Es gibt viele Erfolgsgeschichten
Elternkreise helfen Angehörigen von Suchtgefährdeten und Süchtigen

Wie hilft man Jugendlichen, die einfach nicht von ihrer Sucht loskommen?  Die Elternkreise haben damit Erfahrung.  | Foto: Free-Photos, Pixabay
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  • Wie hilft man Jugendlichen, die einfach nicht von ihrer Sucht loskommen? Die Elternkreise haben damit Erfahrung.
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Die Sechziger in Berlin standen im Zeichen der Studentenbewegung und der Hippiekultur. Die Kehrseite der heute von vielen verherrlichten Zeit: Der Konsum von Cannabis und Heroin nahm zu. Eltern waren verzweifelt. Denn sie fanden so gut wie keine professionelle Hilfe. 1971 schlossen sich Berliner Eltern zum ersten Elternkreis zusammen und gingen an die Öffentlichkeit. In dieser Zeit ging es um Leben und Tod, denn Heroin war hier die Hauptdroge.

Aus dieser Selbsthilfegruppe sind die Elternkreise Berlin hervorgegangen, und aus ihnen 2006 schließlich der Landesverband der Elternkreise Berliner-Brandenburg (EKBB), die Selbsthilfe für Eltern und Angehörige von Suchtgefährdeten und Süchtigen. In Berlin gibt es zurzeit, von allen Seiten der Stadt gut erreichbar, fünf Elternkreise: in Charlottenburg-Wilmersdorf, Friedrichshain-Kreuzberg, Lichtenberg, Spandau und Steglitz-Zehlendorf. Sie treffen sich alle 14 Tage. Im Durchschnitt nehmen neun bis 19 Eltern an einem Elternkreis teil.

„Bestehende Elternkreise können jederzeit Mitglied im Landesverband werden, denn ein enges Netzwerk bietet breiteren Austausch und gibt Angehörigen die Möglichkeit, beispielsweise an Seminaren teilzunehmen und auf die breite Öffentlichkeitsarbeit zurückzugreifen“, erklärt Sandra Carbonell. Sie engagiert sich seit zwölf Jahren für diesen „ganz phantastischen Verein“ mit seiner Vorsitzenden Sabine Hinze. „In Notsituationen stehen wir auch immer telefonisch zur Verfügung“, sagt Hinze. Im April gehe zudem der erste Online-Elternkreis an den Start.

Ehrenamt als Teilzeitjob

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten wöchentlich bis zu 15 Stunden in Ehrenamt. „Die meisten von uns stehen voll im Berufsleben“, sagt Sandra Carbonell. „Es gibt Mitarbeiterrunden, Weiterbildungen, bezirkliche Arbeitskreise und vor allem natürlich die Elternkreise, die viel Zeit und Kraft in Anspruch nehmen. Wir werden in Therapiezentren und Kliniken zu Angehörigentagen eingeladen und sind bei einigen ein festes Modul, besuchen sie drei bis viermal im Jahr. Wir sind in Berlin und Brandenburg Mitglieder in Arbeitskreisen rund um Suchtfragen und Präventionsarbeit. Wir gehen an Schulen zu Elternabenden. Aber in erster Linie leisten wir Elternarbeit.“ Die Geschichten, die Angehörige in den Kreisen erzählen, seien oftmals hart, so Carbonell. „Aber auf der anderen Seite geben die Kreise den Angehörigen Stabilität und unterstützen sie. Es gibt viele Erfolgsgeschichten.“

Die EKBB-Elternkreise wollen Mütter, Vätern, Geschwister oder Großeltern Betroffener begleiten, sodass sie Maßnahmen, die richtig und wichtig wären, aber die nicht so leicht umzusetzen sind, angehen. Die Elternkreise seien sozusagen die Brücke zwischen dem Verstand, der weiß: Das ist zu tun, und dem Herz, das sagt: Das schaffe ich, und zwar in kleinen Schritten, meint Sandra Carbonell.

Schwieriger Kampf

Dem Problem des Drogenkonsums sieht der EKBB realistisch ins Auge. Man sei schließlich kein Don Quijote. Das Problem bei Drogen wie Alkohol und Cannabis sei, dass manche „kleben“ bleiben. Die meisten probierten es und ließen es sein, weil sie selbst merkten, es bringt ihnen nichts. Die anderen gingen einen schweren Weg, der das Familiensystem zum Kollabieren bringe.

So ist es für den Verband folgerichtig, die Legalisierung von Cannabis kritisch zu sehen. Sie sei eine große Gefahr, solange nicht abgesichert sei, dass der Jugendschutz besser funktioniere als bei Alkohol und Menschen, die suchtgefährdet oder süchtig werden, aufgefangen werden.

Sandra Carbonell äußert sich deutlich: „Wir kämpfen gegen mauernde Politiker, von denen viele selber konsumieren und das mit Freiheit in Verbindung bringen. Sie setzen sich nicht mit den Folgen für diejenigen auseinander, die in die Sucht geraten. Wir haben die Folgen bei uns sitzen. Die Freigabe wird ab 18 gefordert. Das rettet die Jugendlichen nicht, die mit 13,14, 15 anfangen zu konsumieren – wie nahezu alle.“

Alle Informationen zum EKBB mit Sitz in der Stephanstraße 5 in Steglitz gibt es auf www.ekbb.de und unter Telefon 25 75 97 29. Die wohl größte Datenbank an Kliniken, Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen für Menschen mit Problemen durch den Konsum von Cannabis findet man im Internet auf https://cannabis-selbsthilfe.org.

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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