Wer zu spät kommt...
Die Diagonalsperren im Samariterkiez und ihre Gegner

Viel Verkehr, trotz oder wegen der Poller in der Samariterstraße.  | Foto: Thomas Frey
3Bilder
  • Viel Verkehr, trotz oder wegen der Poller in der Samariterstraße.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Etwa ein Dutzend Frauen und Männer waren persönlich zur Sitzung des Ausschusses für Umwelt, Klimaschutz, Verkehr und Immobilien gekommen. In der Hinterhand hätten sie nach eigenen Angaben rund 700 Unterschriften von Menschen, die ihr Anliegen teilen. Das betrifft die seit Mitte August geltende Verkehrsberuhigung im Samariterkiez.

Die Hindernisse – vor allem die drei Straßensperren an der Pettenkofer- und Bänsch-, Bänsch- und Samariter- sowie an der Kreuzung Voigt- und Schreinerstraße – sorgten seither für heftige Auseinandersetzungen, sagten die Gegner und hielten das schon für eine negative Begleiterscheinung. Autofahrer, Nicht-Autofahrer, Radler – alle lägen miteinander im Clinch.

Auch die Ausführungen von Felix Weisbrich schienen diesen Befund zu unterstreichen. Beim Bezirksamt seien viele Nachrichten eingegangen, sagte der Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes. Viele kritische, aber ebenfalls nicht wenige positive. Die Einwände fasste er in vor allem drei Punkten zusammen. Erstens: Durch die Sperren finde nur eine Verlagerung, nicht weniger Verkehr statt. Zweitens: Um den Zeitverlust durch die Hindernisse auszugleichen, seien die Autofahrer mit umso höherer Geschwindigkeit unterwegs. Was gleichzeitig größere Gefahr bedeute und drittens zu Manövern führe, die Sperren zu umfahren. An der Pettenkofer- und Samariterstraße speziell dadurch, dass die Verkehrsteilnehmer in die Bänschstraße einfahren, dort nach wenigen Metern wenden und jenseits der Hindernisse wieder auf die ursprüngliche Route zurückkehren würden. Leidtragende solcher U-Turns wären die Anwohner, aber auch andere Menschen, die sich dort bewegten: Fußgänger, Kita-Kinder, Besucher der Spielplätze, beklagte die Protestgemeinde.

Straßensperren bleiben zunächst ein Jahr

Dieses Problem sei bereits angegangen worden, erinnerte Felix Weisbrich. In der Bänschstraße gelte jetzt Tempo 10. Um die Geschwindigkeit zu reduzieren, wurden außerdem Bodenplatten eingebaut. Das Nachjustieren wertete er auch nicht als "Schildbürgerstreich", wie von einem Gegner geäußert, sondern als schnelles Verwaltungshandeln. Sollte ähnliches an anderen Stellen erforderlich sein, könnte es möglicherweise ebenfalls Gegenmaßnahmen geben, ließ er durchblicken. Außerdem wurden weitere Gespräche mit der Polizei zwecks Kontrolle der Tempo-10-Vorgabe angekündigt.

Deutlich machte der Amtsleiter aber ebenfalls: Die Straßensperren bleiben wie geplant zunächst ein Jahr. Dann werden ihre Vor- und Nachteile evaluiert. So viel Zeit müsse eingeräumt werden. Denn das Verkehrsverhalten ändere sich nicht von heute auf morgen. Und mehrfach wies er auf das Ziel des Projekts hin: ein Verringern des Durchgangsverkehrs.

Ob das erreicht wird, bezweifelten die Protestvertreter. Dazu unterfütterten sie ihre Ablehnung mit persönlichen Erfahrungen. Ein Anwohner aus der Samariterstraße sah sich jetzt mit mehr Verkehr konfrontiert, denn nur dort sei eine Einfahrt in Richtung Norden möglich. Die Inhaberin eines Blumengeschäftes an der Schreiner- und Voigtstraße beklagte die Erschwernisse und damit den Rückgang ihrer Kundschaft aufgrund der Hindernisse. Und das alles "wegen der paar Autos", die hier durchfahren würden.

