eigentlich gar nicht erlaubt war. Und Chie Ishii wollte weg aus Japan. „Ich war einfach zu anders, zu individuell.“

Europa! Da Chie Ishii perfekt Englisch spricht, landet sie zunächst in England. „Das empfand ich aber als nicht so richtig europäisch“, erzählt sie. Sie will auf den Kontinent. Ihre Wahl fällt auf Deutschland, auf Berlin – wegen der historischen Umbruchstimmung.

„Vom Flughafen Tegel bin ich direkt zum Goethe-Institut gefahren“, erinnert sie sich. Anderntags beginnt für die 28-Jährige der Deutschunterricht. „Ich kannte niemanden in Berlin. Ich musste von Null anfangen.“ Chie Ishii besucht Museen, interessiert sich für deutsche Geschichte, sucht das Gespräch mit den Einheimischen. „Ich wollte die Mentalität begreifen und mich integrieren.“ Sieben Jahre lang lebt sie in einem Zimmer, das ihr das Goethe-Institut vermittelt hat.

1993 erhält Chie Ishii ihr erstes großes Engagement als Musikerin: auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa – und lernt auf den schwankenden Planken ihren späteren Ehemann kennen. Es ist der Kapitän höchstpersönlich. Heute genießt der im oberschwäbischen Weingarten seinen wohlverdienten Ruhestand. Seine Frau, die den Kiez am „Vicky“ nicht missen will, pendelt zwischen Schöneberg und Oberschwaben.

Chie Ishiis musikalisches Engagement ist vielfältig. Bis vor fünf Jahren zupfte sie die Bassgitarrensaiten der Rockband „Breathless“. Sie textet und komponiert Songs, schreibt Musikbücher, gibt Konzerte und erteilt Klavierunterricht nach ihrer eigenen Methode. In ihrem Programm „Berlin Affair“ erzählt sie zu eigenen Kompositionen aus ihrem Leben. Ein besonderes Programm sind die bis vor zehn Jahren vollkommen unbekannten Klavierstücke von Heinz Erhardt. Der Komiker konnte auch ganz ernst. 2009 brachte Chie Ishii sie in der Berliner Philharmonie zur Welterstaufführung. Eine CD ist eingespielt, ein Notenheft ist veröffentlicht. Zuletzt hat Chie Ishii ein Gesundheitsbuch geschrieben. „Meine Selbstheilung“ berichtet davon, wie sie Neurodermitis und Arthrose ohne Medikamente in den Griff bekam.

Trotz aller Erfolge sagt die Musikerin: „Das Dasein als freischaffende Künstlerin ist ein hartes Brot.“ Wwie die Verlängerung der Niederlassungserlaubnis. Bis 2005 habe es deshalb „Stress“ gegeben. „Ich musste immer aufs Neue beweisen, dass ich ein Gewinn für Deutschland bin.“

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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