Ähnliche Themen auch nach 50 Jahren
Jürgen Czarnetzki führt die wahrscheinlich älteste noch bestehende Bürgerinitiative in Spandau

Aus Anlass des U-Bahnbaus zum Rathaus Spandau vor 50 Jahren gründete sich die „Bürgerinitiative Spandauer Verkehrsbelange 73“. Seither ist Jürgen Czarnetzki ihr Vorsitzender. | Foto:  Thomas Frey
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  • Aus Anlass des U-Bahnbaus zum Rathaus Spandau vor 50 Jahren gründete sich die „Bürgerinitiative Spandauer Verkehrsbelange 73“. Seither ist Jürgen Czarnetzki ihr Vorsitzender.
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Beim Treffen hat Jürgen Czarnetzki die Teilnehmerliste der ersten Versammlung vor 50 Jahren dabei. Den Namen Bernd Heidenreich, damals Redakteur beim Spandauer Volksblatt, hebt er unter den 20 Teilnehmern ganz besonders hervor. Dieser habe ihn damals zur Gründung animiert, sagt Czarnetzki.

Am 25. April 1973 erblickte die „Bürgerinitiative Spandauer Verkehrsbelange 73“ (BI 73) das Licht der Welt. Später bekam sie noch den Zusatz „Für Berlin und Brandenburg“. 50 Jahre später ist sie die wahrscheinlich älteste noch existierende Bürgerinitiative im Bezirk. „Und die älteste in Berlin, die sich dem Thema Verkehr widmet“, so Jürgen Czarnetzki.

Die Verkehrsinfrastruktur hat sich seither stark verändert. Manche Fragen aus den frühen 1970er-Jahren beschäftigen die Bürgerinitiative aber noch heute. Jürgen Czarnetzki, heute 81, ist während dieser Zeit zu einem bekannten Akteur geworden. Er konnte Erfolge verweisen, anderes vergeblich fordern. Er war unbequem, hellsichtig, nicht immer einfach.

BI kämpfte für anderen Trassenverlauf der U7

Manchmal habe er auch falsch gelegen, räumt Jürgen Czarnetzki ein. Manchmal gaben ihm veränderte Zeitläufe mit Verspätung Recht wie beim Grund für die Gründung der BI im Jahr 1973. Es ging damals um die Verlängerung der U7 nach Spandau. Czarnetzki lehnte die vorgesehene Trasse durch die Siemensstadt ab und forderte die Verlängerung ab Ruhleben. Das ginge schneller und sei kostengünstiger, waren seine Argumente und die der Bürgerinitiative. Durch die Siemensstadt verlief damals ja noch die S-Bahnstrecke der Siemensbahn.

Aber die sei ein „Politikum“ gewesen, wie er einräumt. Denn die Siemensbahn wurde damals von der DDR-Reichsbahn betrieben. Deshalb sollte dieses Verkehrsmittel möglichst nicht genutzt werden. Aus diesem Grund wurden neue U-Bahnlinien teilweise parallel zu vorhandenen S-Bahnstrecken gebaut. So auch bei der U7 nach Spandau.

Was die BVG plant und wie Jürgen Czarnetzki das sieht. Den Masterplan der Verkehrsbetriebe hat er mit einigen Anmerkungen versehen.  | Foto: Thomas Frey
  • Was die BVG plant und wie Jürgen Czarnetzki das sieht. Den Masterplan der Verkehrsbetriebe hat er mit einigen Anmerkungen versehen.
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Die Forderung nach einem Weiterbau der U-Bahn ab Ruhleben war vor 50 Jahren nicht durchsetzbar. Die BI hält aber an der Idee bis heute fest und sie tauchte vor einigen Wochen im Masterplan der BVG zum U-Bahnbau immerhin als mögliche Variante auf.

