Gedenkfeier in der Feldstraße 11
Tafel für Arthur Löwenstamm wieder eingeweiht
Noch am Abend werde er zurück nach England fliegen, sagte Cecil Reid. Sein Aufenthalt in Spandau dauerte nur wenige Stunden. Aber es sei ihm wichtig gewesen, an diesem Tag dabei zu sein. Am 27. Januar vor dem Haus Feldstraße 11.
In diesem Gebäude wohnte bis zum Jahr 1938 Arthur Löwenstamm (1882-1965). Er war der letzte Rabbiner der jüdischen Gemeinde Spandau. Während der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Arthur Löwenstamm misshandelt und anschließend im Konzentrationslager Sachsenhausen eingesperrt. Er kam zwar nach einigen Wochen wieder frei, hatte sich aber verpflichten müssen, Deutschland zu verlassen. Mit seiner Frau Gertrud konnte der Rabbiner nach England emigrieren, wo bereits die beiden Töchter Gerda und Erika lebten. Cecil Reid, heute 80 Jahre alt, ist der Sohn von Erika und damit der Enkel von Arthur Löwenstamm.
An der Feldstraße 11 gibt es seit dem Jahr 2005 eine Gedenktafel für Arthur Löwenstamm. Sie war im Mai 2022 offensichtlich von Rechtsradikalen beschmiert und zerstört worden. Eine Wiederherstellung wurde schnell versprochen, sie dauerte allerdings mehrere Monate. Vor allem Gudrun O’Daniel-Elmen, die Beauftragte für Erinnerungskultur im Evangelischen Kirchenkreis Spandau hatte die lange Zeit kritisiert. Sie wäre auch deshalb nötig gewesen, um die Tafel künftig vor ähnlichen Übergriffen besser zu schützen, lautete die Erklärung von Baustadtrat Thorsten Schatz (CDU) bei der Gedenkfeier.
Und dass die wiederhergestellte Tafel genau zum 27. Januar wieder aufgestellt wurde, war natürlich kein Zufall. Der 27. Januar ist seit 2005 ein auch internationaler Gedenktag für die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. An sie wird in Deutschland inzwischen jedes Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen erinnert.
Insgesamt rund 50 Menschen nahmen an der Gedenkfeier in der Feldstraße teil. Unter ihnen das nahezu vollständige Bezirksamt. Gudrun O’Daniel-Elmen erzählte vom Leben und Wirken von Arthur Löwenstamm in Spandau. 1917 sei er mit seiner Familie in den späteren Berliner Bezirk gekommen. Zur jüdischen Gemeinde hätten Ende der 1920er-Jahre rund 600 Menschen gehört. Der Rabbiner sei aber auch darüber hinaus in vielen Gremien engagiert gewesen. Und seine Gemeinde habe sich vor allem während der Weltwirtschaftskrise um Menschen aller Religionen und Weltanschauungen gekümmert, ehe ihre Mitglieder ab 1933 ausgegrenzt, entrechtet, verfolgt und viele ermordet wurden.
„Mein Großvater hat nie über seine Zeit im Konzentrationslager gesprochen“, war ein Kernsatz in der Rede von Cecil Reid. Ein Schweigen über die Jahre des Nationalsozialismus hat es nicht nur in vielen Täterfamilien, sondern häufig auch in denen ihrer Opfer gegeben. Er schilderte Arthur Löwenstamm als einen interessierten und aufgeschlossenen Mann, von dem er viel gelernt und mitbekommen habe.
Nur einige Schritte vom Wohnhaus des Rabbiners entfernt befand sich in der Feldstraße 8 das Jüdische Altersheim. Es war 1929 mit Geld aus einer Stiftung gegründet worden. In der Nazizeit wurde es zum sogenannten „Judenhaus“, wo Menschen häufig vor ihrer Deportation zwangsweise einquartiert wurden. Auch vor diesem Gebäude befindet sich seit 2005 eine Gedenktafel. Sie ist jetzt erneuert und mit weiteren Namen versehen worden. Denn die Jugendgeschichtswerkstatt Spandau konnte inzwischen die Biografien von 24 Bewohnern recherchieren, die in den Vernichtungslagern ermordet wurden. Ihre Namen trug die 15-jährige Melissa, Schülerin des Hans-Carossa-Gymnasiums, vor. Sie hatte sich während ihres Praktikums in der Jugendgeschichtswerkstatt mit den Schicksalen dieser Menschen beschäftigt, deren letzte Lebensstationen Theresienstadt, das Warschauer Ghetto und Auschwitz waren.
Vor einigen Jahren habe sie die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem besucht, erzählte Gudrun O’Daniel-Elmen. Dort werde an ausgelöschte jüdische Gemeinden erinnert. Unter ihnen habe sie den Namen Spandau gefunden. Am Ende der Feierstunde sprach Cecil Reid in hebräischer Sprache das Kaddisch, das jüdische Totengebet.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.