Dragonerareal weckt viele Begehrlichkeiten

Auch zwei Clubs befinden sich auf dem Dragonerareal. Wie alle anderen Gewerbetreibenden wollen sie dort bleiben. | Foto: Thomas Frey
2Bilder
  • Auch zwei Clubs befinden sich auf dem Dragonerareal. Wie alle anderen Gewerbetreibenden wollen sie dort bleiben.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

Kreuzberg. Das eigentlich schon verkaufte Dragonerareal wieder zurück und in den Bestand des Landes Berlin zu bekommen, war ein harter Kampf. Vielleicht steht jetzt eine ähnlich große Auseinandersetzung bevor.

Denn was auf dem Areal in Zukunft passieren soll, dazu gibt es zwar einige einigermaßen konkrete Vorstellungen. Allerdings weichen die nicht nur in Nuancen voneinander ab. Und wie häufig in Kreuzberg geht es auch bei diesem Exempel um das große Ganze.

Am 18. Juli fand in der Christuskirche die Auftaktveranstaltung für den künftigen Entwicklungsprozess statt. Er soll "in Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft ein Beispiel geben, wie eine Bau- und Liegenschaftspolitik in Berlin aussehen kann", erklärte Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis 90/Grüne) in der Einladung. Als "Zivilgesellschaft" sind vor allem verschiedene Initiativen aktiv. Sie heißen "Upstall", "Wem gehört Kreuzberg", "Kiezbündnis am Kreuzberg", "Stadt von Unten" oder "Dragonerinitiative". Es gibt einen Zusammenschluss, der sich für einen Gedenkort auf dem Gelände einsetzt, und nicht zu vergessen die Gewerbetreibenden. Sie alle haben Wünsche, Vorstellungen, Interessen. Und nicht immer sind die deckungsgleich.

Gemeinsam pochen sie auf ein umfassendes Mitspracherecht, weil es in erster Linie ihrem Einsatz und Protest zu verdanken sei, dass das Dragnonerareal überhaupt in den Landesbesitz gekommen ist. Wie mehrfach berichtet, war die knapp fünf Hektar große Fläche von der bundeseigenen Immobilienverwaltung (BImA) in einem Höchstbieterverfahren für 36 Millionen Euro an den Investor Dragonerhöfe GmbH aus Wien verkauft worden. Aufgestachelt durch den Widerstand im Kiez erreichte das Land Berlin eine Ablehnung dieses Deals im Bundesrat. Es kam nach langem Hin und Her zu einer Rückabwicklung und im Frühjahr zur Übergabe im Rahmen des Hauptstadtvertrags. Schon zuvor hatte der Senat den gesamten Rathausblock, sprich den Bereich zwischen Großbeerenstraße und Mehringdamm, Obentraut- und Yorckstraße zum Sanierungsgebiet erklärt. Mit dem Dragonerareal in seiner Mitte.

Auch Land und Bezirk favorisieren bestimmte Pläne. Der Wohnungsbau spielt dabei eine wichtige Rolle. Rund die Hälfte der Neubauten soll für um die 6,50 Euro pro Quadratmeter angeboten werden. Auch Gewerbe, Kultur und Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge sollen Platz finden, etwa eine Kita oder ein Jugendzentrum. Das alles sei aber noch nicht in Stein gemeißelt, versicherte Alexander Matthes, der beim bezirklichen Stadtplanungsamt für das Dragonareal verantwortlich ist. Vielmehr werde ein umfassender Austausch mit den Bürgern und Initiativen gewünscht. "Wir sind offen. Ihre Aufgabe ist es, uns zu ärgern."

Den Initiativen brauchte er das nicht zweimal zu sagen. Gemeinsam trugen sie einen Neun-Punkte-Katalog vor, der unter anderem 100 Prozent bezahlbare Mieten für alle Bewohner und Gewerbetreibende fordert. Darunter zu verstehen seien erschwingliche Preise auch für Menschen, die Sozialleistungen beziehen. Dazu soll das Gelände in kommunaler und selbstverwalteter Hand bleiben. Von der S.T.E.R.N., Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung, die als Sanierungsbeauftragte fungiert, wird eine vollständig Transparenz, etwa durch einen alle zwei Wochen zu veröffentlichten Statusbericht verlangt. Ebenfalls dürften während der Dialogphase keine unumkehrbaren Fakten geschaffen werden. Wichtig ist vielen Akteuren, dass sie auf dem Gelände Räume zur Verfügung gestellt bekommen. Die Vertreterin von "Stadt von Unten" will außerdem einen finanziellen Ausgleich für an diesem Prozess Beteiligte.

