Es schneit im Stellwerk: Kunstprojekt nutzt stillgelegte Bahngebäude

So sieht die Installation vom Bahnsteig betrachtet aus. Die aufgewirbelten "Schneeflocken" entfalten ihre Wirkung jedoch erst im Bewegtbild. | Foto: Stefan Maria Rother
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  • So sieht die Installation vom Bahnsteig betrachtet aus. Die aufgewirbelten "Schneeflocken" entfalten ihre Wirkung jedoch erst im Bewegtbild.
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Wer am S-Bahnhof Tempelhof vorbeifährt oder dort auf die Bahn wartet, sollte aktuell den Blick mal nach oben richten. Nach Sonnenuntergang ist durch die Fenster des Stellwerks am Ende des Bahnsteigs eine ungewöhnliche Kunstinstallation zu sehen.

Synthetische Daunen werden hinter den Fensterscheiben von Scheinwerfern bestrahlt und mithilfe von Ventilatoren aufgewirbelt. Dadurch entsteht die Wirkung, als würde im Inneren des Gebäudes Schnee fallen. Ausgedacht hat sich die Installation, die den Winter symbolisiert, die Künstlerin Natalia Irina Roman. Am S-Bahnhof Frankfurter Allee ist zugleich ein Frühlingstext zu sehen, während am und kurz vor dem S-Bahnhof Erkner zwei weitere Installationen an den Herbst und den Sommer erinnern. Vier Orte, vier Jahreszeiten – sie alle sind Teil des Kunstprojekts „Along the Lines“, das den Berlinern Freude bereiten soll, aber auch ein ganz konkretes Ziel verfolgt.

„In Innenstadtbezirken ist es kaum noch möglich, Ateliers zu finden“, sagt Natalia Irina Roman. Künstler werden unter anderem wegen steigender Mieten und Wohnungsnot immer weiter verdrängt. Entlang der Gleise im Berliner S-Bahn-Netz jedoch gibt es etliche inzwischen stillgelegte Stellwerke der Deutschen Bahn. Darin wurden Signale und Weichen über Hebel und Drahtzüge gestellt, was heute jedoch immer häufiger per Computertechnik geschieht. Das Stellwerk am S-Bahnhof Tempelhof ist ein mechanisches, das seit 2016 jedoch leer steht. Rund 100 weitere dieser Gebäude gibt es in der Stadt. Einige sind denkmalgeschützt, andere würden sowieso irgendwann abgerissen. Anstatt langsam zu verfallen, könnten sie Künstlern als Arbeitsräume dienen. „Sie haben großes Potenzial für Kunst im öffentlichen Raum, weil so viele Leute jeden Tag so nah vorbeifahren und von außen die Kunst sehen können“, ist Roman überzeugt.

Zwei Jahre hat die Künstlerin mit der Deutschen Bahn verhandelt, um die Multimedia-Installationen in den Stellwerken aufbauen zu dürfen. Sie selbst ist ein großer Bahnfan, verreist oft mit dem Zug und schreibt während der Fahrt gern Kurzgeschichten. „Beim Vorbeifahren habe ich immer diese Häuser gesehen und mir vorgestellt, was dort drinnen passiert. Ich finde Stellwerke sehr faszinierend. Sie funktionieren alle ähnlich, sehen jedoch alle anders aus“, erzählt sie begeistert. Sie habe sich die Frage gestellt, wie sie diese nostalgischen Gebäude, die von den meisten gar nicht wahrgenommen werden, wieder sichtbar machen könne. So entstand die Idee zu „Along the Lines“.

Die Deutsche Bahn hat hierfür vier Stellwerke zur Verfügung gestellt. Rotes und grünes Licht waren für die Künstlerin verboten, um die Lokführer bei der Einfahrt in den Bahnhof nicht zu irritieren. Dies war eine der Vorgaben, die sie bei diesem speziellen Projekt, das vom Hauptstadtkulturfonds finanziert wird, einhalten musste. Nun ist sie gespannt, auf welche Resonanz ihr Werk bei den Berlinern stößt. Natalia Irina Roman hofft darauf, dass ein positives Feedback die Deutsche Bahn überzeugt, stillgelegte Stellwerke langfristig als Plattform für Künstler zur Verfügung zu stellen.

Infos zum Projekt sowie eine Meinungsumfrage finden Sie unter http://nataliairinaroman.eu/along-the-lines/. Die Installation im Stellwerk auf dem S-Bahnhof Tempelhof ist bis zum 4. November täglich von 20 bis 20.30, 21 bis 21.30 und 22 bis 22.30 Uhr sowie donnerstags bis sonnabends zusätzlich von 23 bis 23.30 Uhr zu sehen.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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