Gekommen, um zu bleiben
Allmende-Kontor kritisiert Pläne von CDU und SPD zur Randbebauung des Tempelhofer Feldes
Die ersten Hochbeete auf der Neuköllner Seite des Tempelhofer Feldes entstanden am 16. April 2011. Auf den Tag genau zwölf Jahre später wurde Jubiläum im Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor gefeiert.
Aktuell stehen rund 250 Hochbeete auf dem etwa 5000 Quadratmeter großen Areal nahe dem Eingang Oder- und Herrfurthstraße. Neben bunten Blumen wachsen inzwischen zahlreiche Gemüsesorten mit internationaler Herkunft auf der Fläche: lila Bohnen aus Ungarn, gelbe Tomaten aus Brandenburg und rote Kartoffeln aus Schweden. Im Garten wurden 40 Bienen- und 122 Pflanzenarten erfasst. Es gibt Forschungs- und Kunstprojekte, Veranstaltungen auf dem „Dorfplatz“, Komposttage und viele weitere Aktionen. Mehr als 500 Menschen arbeiten in ihrer Freizeit im Gemeinschaftsgarten Allmende-Kontor, der seit 2014 ein eingetragener Verein ist.
Neuer Volksentscheid?
Aktuell droht der grünen Oase, ihren Nutzern und Besuchern jedoch eine Gefahr, die seit Jahren gebannt schien. Kai Wegner, derzeit noch CDU-Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, wird wahrscheinlich am 27. April vom Landesparlament zum neuen Regierenden Bürgermeister gewählt und hat neue Pläne für das Tempelhofer Feld. In ihrem Koalitionsvertrag befürworten CDU und SPD eine Randbebauung des 355 Hektar großen Areals. Dabei war diese Idee seit dem Gesetz zum Erhalt des Tempelhofer Feldes (THF-Gesetz) 2014 vom Tisch. Vorausgegangen war damals ein Volksentscheid, in dem sich die Mehrheit der Berliner gegen eine Randbebauung ausgesprochen hatte. Laut Berliner Morgenpost sagte Wegner jetzt, er könne sich einen neuen Volksentscheid vorstellen.
„Eine Randbebauung würde den gesamten äußeren Wiesenring betreffen, also auch uns“, sagt Kristin Hensel, Gärtnerin der ersten Stunde und zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Allmende-Kontor-Verein. Sie verweist auf einen Passus aus dem THF-Gesetz. Danach ist „die Anlage von Allmende-Gärten, Gärten offenen gemeinschaftlichen Charakters, im äußeren Wiesenring siedlungsnah zu verwirklichen und in die Wiesenflächen einzubetten“. So lautete das Motto des Jubiläumsfestes auch: „Wir sind gekommen, um zu bleiben und haben Wurzeln geschlagen!“
Die Naturschutzorganisation Bund Berlin kritisiert das Vorhaben Wegners als „Kampfansage gegen den Schutz von Grün- und Freiflächen in der Stadt“. Anstatt auf dem Feld Häuser zu errichten, seien umwelt- und nachbarschaftsverträgliche Bauprojekte auf bereits versiegelten Flächen endlich zügig voranzutreiben, heißt es in einer Mitteilung. Und der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) verweist auf den Wert des Geländes für über 30 zum Teil gefährdete Vogelarten, die in den Randbereichen brüten, zum Beispiel für die 250 Feldlerchenpaare, fast die Hälfte der Berliner Gesamtpopulation.
Die Feldkoordinatorinnen und -koordinatoren, dem THF-Gesetz und der Umsetzung des bestehenden Entwicklungs- und Pflegeplans verpflichtet, sehen den Vorstoß von CDU und SPD ebenfalls mit Sorge. Eine Bebauung führe zu einem unwiederbringlichen Verlust der Artenausstattung und der Kaltluftbildung, die an Hitzetagen für Abkühlung in den umliegenden Quartieren sorgen. Ebenso verloren gehe ein gesundheitsfördernder Ort der Naherholung.
Autor:Ulrike Martin aus Neukölln |
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