Auch beim Reaktivieren der seit mehr als 40 Jahren brachliegenden Siemensbahn hebt Jürgen Czarnetzki den Anteil seiner Bürgerinitiative hervor. Die Siemensbahn kommt wieder, auch wenn das noch bis 2029 dauert. Der BI-Chef ist natürlich auch für eine Verlängerung der Trasse bis Hakenfelde. „Aber da reden wir von einem ganz langen Zeitraum.“

„Wir haben das ebenfalls verschlafen“

Dies gilt auch für den 1984 begonnenen Kampf der BI für einen S-Bahnhalt am damaligen Bahnhof Spandau-West. Gut zehn Jahre und eine Wiedervereinigung später hatte sich das erfüllt. Aus Spandau-West wurde der Bahnhof Spandau, Haltepunkt für den Nah- und Fernverkehr. Allerdings sei bei dessen Bau nicht an die weitere Zukunft gedacht worden, kritisiert Czarnetzki. Auch nicht von seiner Initiative. „Wir haben das ebenfalls verschlafen“. Die Tatsache nämlich, dass die Bahngleise sehr großzügig konzipiert, an eine mögliche Verlängerung der S-Bahn in Richtung Falkensee und Nauen aber nicht gedacht wurde. Ein solcher Weiterbau wird inzwischen diskutiert, für Jürgen Czarnetzki ist das Augenwischerei. Wo am Bahnhof und erst recht im weiteren Verlauf der Strecke wäre dafür noch genügend Platz, fragt er. Würde das Vorhaben trotzdem realisiert, müssten hunderte Menschen ihre Häuser verlassen oder wären ständigem Bahnlärm ausgesetzt. Niemand sage das aber laut.

Als der Bahnhof Spandau geplant wurde, sei nicht an eine S-Bahnverlängerung gedacht worden. Das räche sich heute, sagt Jürgen Czarnetzki. | Foto: Thomas Frey
  • Als der Bahnhof Spandau geplant wurde, sei nicht an eine S-Bahnverlängerung gedacht worden. Das räche sich heute, sagt Jürgen Czarnetzki.
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Es gebe aber eine klare Alternative: Mehr Regionalbahnen. Sie stünden einerseits für einen schnellen Transport. Vor allem aber böten sie die technische und logistische Voraussetzung, um auf stark frequentierten Strecken weitere Zugpaare auf die Schiene zu setzen. Laut Jürgen Czarnetzki lassen sich Menschen vor allem dann zum Umsteigen auf den öffentlichen Nahverkehr bewegen, wenn das mit keinem oder wenig Zeitverlust verbunden sei. Deshalb hält der 81-Jährige auch nichts von neuen Straßenbahnlinien. „Die sind nicht schneller als ein Bus. Und mir soll mal jemand erklären, wie eine Tram zum Beispiel durch die Neuendorfer Straße passen kann.“

Erfolgreicher Einsatz für Regioverbindung

Die Regionalbahn-Begeisterung resultiert auch daraus, dass Jürgen Czarnetzki bereits Ende der 1980er-Jahre sein verkehrspolitisches Betätigungsfeld über Spandau hinaus ausdehnte. Der Zusatz „Für Berlin und Brandenburg“ im Namen der Initiative deutet darauf hin. Bereits am 30. September 1990, also vier Tage vor der Wiedervereinigung sei nicht zuletzt durch seinen Einsatz die erste Regioverbindung von Nauen über Wustermark nach Spandau und weiter in Richtung Berliner Innenstadt in Betrieb gegangen.

Anfang der Nullerjahre war Jürgen Czarnetzki außerdem Vorsitzender des Fahrgastverbandes ProBahn. Seine Bürgerinitiative hat zeitweise auch Bahnreisen organisiert. Zuletzt ist sie vor allem beim Kampf gegen den Taubendreck unter den Gleisen an der Klosterstraße aktiv geworden. Die Treffen finden jeden zweiten Dienstag im Monat im Spandauer Bierbrunnen, Klosterstraße 5, statt. Außerdem gibt es ein Standbein im Ort Breddin in der Prignitz. Dort hat Jürgen Czarnetzki 2014 das alte Bahnhofsgebäude gekauft. Im Erdgeschoss ist seine Sammlung mit Bahnrelikten untergebracht.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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