"Zur falschen Zeit am falschen Ort wäre zu einfach"
Wieland Giebel, sein Unfall und die Folgen

Wieland Giebel im Krankenbett. So ein Unglück zwinge zum Nachdenken, sagt der Verleger. | Foto: Thomas Frey
  • Wieland Giebel im Krankenbett. So ein Unglück zwinge zum Nachdenken, sagt der Verleger.
  • Foto: Thomas Frey
  • hochgeladen von Thomas Frey

"Die Muskel- und Nervenstränge im Bein müssen Sie sich ungefähr so vorstellen wie die Kabelleitungen am BER", sagt Wieland Giebel. Seine Formulierungsgabe und seinen Humor hat er also nicht verloren.

Sein Kopf ist intakt geblieben, bei dem schweren Unfall am 18. Mai. Dank des Fahrradhelms, den er trug. Anders als sein linker Fuß. Blut hatte sich dort gestaut. Der Genesungsprozess wird sich hinziehen.

Wie berichtet, war Wieland Giebel auf der Wilhelmstraße von einem Autoraser erfasst worden, der mit viel zu hoher Geschwindigkeit von der Anhalter Straße eingebogen war. Der Chef des Berlin Story Verlags war mit dem Rad auf dem Heimweg vom Story Bunker in der Schöneberger Straße.

Den Raser habe er akustisch noch wahrgenommen, erzählt er in seinem Krankenbett. "Als ich seine Fahrgeräusche hörte, dachte ich noch: Wenn das mal gut geht". Es ging nicht gut. Und er war der Leidtragende.

Drei Stunden fehlen

Der 18-jährige PS-Profilierfahrer am Steuer eines dicken Premium-Autos erfasste den 69-Jährigen. Er wurde durch die Luft geschleudert und stürzte auf sein Bein. Das alles bekam Wieland Giebel nicht mehr bewusst mit. Von seinem letzten Gedanken bis zum Aufwachen auf der Intensivstation der Klinik fehlen ihm gut drei Stunden. Er erfuhr erst später, dass es nur wenige Minuten gedauert hat, bis der Rettungswagen vor Ort war. Und dass der Jugendliche mit seiner verkehrswidrigen Spritztour seiner Freundin imponieren wollte und bereits vor dem Zusammenstoß mit ihm aufgefallen war.

Meldungen über solche schweren Unfälle gibt es auch aus Friedrichshain-Kreuzberg nahezu im Wochentakt. Über sie wird berichtet, der Hergang geschildert, aber letztendlich sind sie erst einmal nur ein weiterer Beleg für manchen Wahnsinn im Straßenverkehr. Anders wird das meist, wenn davon ein Mensch betroffen ist, den man kennt. So wie bei Wieland Giebel.

Er sei eigentlich immer als defensiver Radfahrer unterwegs, sagt der. Auch Pedalrasern lasse er den Vortritt. Gerade, weil er eine solche Situation, wie sie ihm jetzt passiert sei, vermeiden wollte. Dass das trotzdem nicht gelungen sei, stimme ihn nachdenklich, wie insgesamt der Unfall einen Einschnitt bedeute.

Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod

Er habe zu einer Beschäftigung mit dem eigenen Tod gezwungen. Was normalerweise ja meist kein Thema sei, außer vielleicht bei Beerdigungen. Und damit verbunden stelle sich die Frage, ob man trotz aller Vorkehrungen an manchen Ereignissen nichts ändern könne. Also das, was gemeinhin Schicksal genannt wird. Profaner gesagt, er war einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Wenige Minuten früher oder später losgefahren und es hätte den Zusammenstoß wahrscheinlich nicht gegeben. Oder wenn kurz vorher die rote Ampel passiert hätte, weil die Straße völlig frei war, an der er aber angehalten hat ... Aber auf diese Hätte-, Wäre-, Wenn-Ebene will er sich nicht einlassen.

Es wird vielleicht Monate dauern, bis er wieder völlig gesund ist. Sportliche Betätigung liegt erst einmal auf Eis. Neben Radfahren vor allem Joggen. Das sei bisher ein wichtiger Bestandteil gewesen. Und es ist für jemand, der auf Fitness Wert legt einigermaßen schwer zu verarbeiten, dass erste Aufstehversuche aus dem Krankenbett nur kurz und mühsam ausgefallen sind.

Trotzdem vermittelt Wieland Giebel nicht den Eindruck, als füge er sich passiv in das, was ihm passiert ist. Er lobt den Service im Krankenhaus. Selbst das deutsche Gesundheitssystem gibt ihm keinen Anlass zur Klage. Und, für ihn besonders wichtig, das Internet funktioniere in der Klinik optimal. Der Kontakt zu Verlag und Außenwelt bleibt nicht nur deshalb stabil. Aber das alles sind Erfahrungen, die er sich gerne erspart hätte.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

47 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 473× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 441× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 390× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 423× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.740× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.