Heftige Debatte zum Einwohnerantrag für die Blücherstraße

Die Freifläche an der Blücherstraße 26. Von ihr werde bei den aktuellen Neubauplänen nicht viel übrig bleiben, sagen die Initiatoren des Einwohnerantrags. | Foto: Thomas Frey
  • Die Freifläche an der Blücherstraße 26. Von ihr werde bei den aktuellen Neubauplänen nicht viel übrig bleiben, sagen die Initiatoren des Einwohnerantrags.
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Kreuzberg. Nach drei Stunden waren alle Akteure ziemlich ermattet. Manche hatten sich auch ziemlich verausgabt. Und die Geschichte ist noch nicht beendet, selbst wenn es so langsam darauf hinausläuft.

Am 23. Mai diskutierten mehrere Ausschüsse über den Einwohnerantrag gegen die bisher geplante Bebauung auf dem Grundstück Blücherstraße 26. Dort planen die Träger Vita und Jugendwohnen im Kiez neben dem Bestandsgebäude, dem Heinrich-Plett-Haus, vier Neubauten, etwa für Jugendliche und psychisch kranke Menschen sowie eine Kita. Gegen das Vorhaben gibt es Widerstand, angeführt von der Initiative für den Kiezerhalt. Ihr gehe es nicht um die künftige Nutzung, betonten deren Vertreter, wohl aber um Art und Umfang des Bauvorhabens.

Der Protest richtet sich vor allem gegen den massiven Eingriff in die Grünanlage, einschließlich den Wegfall zahlreicher Bäume. Die in den 1960er-Jahren vom Landschaftsarchitekten Walter Rossow gestaltete Freifläche markiere, ebenso wie die nach Entwürfen von Ernst May errichteten Gebäude eine wichtige Epoche der nicht nur Berliner Baugeschichte. Insgesamt gehe es um Naturräume, gerade in der immer dichter besiedelten Innenstadt.

Ebenfalls kritisiert wird die nach Ansicht der Initiative eigentlich nicht stattgefundene Bürgerbeteiligung. Sie soll jetzt nachgeholt werden, gleichzeitig fordert der Einwohnerantrag, Alternativen zur geplanten Bebauung zu erarbeiten. Unterfüttert wird das auch durch Stellungnahmen von Architekten und Sachverständigen.

Vita-Geschäftsführer John N. Weatherly verwies dagegen auf die Dringlichkeit des Projekts. Es sei schon viel zu viel Zeit vergangen, ohne dass etwas passiert wäre. Es bestehe gerade aktuell höchste Not, ausreichend Wohnraum etwa für Menschen mit psychischen Behinderungen bereitzustellen. Denn häufig würden deren bisherige Mietobjekte gekündigt beziehungsweise Preise aufgerufen, die ein freier Träger nicht bezahlen könne. Weatherly erinnerte auch daran, dass es einst der Bezirk war, der seinen Verein zu diesem Vorhaben an der Blücherstraße animiert habe. Auch die jetzt vorliegenden Pläne seien weniger Ergebnis von Wünschen der Bauherren, sondern vielmehr denen des Baukollegiums. Zudem habe es Kompromisse gegeben, Stichwort Erhalt des Spielplatzes an seiner bisherigen Stelle. Deshalb sollte noch in diesem Jahr mit dem Bau begonnen werden. Auch um weitere Kostensteigerungen zu vermeiden. Ohnehin habe sich das Projekt wegen des langen Vorlaufs bereits von ursprünglich etwa sechs auf jetzt rund acht Millionen Euro verteuert.

Zwei Positionen, die ziemlich weit auseinander lagen. Dazwischen die Bezirksverordneten. Deutlich positionierten sich die Grünen für das Vorhaben. Menschen seien ihm hier wichtiger als Bäume, erklärte deren Bezirksverordneter Manuel Sahib. Aus den Reihen der Bündnispartei kam auch der Vorwurf, der Widerstand würde sich vor allem an den künftigen Bewohnern festmachen. Auf die Spitze getrieben wurde er von Bürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne). In zwei Briefen sei ihr Kindeswohlgefährdung unterstellt worden, wenn auf dem Gelände eine Kita gebaut werde. Die Kinder seien dort wegen der psychisch belasteten Nachbarn angeblich nicht sicher. Das sei "Stigmatisierung" und "Verteufelung", wetterte die Bürgermeisterin.

Spätestens ab diesem Moment wurde die Debatte heftig. "Als ob wir so bescheuert wären, solche Briefe in die Welt zu setzen", wehrte sich Kiezerhalt-Sprecherin Claudia Bartholomeyczik. Für irgendwelche Einzelmeinungen sei die Initiative nicht verantwortlich. Wobei gleichzeitig kolportiert wurde, das Schreiben sei aus den Reihen der organisierten Gegner gekommen.

Vertreter anderer Fraktionen fokussierten sich mehr auf die aktuellen Baupläne. Die seien auf jeden Fall "nicht so gut, wie sie sein könnten", meinte Marlene Heihsel (FDP). Die SPD verlangt in einem Antrag, dass die bisherigen Planungen "aus qualitativen Gründen" abgelehnt werden. Vielmehr wollen die Sozialdemokraten ein Gutachterverfahren, das Alternativen aufzeigt, vor allem zum Eingriff in die Außenanlagen. Auf ein paar Monate mehr würde es bei der bisherigen Baugeschichte nicht mehr ankommen, meinte der SPD-Bürgerdeputierte Volker Härtig. Mit dem Vorhabenträger könnte außerdem ein Nutzungsprogramm vertraglich vereinbart werden.

Über den SPD-Vorstoß wird, wie auch über eine geänderte Version des Einwohnerantrags, am 31. Mai im Stadtplanungsausschuss final abgestimmt. Letztere kam von den Grünen. Sie enthält neben Forderungen der Initiative auch einen neuen Passus, der auf den "dringend benötigte Wohnraum für betreutes Wohnen als ein Ziel der Planungen" abzielt. Die anderen beteiligten Ausschüsse bei der Mammutsitzung am 23. Mai segneten diese Fassung jeweils mehrheitlich ab.

Wie Monika Herrmann und Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) zum Thema Blücherstraße stehen, machten beide sehr deutlich. Ein Baustopp werde seine Unterstützung nicht finden, erklärte Schmidt. Vielmehr solle die Baugenehmigung auf den Weg gebracht werden. "Die kommunale Infrastruktur hat Priorität." Es gebe eine klare Position im Bezirksamt, so die Bürgermeisterin. "Wir haben entschieden, die dafür vorgesehenen Zielgruppen an dieser Stelle unterzubringen. Punkt." tf

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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