Interview mit Bürgermeister Gordon Lemm (SPD) über Chefsachen, Herausforderungen und den Personalmangel in der Verwaltung
"Ich möchte den Menschen weiterhin auf Augenhöhe begegnen"

Beim Gesprächstermin am 9. Dezember hatte Bürgermeister Gordon Lemm sein Büro im Rathaus Hellersdorf noch nicht endgültig eingerichtet. Eine Sache war ihm allerdings wichtig: Er ließ die zuvor rote Tapete in seinem Büro weiß streichen. Das passe besser, meint der 44-Jährige. | Foto:  Philipp Hartmann
  • Beim Gesprächstermin am 9. Dezember hatte Bürgermeister Gordon Lemm sein Büro im Rathaus Hellersdorf noch nicht endgültig eingerichtet. Eine Sache war ihm allerdings wichtig: Er ließ die zuvor rote Tapete in seinem Büro weiß streichen. Das passe besser, meint der 44-Jährige.
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Dass seine SPD die traditionell im Bezirk starke Linkspartei bei der Wahl im September hinter sich lassen konnte und er als Bürgermeister die Nachfolge von Dagmar Pohle antreten konnte, war für Gordon Lemm doch insgesamt eine Überraschung. Was er für seine Amtszeit plant, darüber sprach er mit Berliner-Woche-Reporter Philipp Hartmann.

Sie haben jetzt fünf Jahre Zeit zu gestalten. Welches Projekt werden Sie zur Chefsache machen?

Gordon Lemm: Ich hatte ja in den vergangenen fünf Jahren die Verantwortung für die Themen Familien, Kinder und Jugendliche. Das soll und wird bei mir auch weiterhin ein Haupt- und Herzensthema sein. In meiner Antrittsrede habe ich gesagt, ich würde mir wünschen, dass wir es schaffen, dass Marzahn-Hellersdorf als Bezirk wahrgenommen wird, der für Familien ideal ist. Das ist erstmal eine ganz globale Vision. Wenn man es dann runterbricht auf verschiedene Themen, fällt mir natürlich sofort das Kombibad ein. Das möchte ich zur Chefsache machen. Da ist unglaublich viel Kraft, Energie, Anstrengung, Koordination und auch Unterstützung von Landesebene notwendig. Nur, wenn wir mit voller Kraft darauf zusteuern, werden wir das schaffen. Ansonsten wächst nicht nur Berlin, sondern auch Marzahn-Hellersdorf nach wie vor. Wir müssen immer mit der sozialen Infrastruktur hinterherkommen und einen Ausgleich finden zwischen „Berlin braucht mehr Wohnungen“ und dass wir aber bei uns erstmal dahin kommen, allen, die hierherziehen, auch gute Bedingungen zu liefern. Das können wir, wenn es in dem Tempo so weitergeht, nicht mehr.

Was ist Ihnen bei der Ausübung Ihres Amts persönlich wichtig?

Gordon Lemm: Zwei Dinge. Erstens hoffe ich, dass ich den Menschen weiterhin auf Augenhöhe begegnen kann, dass man also nicht irgendwie abhebt. Zum Zweiten hoffe ich, einen kollegialen Umgang bei uns im Bezirksamt und mit unseren Mitarbeitenden hinzubekommen, was Frau Pohle zum größten Teil auch ausgezeichnet hat. Das ist auf jeden Fall etwas, das ich auch über die Parteigrenzen hinweg fortsetzen will.

Sie sind jetzt auch für die Wirtschaftsförderung im Bezirk zuständig. Der CleanTech Business Park ist bisher offenbar nicht sonderlich attraktiv für Ansiedlungen von Unternehmen. Was machen Sie dafür, dass sich das endlich ändert?

