Stele für Vater und Sohn
Erinnerung an Sebastian Haffner und Carl Pretzel am Kultur- und Bildungszentrum
Das Kultur- und Bildungszentrum in der Prenzlauer Allee 227/228 heißt Sebastian Haffner. Aber wer war das eigentlich? Und warum wurde dieses Zentrum gerade nach ihm benannt?
Vor allem Jüngeren ist Sebastian Haffner kein Begriff mehr. Ältere erinnern sich indes vielleicht noch an Haffners Fernsehauftritte in Werner Höfers Gesprächssendung „Internationaler Frühschoppen“. Dort war er als britischer Journalist zu Gast. In der Prenzlauer Allee 227/228 ging Haffner zur Schule, die wiederum von seinem Vater geleitet wurde. An Sebastian Haffner und seinen Vater erinnert jetzt eine Stele am Eingang des Kultur- und Bildungszentrums.
Der Mann, der als Sebastian Haffner bekannt wurde, kam 1907 als Raimund Pretzel zur Welt. Sein Vater Carl Louis Albert Pretzel (1864-1935) wurde 1908 Schuldirektor der 105. Volksschule an der Prenzlauer Allee. Die Familie wohnte zwischen 1914 und 1924 auch auf dem Schulgelände im Rektorenhaus. Vater Pretzel war ein erfolgreicher Reformpädagoge. 1919 wurde er ins preußische Kultusministerium geholt und mit der Überarbeitung der Lehrpläne für die Volksschulen beauftragt. 1922 übertrug man ihm als Regierungsdirektor die Leitung der Volksschulabteilung im Berliner Provinzialschulkollegium. 1929 ging er in den Ruhestand. Carl Louis Albert Pretzel wurde auf dem Parkfriedhof Lichterfelde-West beigesetzt. Die Grabstätte gehört heute zu den Ehrengräbern des Landes Berlin.
Raimund Pretzel studierte Jura. Sein Studium beendete er im Jahr der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933. Fünf Jahre später folgte er seiner jüdischen Freundin ins englische Exil und begann dort eine Karriere als Journalist. Als Korrespondent der englischen Zeitung „Observer“ kehrte Haffner 1954 nach Deutschland zurück. Als streitbarer Kommentator der Entwicklung in Deutschland zählte er zu den gefragtesten und zugleich umstrittensten Vertretern des politischen Journalismus. Neben Beiträgen für Hörfunk und Fernsehen schrieb er für unterschiedliche Publikationen, darunter „Welt“, „Stern“ und „Konkret“.
Vor 50 Jahren veröffentlichte Haffner mit etlichen Artikeln außerdem seine streitbaren Thesen zur Bedeutung und Wirkung der Novemberrevolution 1918. Bis heute wird darüber kontrovers diskutiert. Deshalb widmet das Pankower Museum ihm und seinen Thesen derzeit auch eine Sonderausstellung „Der Verrat?! Legenden der Novemberrevolution“ im Kultur- und Bildungszentrum „Sebastian Haffner“.
Haffner verstarb 1999. Auch er ist im Familiengrab in Lichterfelde-West beigesetzt. Bereits vor zwölf Jahren wurde das Kultur- und Bildungszentrum an der Prenzlauer Allee nach ihm benannt. Der jetzt erfolgte Aufbau der Stele geht auf einen Antrag von Bündnis 90/Die Grünen zurück und wurde mit Mitteln der Bezirksverordnetenversammlung finanziert.
Haffners einstige Schule wurde übrigens, was heute kaum noch vorstellbar ist, in den 90er-Jahren wegen Schülermangel geschlossen. Seit gut 20 Jahren haben dort die Bibliothek am Wasserturm, das Pankower Museum und die Zweistelle der Volkshochschule Pankow ihren Sitz.
Autor:Bernd Wähner aus Pankow |
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