„Allein der konkrete, kreative Einsatz zählt“
Carola Schaaf-Derichs dankt allen Engagierten, die dort helfen, wo die Not am größten ist
Ein schweres Jahr liegt hinter vielen Berlinern. Und für viele wäre es noch sorgenvoller geworden, wenn nicht vielerorts engagierte Bürger freiwillig und selbstlos Hilfe geleistet hätten. Carola Schaaf-Derichs, Geschäftsführerin der Landesfreiwilligenagentur Berlin, weiß, was die Engagementszene in diesem Jahr geleistet hat.
Was sagen Sie im Rückblick auf das Jahr 2020?
Carola Schaaf-Derichs: Was für ein Jahr! So viel Umbruch, Verunsicherung und Sorge um gesundheitliche Sicherheit gab es nie – zumindest nicht in meiner Erinnerung. Als Landesfreiwilligenagentur Berlin unterstützen und beraten wir sowohl Menschen als auch Organisationen, die sich für andere einsetzen, etwas Gutes tun. Gemeinsam machen wir die Welt ein wenig besser, freundlicher und auch nachhaltiger, lernfreudiger und solidarischer. Wir alle wurden in diesem Jahr einer unerwarteten Prüfung auf unsere Krisenfestigkeit unterzogen, das war eine harte Herausforderung.
Was hat aus Ihrer Sicht geholfen, mit der Situation zurechtzukommen?
Carola Schaaf-Derichs: Vor 15 Jahren hat sich ein Landesnetzwerk Bürgerengagement Berlin an unserer Seite gegründet, das wir freiwillig unterstützen und voranbringen. Seine Netzwerkkraft hat gerade in diesem Jahr vielen betroffenen Organisationen Halt gegeben: Haupt- und Ehrenamtliche in den Bereichen Freiwilligenmanagement, Diversitätsförderung oder in der Vereinsführung konnten aus den Erfahrungen anderer im Netzwerk lernen und zum Beispiel die notwendige Digitalisierung herbeiführen. Aber das war bei Weitem nicht für alle möglich! Etwa die Hälfte unserer Partner war nicht in der Lage, ihre bisherige Arbeit weiterzuführen – insbesondere dort, wo es um unmittelbaren Kontakt zu Menschen ging, zum Beispiel in der Betreuung von Kindern und bei Besuchen von Älteren in Heimen oder von Geflüchteten in den Unterkünften.
Wie steht es um die Organisationen derzeit?
Carola Schaaf-Derichs: Wir wissen aus unserer Beratung und Qualifizierung von Organisationen ziemlich genau, was es heißt, den langen Atem zu behalten, nicht aufzugeben und aus der Krise zu lernen. Leider gab es einige Einstellungen von Betrieben, die einen Mangel an Förderung hatten. Und zahlreiche Einsatzfelder von Ehrenamtlichen waren mit den AHA-Regeln nicht mehr aufrechtzuerhalten. Dadurch haben viele Hilfsorganisationen ihre Engagierten verloren. Es gibt also Verluste zu beklagen, Rückzug und Abstand, der sich nicht mehr richtig „kitten“ lässt. Digitale Begegnungen sind für einige Ehrenamtliche kein Ersatz für die „echten“, wie sie sagen.
Gab es auch positive Entwicklungen?
Carola Schaaf-Derichs: Auf jeden Fall. Es sind neue Initiativen, neue Ideen und neue Freiwilligkeit entstanden – gerade bei Aktiven, die mit der Umstellung auf digitale Arbeitsprozesse im Ehrenamt sehr gut zurechtkommen – ob bei Nachbarschaftsplattformen wie nebenan.de oder beim Verein „Kein Abseits!“, der für die Patenschaften mit geflüchteten Kindern das „Kein-Abseits! TV“ entwickelt hat. Ein Glück für viele Einrichtungen! Eine Gründungswelle von Netzwerken und Projekten ist entstanden und nicht von vorübergehender Art. Sie gilt es jetzt zu unterstützen!
An wen geht in diesem besonderen Jahr Ihr Dank?
Carola Schaaf-Derichs: Als Landesfreiwilligenagentur Berlin danken wir allen unseren Partnern für das große Vertrauen in unsere Zusammenarbeit – insbesondere direkt nach dem ersten Shutdown, als wir die Berliner Freiwilligenbörse digital am 18. April veranstaltet haben. Auch bei unserer digitalen Berliner Engagementwoche und dem Berliner Stiftungstag waren Engagement und Austausch großgeschrieben. Zu danken ist auch der Politik und den Behörden, die sofort Krisenkonferenzen zur aktuellen Lage der sozialen Verbände und Netzwerke ermöglicht und konkrete Hilfsangebote und Fördermöglichkeiten aufgebaut haben – bis hin zum Rettungsschirm im Oktober.
Schließlich möchte ich allen Engagierten danken, die dieses Jahr im Einsatz waren! Sie waren die Lichtblicke in einer Gesellschaft in der Krise, sie haben dort geholfen, wo die Not am größten war – mit all ihren Kenntnissen und Fähigkeiten! Hier gab es kein Alt- oder Jungsein als Schranke, hier ging es nicht darum, woher jemand kam oder wie lange er schon in Berlin ist, hier zählte der konkrete, kreative Einsatz. Ganz wichtig: Wir danken den vielen tollen Projekten und Initiativen von Menschen mit Einwanderungsgeschichte oder Fluchterfahrung. Sie waren als Helfende und Beratende zur Stelle und über alle gesellschaftlichen Grenzen hinweg engagiert.
Ich wünsche mir, dass dieses vielseitige und großartige Engagement in seinem Wert für den Zusammenhalt aller in der Stadt gesehen und anerkannt wird. Im kommenden Jahr ist Berlin die Freiwilligenhauptstadt Europas, da sollte es viele Auszeichnungen und Ehrungen geben, um den verdienten Dank auszusprechen. Wir dürfen nicht im Krisenmodus verharren, wir müssen trotz allen Einschränkungen die Lebendigkeit der Zivilgesellschaft weiter entfalten.
Autor:Hendrik Stein aus Weißensee |
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