Wohnungen, Infrastruktur, sozialer Zusammenhalt
Was Bürgermeister Michael Grunst (Die Linke) im Bezirk an Schwerpunkten für das Jahr 2022 sieht
Über einen Rückblick auf das herausfordernde Jahr 2021 und einen Ausblick auf 2022 unterhielt sich Berliner-Woche-Reporter Bernd Wähner für die erste Ausgabe des neuen Jahres jetzt mit Bürgermeister Michael Grunst (Die Linke).
Mit Blick auf 2021: Was war aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung?
Michael Grunst: Das war und ist die Pandemie. Wir hatten noch im Frühjahr die Hoffnung, dass wir sie zum Herbst überwunden haben. Und dann kam die nächste Welle. Mein Appell an alle ist deshalb: Impfen, impfen, impfen! Nur so kommen wir gemeinsam aus der Pandemie. Deshalb haben wir das Impfen als Bezirk auch selbst in die Hand genommen und hatten im Sommer ein großes Impfzentrum auf dem IKEA-Parkplatz. Und wir vereinbarten mit der Senatsverwaltung, im Linden-Center und auf der Trabrennbahn Karlshorst Impfangebote bereitzuhalten. Außerdem engagieren sich unsere Ärztinnen und Ärzte unermüdlich für das Impfen. Deshalb geht mein herzlicher Dank an alle, die mitziehen: An Ärztinnen und Ärzte, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Gesundheitswesen, Hilfsorganisationen, an die Bundeswehr, aber auch an die Senatsverwaltung für Gesundheit.
Trotz Pandemie wurde viel erreicht. Was war ihnen besonders wichtig?
Michael Grunst: Das war der weitere Ausbau der sozialen Infrastruktur sowie von Grünflächen und Spielplätzen. Wir sind ein wachsender Bezirk. Deshalb arbeiten wir massiv am Schul- und Kita-Ausbau. Wir setzen die Rahmenbedingungen für den weiteren Bau von bezahlbarem Wohnraum. Ein anderes Thema, das uns stark bewegt und weiter bewegen wird, ist die Frage des sozialen Zusammenhalts. Wir führten 2021 eine Kinderarmutskonferenz durch und mussten dabei feststellen, dass jedes dritte Kind Transferleistungen bezieht. Davon vor allem betroffen sind Kinder Alleinerziehender. Deshalb entwickeln wir kommunale Handlungsstrategien. Außerdem merken wir, dass die Altersarmut wächst. Auch hier müssen wir gegensteuern.
Sie sind erneut zum Bürgermeister gewählt worden. Welches sind die Schwerpunkte, denen Sie sich in der neuen Legislaturperiode widmen werden?
Michael Grunst: Ich hoffe, dass wir aus der Pandemie die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Das heißt, dass wir ein wirklich gut aufgestelltes Gesundheitswesen brauchen. Und da bin ich schon beim ersten Schwerpunkt. Wir müssen zum Ende dieser Legislaturperiode 2026 eine bessere ärztliche Versorgung haben, gerade im Norden des Bezirks. Ich denke, dass wir die notwenigen Schritte eingeleitet haben. Im Mühlengrund in Neu-Hohenschönhausen wird zum Beispiel ein Ärztezentrum entstehen, das wir gemeinsam mit der Howoge und den Krankenhäusern auf den Weg gebracht haben. Ein weiterer Schwerpunkt ist der Neubau des Urbanen Zentrums am S-Bahnhof Hohenschönhausen. Außerdem werden wir weiter bezahlbaren Wohnraum schaffen. Da sind mehrere Tausend Wohnungen in der Warteschleife, Großprojekte, aber auch kleinere Lückenbauten. Wir werden darauf achten, dass Innenhöfe möglichst nicht massiv zugebaut werden, denn wir wollen Wohnungsbau mit Lebensqualität verbinden. Außerdem werden wir die Infrastruktur weiter ausbauen: Kitas, Schulen, verkehrliche Infrastruktur.
Wo sehen Sie bei der verkehrlichen Infrastruktur die Herausforderung?