Gordon Lemm: Da hat meine Vorgängerin Nadja Zivkovic (CDU) einen wichtigen Wegstein gelegt. Die WISTA, die den Campus Adlershof entwickelt, also eine große Expertise bezüglich Vernetzung und Etablierung von Wirtschaftsstandorten hat, ist jetzt federführend Partner von uns. Insofern geht ein großer Teil, was Vermarktung und Akquise angeht, in deren Hände über. Mit denen werde ich mich jetzt auch zeitnah treffen, um hier Themen gemeinsam abzusprechen. Hilfreich wäre es natürlich – aber das werden wir garantiert nicht in dieser Wahlperiode schaffen – wenn wir die Ortsumfahrung Ahrensfelde endlich hinbekämen. Denn das ist natürlich auch ein Infrastrukturvor- oder -nachteil für Wirtschaftsunternehmen: Komme ich da überhaupt gut hin und weg? Wenn man ehrlich ist, kommt man da gerade relativ schwierig hin. Ich gehe aber mal davon aus, dass wir hier in den nächsten fünf Jahren auch ernsthafte Ansiedlungen erleben werden und diese Vision, die es mal gab, grüne Technologie, also „clean tech“, hier anzusiedeln, dann auch Wirklichkeit wird.

Als Bürgermeister haben Sie auch die Personalplanung im Bezirksamt im Blick. Wie groß ist die Lücke, die durch die Pensionierung von Mitarbeitern in den kommenden Jahren gefüllt werden muss?

Gordon Lemm: Eindeutig zu groß. Man muss es so sagen. Von 1920 Stellen, die wir jetzt bei uns haben, sind knapp 300 unbesetzt. Das ist schon enorm und das spürt man in manchen Bereichen auch. Im Bauamt haben wir bestimmte Maßnahmen nicht umsetzen können, obwohl Gelder da waren. Auch beim Thema Unterstützung von Familien in schwierigen Situationen gelingt es uns aus den verschiedensten Gründen nicht, Kolleginnen und Kollegen nachhaltig und dauerhaft einzustellen oder sie zu halten. Also man merkt schon: Wenn Mitarbeiter nicht da sind, können bestimmte Leistungen nicht erbracht werden. Bis zum Jahr 2030 gehen 50 Prozent aller Kollegen in Rente. Das ist nicht nur eine Riesenherausforderung für unseren Personalbereich, hier neue Menschen wieder einzustellen, sondern auch den Wissenstransfer zu gewährleisten.

Wie wollen Sie neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gewinnen?

Gordon Lemm: Die große Herausforderung besteht einfach darin, dass wir in Konkurrenz zu allen anderen Bezirken, den Landes- und Bundesinstitutionen und der freien Wirtschaft stehen. Wir müssen, und das möchte ich wirklich auch doppelt unterstreichen, auf jeden Fall schneller werden. Es ist nicht so, dass sich Menschen bei uns nicht bewerben. Die Strukturen, die wir hier haben, bis eine Stelle tatsächlich besetzt ist, sind aber einfach so unglaublich bürokratisch aufgeladen, dass es viel zu lange dauert. In der freien Wirtschaft braucht es sechs Wochen, bis jemand neu anfängt, bei uns im Bezirksamt dauert es ein Jahr – ein riesiger Unterschied. Und klar, wenn Arbeitnehmer auf der Suche nach einem Job sind, ungefähr gleiche Angebote zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft haben, können Sie sich vorstellen, wo die hingehen. Also müssen wir schneller werden, zielgruppenadäquater kommunizieren und einfach dort werben, wo junge Leute, junge Absolventen sind. Das sind Social-Media-Kanäle und Jobportale, die jetzt auch neu hinzukommen. Das Amtsblatt und berlin.de sind vielleicht nicht mehr ganz adäquat. Außerdem muss man auch eine zielgruppengerechte Ansprache haben, muss Neugier für einen Job schaffen, die Stellen also erstmal attraktiv beschreiben – und dann auch wirklich kurz und knapp. Wir haben die Erfahrung gemacht: Je kürzer die Anzeigentexte sind, desto mehr Menschen bewerben sich, weil es nicht abschreckt und man es sich tatsächlich auch bis zum Ende durchliest. Das darf man auch nicht unterschätzen.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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