"Sparwahn und bittere Pillen" - Angelika Schöttler im Sommerinterview

Angelika Schöttler: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ab 2017 die Früchte ernten werden." | Foto: KEN
2Bilder
  • Angelika Schöttler: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ab 2017 die Früchte ernten werden."
  • Foto: KEN
  • hochgeladen von Karen Noetzel

Tempelhof-Schöneberg. Im Frühjahr hat Bezirksbürgermeisterin Angelika Schöttler (SPD) für Tempelhof-Schöneberg eine Haushaltssperre verhängt. Für die CDU ist dieser Schritt das Ergebnis verfehlter Politik. Die anderen Parteien fordern ein Konsolidierungskonzept, das rasch greift. So schnell wird es aber nicht gehen.

CDU-Fraktionschef Ralf Olschewski sieht für Tempelhof-Schöneberg den Ruin heraufdämmern. Hat er Recht?

Angelika Schöttler: Nein, Ralf Olschewski möchte, dass die Welt schlecht ist, weil die CDU 2011 gerne den Bürgermeister gestellt hätte.

Ist schon Wahlkampf?
Zumindest glauben das offensichtlich Einige.

Wie ist die Situation des Bezirks?
Viele Jahre sah der Bezirk blendend aus, war aber eigentlich krank. Das habe ich erkannt. Seitdem bekommt der Bezirk eine Kur, was ihn allerdings zunächst belastet. Das Resultat wird dann aber ein gut aussehender und gesunder Bezirk sein.

Was ist geschehen?
Bis 2012 haben wir jedes Jahr ungefähr 60 Stellen abgebaut. Das ergab eine Ersparnis von 2,7 Millionen Euro pro Jahr. Weitere Stellen blieben unbesetzt. Mit der Folge, dass immer weniger Aufgaben erledigt wurden. Der Bezirk hat immer weniger Leistungen für den Bürger erbracht und dadurch vom Finanzsenator weniger Zuweisungen erhalten. Aber wir hatten ja unser dickes Überschusspolster.

Warum ist Tempelhof-Schöneberg so verfahren?
Der Bezirk wollte einen schlüssigen Haushalt aufstellen. Der Zusammenhang zwischen sinkenden Personalzahlen und schrumpfendem Budget ist nicht gesehen worden. Es gab im Bezirksamt wenig Willen umzusteuern und schwierige Prozesse anzustrengen. Nicht besetzte Stellen zu streichen war eben ein einfacher Weg.

Wo fehlt es an Personal?
Es fehlt überall. Wir haben Bereiche, in denen es schwierig ist qualifizierte Bewerbungen zu finden. Im Bau-, aber auch im Arzt- und Sozialbereich ist die Konkurrenz der freien Wirtschaft sowie der Landes- und Bundeseinrichtungen groß. Die Verwaltung können wir derzeit noch gut mit Auszubildenden nachbesetzen.

Wie lange dauert eine Stellenbesetzung im Schnitt?
Ein Dreivierteljahr. Manche auch deutlich länger.

Welche Strategie verfolgen Sie jetzt?
Wir wollen schnell Stellen besetzen. Wir wollen räumlich zusammenrücken. Das heißt, das Rathaus Friedenau aufgeben. Wir werden in diesem Jahr Millionen an Investitionsmitteln verbauen. Das bringt uns große Entlastung. Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ab 2017 die Früchte ernten werden.

Warum war die Haushaltssperre überhaupt notwendig?
Weil die Umsteuerung nicht so schnell wie nötig erfolgt ist. 2014 hatte einen schlechten Jahresabschluss, ohne dass wir 2016 schon die Entlastungen spüren könnten. Jetzt müssen wir in 2015 für 2016/2017 Vorsorge treffen.

Wer muss die bittere Spar-Pille schlucken?
Wir stellen nur in den Verwaltungsbereichen ein, die „zum Aufrechterhalten der Verwaltung unbedingt nötig sind“. Der Umsteuerungsprozess soll nicht behindert werden. Natürlich tut es weh, wenn schöne Veranstaltungen ausfallen müssen.

Welche wären das und was fällt sonst noch weg?
Zum Beispiel eine Einbürgerungsveranstaltung, Zuschüsse für Straßenfeste, Sondermittel für die BVV. Der Bürgerhaushalt liegt auf Eis. Ich habe bei mir eine Stellenbesetzung abgebrochen. Auch größere Baumaßnahmen können sich verschieben.

Schade, dass im September 2016 Wahlen in Berlin sind?
Dieser Umstrukturierungsprozess benötigt zwei Wahlperioden. Dumm ist, dass das Tal genau in der Mitte, also im Wahljahr, liegt. Das ist schwer als Erfolg darzustellen. Aber diese Herausforderung nehme ich gern an, denn es ist ein Erfolg und wird den Bezirk aus der Krise führen.

Wie werden Sie das anstellen?
Die Strategie lautet: Wir stellen Leute ein, wir sanieren, wir bauen um. Finanziell schwierige Bereiche müssen sich nicht weiter kaputtsparen, sondern die Struktur verbessern. Wir haben die Bereiche Bibliotheken, Schul- und Jugendamt im Fokus. Im Jugendamtsbereich ist schon unheimlich viel passiert. Neue Strukturen sind beschlossen. Bei den Bibliotheken sind die Umstrukturierungsmaßnahmen noch in der Diskussion. Ich werde darauf drängen, dass sie in diesem Jahr noch auf den Weg gebracht werden. Das habe ich auch in meiner Amtszeit erreicht: Man geht anders an solche großen Projekte heran. Ich verfolge zwei Ziele zugleich: alle Bereiche müssen qualitativ und finanziell zukunftsfähig werden.

Das Gespräch führte Karen Eva Noetzel.

KEN

Angelika Schöttler: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir ab 2017 die Früchte ernten werden." | Foto: KEN
Schöttler: "Die Strategie lautet: Wir stellen Leute ein, wir sanieren, wir bauen um." | Foto: KEN
Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

20 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 135× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 920× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 588× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.086× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.977× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.