Michael Grunst: Die sehe ich in einer modernen Mobilität. Es bringt nichts, Leuten vorzuwerfen, dass sie Auto fahren. Man muss ihnen attraktive alternative Angebote machen, wie einen starken ÖPNV. Ich bin wirklich enttäuscht über die Festlegungen in der Koalitionsvereinbarung, dass kein großes Nahverkehrsprojekt im Nordosten der Stadt geplant ist. Es wird über U-Bahn-Ausbau in den Westbezirken geredet, aber Nahverkehrsprojekte dort, wo die wachsende Stadt sich entwickelt, also in Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Pankow, finden sich in der Vereinbarung nicht. Damit meine ich nicht nur die Verlängerung der S75, sondern auch Straßenbahn- und Busverbindungen. Da müssen wir ran. Ein weiteres Thema ist, dass wir die Radinfrastruktur stark ausbauen und auch die Fußgänger mehr in den Fokus rücken müssen. Es braucht eine stärkere Diskussion, wie der Verkehr immer von den schwächsten Verkehrsteilnehmern aus gedacht wird.
Welche Vorhaben beim Thema Klimaschutz sollte das Bezirksamt aus Ihrer Sicht als erstes angehen?
Michael Grunst: Ich finde es richtig, dass sich Berlin das Ziel gesetzt hat, 2035 klimaneutral zu werden. Da werden wir uns stark einbringen. Wir werden bei der Sanierung öffentlicher Gebäude darauf achten, dass wir CO2-neutral werden. Außerdem setzen wir uns für klimaneutrale Mobilität ein. Ein Beispiel dafür ist, dass wir massiv in Ladesäulen investieren, um die E-Mobilität zu fördern. Und wir werden mit unserer Klimaschutzbeauftragten ressortübergreifend eine Arbeitsgruppe bilden, die bei diesen Themen ansetzt. Beim Klimaschutz geht es auch um Baumpflanzungen. Ich denke, dass wir ein Mehr an Bäumen miteinander vereinbaren sollten. Denn Bäume haben Auswirkungen auf das Stadtklima. Nicht zuletzt haben wir den Erhalt der Kleingärten weiter im Fokus.
Welche bezirkspolitischen Etappenziele sollten 2022 erreicht werden?
Michael Grunst: Wir rechnen ganz stark mit dem Baubeginn für das Wohnquartier „Weiße Taube“ an der Landsberger Allee. Ich hoffe außerdem, dass wir Ende 2022 auf der Zielgeraden beim Projekt der Gehrenseehöfe sein werden, damit dort mit dem Bauen begonnen werden kann. Außerdem werden mit der Bevölkerung in eine Diskussion über eine verantwortungsvolle Bebauung an der Trabrennbahn eintreten. Bisher haben wir es jedes Jahr geschafft, die Rahmenbedingungen für den Bau von zirka 2000 neuen Wohnungen zu schaffen. Ich gehe davon aus, dass wir dieses Tempo halten. Wir werden auch schauen, dass wir Wohnungsbau mit der Entwicklung von attraktiven Gewerbegebieten verschränken. Die Menschen sollen auch in Lichtenberg Arbeit finden. Wir haben inzwischen international agierende und innovative Unternehmen. Aber auch Kleinstgewerbe ist bei uns zu Hause. Deshalb ist es wichtig, Geschäftsstraßen, wie die Konrad-Wolf-Straße oder die Weitlingstraße zu unterstützen. Die Gewerbetreibenden haben in der Pandemie viel durchgemacht. Darum überlegen wir, sie mit einem Geschäftsstraßenmanagement zu unterstützen.
Was erhoffenSie sich für die Menschen im Bezirk?
Michael Grunst: Mein Wunsch ist es, dass wir alle einigermaßen gut durch die Pandemie kommen und dann die Fäden, die wir mit Beginn der Pandemie loslassen mussten, wieder aufnehmen. Mein zweiter Wunsch ist, dass sich alle für ihren Kiez und ihren Bezirk engagieren und nicht gleich aufgeben, wenn es mal Widerstand gibt. Ich möchte die Bürgerinnen und Bürger aber auch ermuntern, sich nicht nur zu engagieren, sondern sich auch zu beteiligen. Wir werden 2022, wenn die Pandemie es zulässt, wieder stärker in die Bürgerbeteiligungsgespräche gehen. Wir begannen ja mit Stadtteildialogen, in denen wir den intensiven Austausch gesucht haben. Wir sind auch dorthin gegangen, wo es unangenehm war. Aber das ist ja auch der Sinn von Kommunalpolitik, Dinge aufzunehmen, mit denen die Menschen nicht einverstanden sind.
Allen Lichtenbergerinnen und Lichtenbergern wünsche ich vor allem ein gesundes neues Jahr.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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