"Das hat nichts mit einem Selfie zu tun"
Wie ein Kunstprojekt am Albert-Schweitzer-Gymnasium schiefging – und etwas Neues entstand

Zaineb Bensalah und Natali Abed stellten eine mondäne Szene nach.
4Bilder
  • Zaineb Bensalah und Natali Abed stellten eine mondäne Szene nach.
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Sie haben sich in Fotografien, die in den 1920er-Jahren entstanden sind, vertieft und ins Heute geholt. Nun wollen die Elftklässler des Albert-Schweitzer-Gymnasiums ihre Werke im U-Bahnhof Hermannplatz ausstellen.

August Sander (1876-1964) ist ein ganz Großer, wenn es um Porträtfotografie geht. Er arbeitete hauptsächlich in Köln und machte Bilder von Menschen unterschiedlicher Schichten und Berufsgruppen – vom Studenten bis zum Bäcker, von der Wäscherin bis zur Schauspielerin. „Menschen des 20. Jahrhunderts“ nannte er seine Sammlung. Die Schwarzweißaufnahmen wurden zum Ausgangspunkt für ein Projekt, das sich Kunstlehrerin Kathrin Hammelstein mit ihrem 16-köpfigen Kurs ausdachte. Die Idee: Die Schüler beobachten Menschen auf dem Hermannplatz, wenige Schritte von ihrem Gymnasium entfernt. Was haben sie an, wie bewegen sie sich, wie sehen sie aus? Was machen sie wohl beruflich? Welche Wünsche könnten sie haben? Im zweiten Schritt gehen die Jugendlichen auf die Passanten zu, um zu überprüfen, ob ihre Vermutungen stimmen, und befragen sie. Am Ende sollten Porträts entstehen, die dann Sander-Fotos hätten gegenübergestellt werden könnten.

Das Foto "Spanischlehrkraft" von Amra Salcinovic und Selma Özcelik.
  • Das Foto "Spanischlehrkraft" von Amra Salcinovic und Selma Özcelik.
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Allein, es hat nicht geklappt. „Die Hemmungen waren groß. Die Leute wollten nicht über sich sprechen, das lag vielleicht auch am Zeitpunkt kurz nach dem ersten Lockdown“, meint Kathrin Hammelstein. Also machte sie ihren Schülern den Vorschlag, selbst Modell zu stehen. „Sie waren sofort Feuer und Flamme“, so die Lehrerin und studierte Künstlerin. Es bildeten sich Zweiergruppen. Einer recherchierte zu einem Bild von Sander und lichtete dann seinen Partner ab.

Die Schülerin im Waschsalon - von Layal Abou-Harb und Jenin El-Tahawi.
  • Die Schülerin im Waschsalon - von Layal Abou-Harb und Jenin El-Tahawi.
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Manchmal ließen sich auch beide von einem Dritten fotografieren. Zuvor wurde genau überlegt, wie die Szene neu interpretiert werden könnte. Ein Beispiel: Hatte August Sander eine Waschfrau in grober Schürze neben Straßenpumpe, Gully und Zinkwannen aufgenommen, zeigt die moderne Version ein schick gekleidetes Mädchen, das im Waschsalon Waschmittel in die Maschine füllt. Fotografieren mit einer analogen Kamera kam für die Gymnasiasten nicht in Frage, sie wollten unbedingt ihre Handys nutzen. Das ging für Kathrin Hammelstein in Ordnung. Allerdings machte sie ihren Schülern klar, dass sie sich viel Zeit nehmen und die Szene sorgfältig komponieren müssten. „Das Ganze hatte nichts mit einem schnellen Selfie zu tun.“

Das Motiv "Schüler im Chemieunterricht" setzten Aylin Bingöl und Jan Marouan Wille in Szene.
  • Das Motiv "Schüler im Chemieunterricht" setzten Aylin Bingöl und Jan Marouan Wille in Szene.
  • hochgeladen von Susanne Schilp

Nun wünscht sich die Pädagogin, dass es mit einer kleinen Ausstellung klappt, die – in Anlehnung an Sanders wichtigstes Werk – „Schüler*innen des 21. Jahrhunderts“ heißt. Ins Auge dafür hat sie Vitrinen im U-Bahnhof Hermannplatz gefasst. Die Gespräche mit der BVG laufen. Weil für eine Schau jedoch ein wenig Geld gebraucht wird, hat der Kunstkurs auf www.startnext.com/schuelerinnen-21-jahrhundert eine Spendensammlung gestartet. Die Schüler hoffen, dass bis zum 27. Januar rund 350 Euro für Druck und Rahmung zusammenkommen. Lehrerin Kathrin Hammelstein musste den Jugendlichen für die Aktion Mut machen. Denn sie glauben nicht so recht daran, dass sich die Öffentlichkeit für ihre Arbeit interessiert. „Es wäre total wichtig für sie zu erleben, dass so etwas funktionieren kann, dass sie etwas in ihrer unmittelbaren Umgebung bewegen können“, sagt Kathrin Hammelstein.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

29 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 135× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 921× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 588× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.086× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.977× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.