Vom Polizeibeamten zum Schäfer
Jochen Schmidt kümmert sich um die Schafe auf dem Tempelhofer Feld

Jochen Schmidt hat immer mindestens ein waches Auge auf seine Herde. | Foto: Grün Berlin, Konstantin Börner
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  • Jochen Schmidt hat immer mindestens ein waches Auge auf seine Herde.
  • Foto: Grün Berlin, Konstantin Börner
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Das Tempelhofer Feld liefert den Beweis, dass sich Freizeitvergnügen und Tierschutz an einem Ort kombinieren lassen. An den im Frühling und Sommer abgesperrten Bereich, wo die gefährdete Feldlerche brütet, haben sich Besucher längst gewöhnt. Seit vergangenem Jahr ist die eingezäunte Fläche im Südosten außerdem Heimat für knapp 60 Skuddenschafe.

Sie werden von Ende März bis zum Winter zur Beweidung eingesetzt. Das auf vorerst fünf Jahre angesetzte Pilotprojekt der Grün Berlin GmbH in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und der Feldkoordination wird wissenschaftlich begleitet. Analysiert werden unter anderem die Auswirkungen auf das Areal. Dass die Beweidung die biologische Vielfalt fördert und die schonendere Art der Landschaftspflege im Vergleich zu Mähmaschinen darstellt, daran bestehen für Jochen Schmidt keine Zweifel. Der Schäfer ist seit Projektstart zuständig für die aktuell 24 Mutterschafe sowie 34 Lämmer.

Eine Schäferausbildung hat er aber nie absolviert. „Ich bin Quereinsteiger“, sagt er. Früher hat Schmidt als Polizeibeamter in Baden-Württemberg gearbeitet. In Frankfurt und Wien studierte er Philosophie. Dann zog er mit seiner Familie in die Schweiz, um dort einen Alpbetrieb zu übernehmen. Während seine Frau, eine Köchin, sich um das Biorestaurant gekümmert hat, war er für die Rinder und Schafe zuständig. Zwölf Jahre lang hätten sie das gemacht. „Wir haben aber irgendwann festgestellt, dass die Kinder da oben ein bisschen zu einsam werden. Also haben wir gedacht, bieten wir ihnen doch etwas anderes.“

Von der Schweiz nach Berlin

Seine Frau habe dann eine gute Stelle in Berlin bekommen und er sich bei Grün Berlin als Schäfer beworben. Im Sommer 2019 wurde er eingestellt. Das Tempelhofer Feld hat für Jochen Schmidt eine „unglaubliche Ausstrahlung“. Die Arbeit sei, obwohl nun mitten in einer Großstadt statt in den Bergen, im Prinzip gleich. Im Gegensatz zur Schweiz habe er hier jedoch immer direkten Kontakt zu den Menschen. Er sei sehr gut aufgenommen worden. „Es gab viele Bürgergespräche“, erzählt er.

Gern gibt Jochen Schmidt Besuchern auch außerhalb der Informationsveranstaltungen im Spätsommer Auskunft über seine Arbeit. Fragen bekommt er oft zum Winterquartier der Schafe und zur Rasse gestellt. Dann erzählt er von den Besonderheiten der Skudde, einer vom Aussterben bedrohten Nutztierrasse aus Ostpreußen und dem Baltikum, die als langlebig, genügsam und widerstandsfähig gilt. Den Winter verbringen die Tiere in einem Zelt auf den Beweidungsflächen „Arche-Park“ am Kienberg in Marzahn. Transportiert werden sie hinter einer Zugmaschine in einem Doppelstock-Anhänger. „Die Schafe gehen da problemlos rein“, so Schmidt.

„Die Menschen freuen sich einfach“

Kinder interessieren sich vor allem dafür, ob er seinen Schäfchen Namen gibt und ob sie die Tiere streicheln dürfen. Streicheleinheiten versucht der Schäfer allerdings in der Regel zu vermeiden. Die Besucher würden sich daran auch halten. „Alles läuft total korrekt. Es wird auch nie zugefüttert. Die Menschen freuen sich einfach, dass die Schafe da sind.“ Damit die Skudden auch noch beobachtet werden können, wenn das Gras besonders hochgewachsen ist, wurden inzwischen drei Hochsitze aufgebaut. Angst um seine Tiere hat Jochen Schmidt nicht, obwohl mitten auf der Koppel ein Fuchsbau liegt. „Ich kenne unseren Fuchs hier. Füchse greifen eigentlich Tiere nicht an, die in der Nähe ihres Baus sind. Manchmal sehe ich den Fuchs 50 Meter entfernt. Der ist keine Irritation für die Schafe.“

Obwohl ihm die Arbeit auf dem Tempelhofer Feld Spaß macht, wird Jochen Schmidt nur noch bis Ende Mai in Berlin bleiben. „Meine Frau und ich ziehen nach Frankreich. Unsere Tochter lebt in der Provence, macht eine Ausbildung zur Winzerin und wird dort auch bleiben. Wir wollen gerne in ihrer Nähe sein.“ Gern möchte er sich auch in seiner neuen Heimat wieder beruflich um Tiere kümmern. Vorher wird er hier aber noch seinen Nachfolger einarbeiten.

Jochen Schmidt hat immer mindestens ein waches Auge auf seine Herde. | Foto: Grün Berlin, Konstantin Börner
Jochen Schmidt hat immer mindestens ein waches Auge auf seine Herde. | Foto: Grün Berlin, Konstantin Börner
Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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