Dem Vergessen entrissen
Der Jüdische Friedhof an der Neuen Bergstraße soll zum Gedenkort werden

Die ehemalige Trauerhalle auf dem Friedhof in einer Aufnahme von 1928. | Foto: Foto aus dem Buch Kohlstall, Chronik der Jüdischen Gemeinde Spandau, Spandau 1929
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  • Die ehemalige Trauerhalle auf dem Friedhof in einer Aufnahme von 1928.
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Westlich der Neuen Bergstraße gibt es ein ehemaliges Kasernengelände. Zwischen den Gebäuden befindet sich eine zu einem Hügel ansteigende Freifläche. Sie ist eingezäunt, überwuchert und am Fuß des Anstiegs liegt Müll. Zu erkennen ist aber auch noch ein kleines Stück erhaltende Mauer.

Möglicherweise handle es sich dabei um den letzten Rest der ursprünglichen Friedhofsmauer, sagt Gudrun O'Daniel-Elmen. Die Beauftragte für Erinnerungskultur im Evangelischen Kirchenkreis Spandau ist eine der besten Kennerinnen dieses Ortes und seiner Vergangenheit. Auf dem Hügel befand sich zwischen 1860 und 1940 der Jüdische Friedhof Spandau. Dass es ihn dort gab, war lange vergessen. Menschen wie Gudrun O'Daniel-Elmen sowie die Jugendgeschichtswerkstatt Spandau sorgten dafür, dass sich das änderte. Im November 2019 wurde am anderen Ende des Grundstücks an der Neuen Bergstraße eine Gedenktafel eingeweiht. Sie steht auf der gegenüber liegenden Straßenseite, vor dem Krankenhaus. An der Neuen Bergstraße befand sich einst der Eingang zum Friedhof.

Gehörte dieser Mauerrest einst zum Jüdischen Friedhof Spandau? | Foto: Thomas Frey
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Die Jüdische Gemeinde hatte 1859 ein Grundstück auf dem Gebiet der sogenannten Schülerberge als letzte Ruhestätte für ihre Toten erwerben können. Der Name weist bereits auf die Hügelkette hin, die sich einst von der Havel bis zur Schönwalder Straße gezogen hatte und deren einzige Reste auf dem Friedhofsgelände noch sichtbar sind. Der Friedhof war nicht besonders groß und wurde in den folgenden Jahren durch andere Neubauten eingekreist. Dafür verantwortlich war das preußische Militär, das die Schülerberge kaufte und die weiteren Hügel für den Bau von Artillerie-Wagenhäusern abtragen ließ. Sie sind noch heute Teil des Gesamtensembles.

Der Friedhof bildete seither eine Enklave in diesem ansonsten militärischen Gebiet. Sein Zugang war danach nur von der Neuen Bergstaße aus möglich. Das Areal, auf dem sich später auch ein Trauerhalle befand, wurde durch eine Mauer abgegrenzt.

Die Gedenktafel an der Neuen Bergstraße. | Foto:  Thomas Frey
  • Die Gedenktafel an der Neuen Bergstraße.
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Immer wieder versuchte das Militär, sich diese Fläche einzuverleiben. Einen Verkauf lehnte die Gemeinde aber ab. In den 1920er-Jahren soll von Seiten der Reichwehr auch per Gerichtsverfahren versucht worden zu sein, einen Zugriff zu bekommen, sagt Gudrun O'Daniel-Elmen. Aber auch dies war offenbar erfolglos. In der NS-Zeit änderte sich alles. Als die Wehrmacht mit Beginn des zweiten Weltkriegs erneut Vergrößerungsbedarf anmeldete, hatte sie unter den nun herrschenden Machtverhältnissen leichtes Spiel. 1940 musste der Friedhof geschlossen werden. Die rund 250 Toten wurden umgebettet, was die Jüdische Gemeinde selbst übernahm. Die neue letzte Ruhestätte befand sich in Weißensee. Dort wurde ein sogenanntes "Spandauer Feld" eingerichtet. Es besteht bis heute, ist aber für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Seit einigen Jahren wird es von Angehörigen der Bundeswehr im Rahmen ihrer regelmäßigen freiwilligen Einsätze gepflegt.

Der Friedhofshügel (rechts) auf dem ehemaligen Kasernengelände. | Foto: Thomas Frey
  • Der Friedhofshügel (rechts) auf dem ehemaligen Kasernengelände.
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Der Friedhofshügel ist bisher im Besitz des Bundes und seiner Immobilienverwaltung BImA. Es sei eine Übertragung an das Land Berlin und damit den Bezirk Spandau vorgesehen, sagt Gudrun O'Daniel-Elmen. Möglicherweise geschehe dies im kommenden Jahr. Erst nach der Übergabe könnten die Pläne für einen Gedenkort konkret werden. Aber schon jetzt herrsche Einigkeit darüber, dass es dort keine anderen Nutzungen und erst recht keine Neubauten geben werde.

Gedenktafel und davor die heute existierende Mauer entlang der Neuen Bergstraße. Ungefähr an dieser Stelle hat sich einst der Eingang zum Friedhof befunden.  | Foto: Thomas Frey
  • Gedenktafel und davor die heute existierende Mauer entlang der Neuen Bergstraße. Ungefähr an dieser Stelle hat sich einst der Eingang zum Friedhof befunden.
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Als erster Schritt wird auch hier der Boden durch das Landesdenkmalamt untersucht. Vielleicht finden sich dabei noch Fundamente der einstigen Trauerhalle. Wäre das so, liegt es nahe, sie in das Gesamtkonzept zu integrieren. Es könnte auf dem Gelände Angebote für Schulklassen geben, skizziert Gudrun O'Daniel-Elmen. Vorstellbar wären auch Ausstellungen oder weitere Veranstaltungen.

Blick auf den Hügel mit dem Mauerstück. | Foto: Thomas Frey
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Um auf diese Weise an den Friedhof zu erinnern, muss aber zunächst geklärt werden, ob er wirklich kein Friedhof mehr ist. Nach jüdischer Auffassung währt die Totenruhe ewig und eine Grabstätte kann daher nicht aufgehoben werden. Die Jüdische Gemeinde habe aber signalisiert, dass das in diesem Fall etwas anders gesehen werden könnte. Dadurch, dass die Toten umgebettet wurden, existiere seine ursprüngliche Funktion nicht mehr. Es sei denn, es wurden damals vielleicht nicht alle Gräber geborgen. Das wäre dann eine andere Situation, die berücksichtigt werden müsste.

Aber in welcher Form auch immer bleibt das Ziel das gleiche: Der Jüdische Friedhof Spandau und seine Toten sollen dem Vergessen entzogen werden.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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