Andere hielten die Diagonal-idee schon ästhetisch für eine Zumutung. Dass der Aufbau dieser Grenzen ausgerechnet an einem 13. August, dem Jahrestag des Mauerbaus, begonnen hatte, hielten wieder andere für historisch wenig sensibel. Und wenn schon Verkehrsberuhigung, dann lieber mehr Flächen für Radfahrer auf Kosten der Autos, war ebenfalls eine Meinungsäußerung. Sie alle zeigten auch, dass es zwar Einigkeit bei der Ablehnung der aktuellen Situation gibt, weniger aber darüber, wie die Alternativen aussehen sollen.

Kritik: Unzureichende Information

Dabei sind einige Kritikpunkte nicht von der Hand zu weisen. Etwa der Hinweis, auch Anwohner müssten jetzt weitere Wege zurücklegen, um per Auto zu ihrem Haus zu gelangen. Aber das Problem bei allen Einwänden war: Sie kommen wie der ganze Protest etwas spät. Was mehrere Anwesende damit begründeten, sie hätten von dem Vorhaben nichts mitbekommen, weil darüber nach ihrer Ansicht unzureichend informiert wurde.

Gerade dieser Vorwurf sorgte für teilweise vehementen Widerspruch einiger Bezirksverordneter. Die vorgesehene Verkehrsberuhigung sei schon seit Jahren Thema gewesen, stellte zum Beispiel Peggy Hochstätter (SPD), selbst Kiezbewohnerin, klar. Sie verwies dabei unter anderem auf öffentliche Veranstaltungen oder Berichte, etwa in der Berliner Woche. Wer darüber Bescheid wissen wollte, hätte die Möglichkeit dazu gehabt. Ähnlich äußerte sich Jutta Schmidt-Stanojevic (Bündnis90/Grüne). Es habe ein umfassendes Beteiligungsverfahren gegeben.

Ohnehin zeigten sich die meisten Ausschussmitglieder von dem Auftritt eher genervt. Manche Vorhaltungen würden auch nicht besser, wenn sie mehrfach vorgetragen werden, kam unter anderem als Gegenargument. Etwa der Hinweis, Rettungsfahrzeuge bräuchten wegen der Sperren länger zum Einsatzort. Der Zeitverlust betrage höchstens einige Sekunden. Denn in jedem Feuerwehr- oder Krankenwagen gebe es einen Schlüssel, mit dem sich die Barrieren öffnen ließen.

Immerhin Michael Heihsel (FDP) plädierte dafür, die Einwände ernst zu nehmen und auch das weitere Verfahren ergebnisoffen zu gestalten.

Felix Weisbrich kündigte an, er werde weiter das Gespräch vor Ort suchen. Aber manche Leute hätten gar kein Internet, wurde ihm daraufhin entgegen gehalten. „Ich sagte doch, ich komme persönlich“, konterte er. „Analog“.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" in der Zossener Straße ist imer einen Besuch wert.
6 Bilder

Yummy Kitchen
Köstlichkeiten aus der südindischen und sri-lankischen Küche

Seit 2021 existiert das Spezialitätenrestaurant "Yummy Kitchen" im angesagten Kreuzberger Kiez und lädt Liebhaber der südindischen und sri-lankischen Küche zum ausgiebigen Schlemmen und Genießen ein. So wundert es nicht, dass sich die Location, die über Innenplätze auf zwei Ebenen sowie einen gemütlichen Außenbereich verfügt, zu einem geschätzten Treffpunkt gemausert hat, der zahlreiche Berliner Stammgäste, aber auch Touristen aus dem In- und Ausland regelmäßig begrüßt. Verkehrsgünstig und...

  • Kreuzberg
  • 26.04.24
  • 170× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 260× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 255× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! | Foto: milangucic@gmail.com

Schonende OP-Methode
Patienteninfo: Wenn die Hüfte schmerzt

Hüftschmerzen beeinträchtigen Ihr Leben? Lassen Sie sich nicht länger quälen! Entdecken Sie die neuesten Wege zur Befreiung von Hüftschmerzen auf unserem Infoabend. Unser renommierter Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Leiter des Caritas Hüftzentrums, Tariq Qodceiah, führt Sie durch die modernsten Methoden bei Hüftoperationen. Erfahren Sie, wie die schonende AMIS-Methode eine minimalinvasive Implantation von Hüftprothesen ermöglicht und die Fast-Track-Behandlung eine rasche...

  • Hermsdorf
  • 26.04.24
  • 108× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 322× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 653× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.