Zum Tod von Egon Bahr: Bürgermeisterin trug sich als erste in das Kondolenzbuch ein

Angelika Schöttler: "Seine Erzählungen waren spannender als jedes Geschichtsbuch." | Foto: KEN
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Schöneberg. Am 19. August ist 93-jährig der frühere Bundesminister Egon Bahr gestorben. Im Rathaus Schöneberg wurde für den wegweisenden SPD-Politiker ein Kondolenzbuch ausgelegt. Als erste trug sich darin Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler ein.

Egon Bahr, Architekt der Ostpolitik – er prägte das Motto „Wandel durch Annäherung“ –, ist unmittelbar mit Schöneberg und seinem Rathaus verbunden.

Der am 18. März 1922 im thüringischen Treffurt an der Werra Geborene machte sein Abitur 1940 in Friedenau. Anschließend diente er als Soldat bei der Artillerie, wurde 1944 aus der Wehrmacht entlassen, weil er eine jüdische Großmutter „verheimlicht“ hatte, umgehend bei Rheinmetall-Borsig dienstverpflichtet und machte dort eine Lehre als Industriekaufmann.

Nach 1945 arbeitete Bahr als Journalist, unter anderem als Kommentator und Chefredakteur des Rias, nur einen Steinwurf vom Schöneberger Rathaus entfernt. 1956 trat er in die SPD ein. Willy Brandt, damals Regierender Bürgermeister im westlichen Teil der Stadt, berief ihn 1960 zum Senatssprecher und Leiter des Presse- und Informationsamts.

1966 gingen beide nach Bonn, Brandt als Außenminister unter CDU-Kanzler Kurt Georg Kiesinger, Bahr als Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt. Weitere Stationen in Egon Bahrs politischer Karriere waren Staatssekretär und Bevollmächtigter der Bundesregierung in Berlin und Chefverhandler von Kanzler Brandt mit der DDR sowie ab 1972 Bundesministers für besondere Aufgaben im Kanzleramt.

Nach der Guillaume-Affäre, über die Willy Brandt als Kanzler stürzte, war Egon Bahr Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Bundesgeschäftsführer der SPD, Bundestagsabgeordneter und Ausschussvorsitzender, Vertreter in internationalen Kommissionen und zuletzt von 1984 bis 1994 Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg.

Auch nach dem Ausscheiden aus dem aktiven Politikerleben meldete sich Egon Bahr regelmäßig zu Wort. Zuletzt war er am 26. Juni 2013 im Rathaus Schöneberg als Ehrengast beim Festakt „Ich bin ein Berliner" – 50 Jahre Kennedy in Berlin“.

Egon Bahr habe „maßgeblich wichtige historische Weichen der deutschen Geschichte gestellt“, so Angelika Schöttler (SPD). Besonders beeindruckt zeigte sie sich von Bahrs Eloquenz und Geistesgegenwart bis zuletzt. „Er konnte sich an jedes Detail aus 60 Jahren deutscher Geschichte erinnern. Seine Erzählungen waren spannender als jedes Geschichtsbuch.“ Und er habe von Dingen berichtet, die in keinem Geschichtsbuch stünden. „Ich fühle mich sehr geehrt, ihn persönlich kennengelernt zu haben“, so Schöttler. Eine junge Schönebergerin sagte: „Ich bin sehr traurig über seinen Tod. Ich dachte, er müsste ewig leben.“ KEN

Angelika Schöttler: "Seine Erzählungen waren spannender als jedes Geschichtsbuch." | Foto: KEN
Der Tisch mit dem Kondolenzbuch war vor dem Goldenen Saal des Rathauses Schöneberg aufgestellt. Foto: KEN | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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