Letzteres gehörte bereits zu den Sonderwünschen, die zahlreiche Vertreter danach äußerten. Gerade hier zeigten sich Diskrepanzen. Einige sahen eine massive Bebauung eher kritisch und plädierten für größere Freiräume. Der Erhalt der bestehenden Bausubstanz wurde ebenso vorgebracht, wie ein Konzept, das sich an den vorhandenen Gegebenheiten orientiert, was auch die Erinnerung an die Historie des Ortes beinhaltet. Und immer wieder war die Rede von einer Entwicklung "von vielen für viele".

Wie das umzusetzen ist, auch darüber war Dissens zu erkennen. Setzen sich zahlenmäßig starke Repräsentanten durch oder bestimmt am Ende die Politik? Wäre ein Verfahren ähnlich der Schöffen bei Gericht zielführender, bei dem zufällig ausgewählte Repräsentanten bei den Beratungen der Verwaltung mit am Tisch säßen?

Und schließlich der große Überbau. Vom Dragonerareal könnte ein Modellprojekt für neue Beteiligungsprozesse weit über Kreuzberg ausgehen. Eigentumsfragen, Mitbestimmung, Planung als kreativer Lernprozess waren dabei nur einige Schlagworte. tf

Auch zwei Clubs befinden sich auf dem Dragonerareal. Wie alle anderen Gewerbetreibenden wollen sie dort bleiben. | Foto: Thomas Frey
Was bisher geschah. Über die Auseinandersetzungen um das Dragonerareal wurden die Besucher der Veranstaltung am 18. Juli auf Tafeln vor der Christuskirche informiert. | Foto: Thomas Frey
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

Gesundheit und MedizinAnzeige
Vernachlässigen Sie nicht Ihre Füße. Dieses wichtige Körperteil trägt uns durchs Leben.

Probleme und ihre Lösungen
Probleme rund um den ganzen Fuß

Haben Sie Ihren Füßen jemals gebührende Aufmerksamkeit geschenkt? Oft vernachlässigen wir sie, solange sie funktionieren und schmerzfrei sind. Sobald Beschwerden auftreten, wird uns die Bedeutung dieses komplexen Körperteils schlagartig bewusst. Unsere zertifizierten Fußchirurgen geben Ihnen Einblicke in die Anatomie des Fußes und behandeln gezielt Fehlstellungen und Verletzungen mit innovativen Lösungsansätzen. Erfahren Sie mehr über Fußprobleme wie Achillessehnenbeschwerden,...

  • Hermsdorf
  • 25.04.24
  • 173× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Veggie & Vega in der Gneisenaustraße 5.
6 Bilder

Veggie & Vega Restaurant
Gesundes Essen mit exzellentem Geschmack

Seit Frühjahr 2023 existiert das Restaurant Veggie & Vega in Kreuzberg, das eine Vielzahl an vegetarischen sowie veganen Speisen aus der (süd)indischen Küche anbietet. "Gesund" lautet hier dementsprechend das Motto, wobei alle Gerichte durch die spezielle Komposition von frischen Zutaten und den ganz passenden Gewürzen zu einem wahren Gaumenschmaus fusionieren. Die vegetarische oder vegane Ernährungsform ist seit Langem nicht nur ein Trend, sondern vielmehr eine Lebenseinstellung, der immer...

  • Kreuzberg
  • 25.04.24
  • 148× gelesen
WirtschaftAnzeige
Das Restaurant Chettinad finden Sie seit Herbst 2023 auch im Food Court im The Playce am Potsdamer Platz.
5 Bilder

Chettinad im Manifesto Market
Indien zu Gast im The Playce

Im ersten Oberschoss des populären Food Court im The Playce am Potsdamer Platz präsentiert sich seit Herbst 2023 auch das Restaurant Chettinad, das seine typisch indischen Spezialitäten somit an drei Berliner Standorten sehr eindrucksvoll präsentiert. Auch am Hotspot am Potsdamer Platz werden neben diversen landestypischen Suppen und Vorspeisen auch zahlreiche Hauptgerichte serviert, die ganz nach Belieben für eine kulinarische Reise der besonderen Art sorgen. Zu den Highlights zählen dabei...

  • Tiergarten
  • 24.04.24
  • 216× gelesen
WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 598× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.