Es gibt viele Herausforderungen
Bürgermeister Jörn Oltmann über Pandemie, Ärgernisse, den Wahlsieg und Pläne für 2022

Jörn Oltmann (55) ist gebürtiger Bremer. Er hat Betriebswirtschaft und Sozialökonomie studiert und 20 Jahre lang bei einer immobilienmanagementfirma in Adlershof gearbeitet. | Foto:  Jörn Oltmann/Laurence Chaperon
  • Jörn Oltmann (55) ist gebürtiger Bremer. Er hat Betriebswirtschaft und Sozialökonomie studiert und 20 Jahre lang bei einer immobilienmanagementfirma in Adlershof gearbeitet.
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Zum ersten Mal hat Tempelhof-Schöneberg einen grünen Bürgermeister. Jörn Oltmann, in den vergangenen fünf Jahren Stadtrat für Stadtentwicklung und Bauen, wurde am 17. November gewählt. Berliner-Woche-Reporterin Susanne Schilp sprach mit ihm.

Worüber haben Sie sich im vergangenen Jahr am meisten geärgert?

Jörn Oltmann: Eindeutig über das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das das Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebieten gekippt hat. Das hat große und tiefe Auswirkungen. Es nimmt dem Bezirk sein stärkstes Instrument gegen Immobilienspekulation. Ich verstehe nicht, warum man auf Bundesebene so lange eine mieterfreundlichere Gesetzgebung versäumt hat. Inzwischen zahlen viele Haushalte mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Wohnung. Da geht es für Menschen mit wenig Geld um die Existenz. Ich hoffe, dass die Bundesregierung schnell aktiv wird, das Baugesetzbuch anpasst und die Vorkaufsrechtsausübung zukünftig wieder möglich wird.

Und worüber haben Sie sich gefreut?

Jörn Oltmann: Der Wahlkampf war fair, auch die Bezirksamtswahl verlief reibungslos. Kleine Nickligkeiten wurden hintangestellt. Wir haben nun die besten Voraussetzungen dafür, als Bezirksamtskollegium gut zu kooperieren und uns darauf zu konzentrieren, das Beste für die Bürger zu tun.

Die Grünen sind stärkste Partei geworden, mit hauchdünnem Vorsprung vor der SPD. Damit war klar, dass Sie Bürgermeister werden. Haben Sie damit gerechnet?

Jörn Oltmann: Das war ein unglaublich intensiver und engagierter Wahlkampf, so etwas habe ich noch nicht erlebt. Dafür danke ich meinem Kreisverband. Und: Ja, ich habe uns immer eine realistische Chance gegeben, aber am Schluss war es sehr, sehr aufregend.

Wann haben Sie erfahren, dass Ihre Partei das Rennen gemacht hat?

Jörn Oltmann: Die Wahlparty auf dem Südgelände endete um Mitternacht, da lag die SPD noch vorne. Erst um 2 Uhr führten wir, dann ging es auf und ab. Um 3 Uhr rief mich der stellvertretende Wahlleiter an: Wir hätten 265 Stimmen Vorsprung. Es wurden schließlich noch fünf mehr. Lautstarke Freude war um diese Uhrzeit leider nicht mehr möglich. Immerhin war meine Frau wach und ich konnte sie in den Arm nehmen.

Welches ist 2022 die größte Herausforderung?

Jörn Oltmann: Es gibt nicht die eine Herausforderung, sondern mehrere. Wir wollen trotz knapper Kassen etwas für die Mobilitätswende tun, die Wohnungssituation verbessern, weiterhin gute Bedingungen für das Gewerbe schaffen. Und natürlich ist es ganz wichtig, in Zeiten von Corona die Angebotsstruktur für die Bürger aufrechtzuerhalten.

Und was bedeutet das konkret?

Jörn Oltmann: Sofern es die pandemische Lage zulässt, sollten die Bibliotheken offen bleiben und Veranstaltungen stattfinden. Soziale Begegnungen waren noch nie so wichtig wie zurzeit. Die Einsamkeit ist eine schleichende Krise. Wenn direkter Kontakt unmöglich ist, dann muss es nicht immer eine Videokonferenz sein, sondern auch ein ganz normales Telefonat kann gut tun.

Worauf wollen Sie in den kommenden Jahren Ihren Schwerpunkt legen?

Jörn Oltmann: Unsere Möglichkeit wachsen angesichts der Haushaltslage nicht in den Himmel. Dennoch: Ich will die Personalsituation im Bezirksamt verbessern und ich möchte mit einer neuen politischen Lenkungsrunde die Neue Mitte Tempelhof voranbringen. Ganz elementar: Die soziale Lage von Menschen mit geringem Einkommen muss sich verbessern, ich will noch mehr Angebote für sie schaffen. Schließlich ist mir das „Bündnis gegen Antisemitismus“ sehr wichtig. Das jüdische Leben im Bezirk positiv ins öffentliche Bewusstsein rücken und damit den Hetzern und Rassisten den Wind aus den Segeln nehmen.

Haben Sie einen Lieblingsort im Bezirk?

Jörn Oltmann: Wo soll ich da anfangen? Ich jogge gern im Rudolph-Wilde-Park, sitze am Breslauer Platz neben dem Rathaus Friedenau oder besuche die Alte Mälzerei in Lichtenrade. Auch die Marienfelder Naturschutzstation ist toll und natürlich der Volkspark Lichtenrade. Und ich freue mich sehr auf die Entwicklung der Neuen Mitte Tempelhof. Das wird ein echter Kristallisationspunkt. Die Grünanlagen dort, wie der Bose- und Frankepark, sind ja schon heute sehr beliebt. Unser Bezirk ist vielfältig, ein Abbild von ganz Berlin. Das gilt es zu erhalten und auszubauen.

Ein Abbild von Berlin? Wie meinen Sie das?

Jörn Oltmann: In der Statistik, wie zum Beispiel bei Arbeitslosenzahlen, Haushaltseinkommen oder der Altersstruktur, liegt Tempelhof-Schöneberg relativ häufig nah am Berliner Durchschnitt. Kein Wunder, wir haben hier ja wirklich alles – von dörflichen Strukturen bis zur Hochhaussiedlung, von Altbauvierteln bis zu großen, zusammenhängenden Gewerbegebieten.

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

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