Stadtführung
An der Weißenseer Spitze: Am 23. Februar geht’s zum Caligariplatz

Bei meinem 169. Berliner-Woche-Spaziergang lade ich Sie an die alte Nordgrenze der Reichshauptstadt ein. Nach der Gründung Groß-Berlins 1920 mit der Gliederung in sechs „alte“ und 14 „neue" Bezirke war hier für 80 Jahre das Drei-Bezirke-Eck Pankow/Prenzlauer Berg/Weißensee.

In der Grünanlage an der Prenzlauer fällt ein verschmitztes Lächeln auf: Ein Bronzekopf Erich Weinerts steht am Rand Prenzlauer Bergs. Der Dichter füllte in der ersten Republik kleine und große Säle mit seinem satirischen Vortrag, seine Lieder sangen Tausende. Prenzlauer Berg hat die lange Straße, auch den kleinen Park seines Namens. Anna Franziska Schwarzbach hat in den 80er-Jahren Weinerts Büste geformt, 1995 den Sockel mit Reliefs ergänzt, auch mit seinem schrägen Gedicht „Der Mutterwitz“.

Schon seit den 1870er-Jahren reichte die Bebauung einstiger Weißenseer Gutsflächen bis zur Straßengabelung nach Prenzlau, Heinersdorf wie Gustav-Adolf-Straße zur Rennbahn. Gedenktafeln an der heutigen „Brotfabrik“ am Caligariplatz erinnern an den durch Bismarcks Sozialistengesetz vertriebenen Gastwirt und die folgende Landbäckerei. 1985 wurde mit Hilfe der Kunsthochschule der Jugendklub „An der Weißenseer Spitze“ ausgebaut. So folgten den einstigen Bäckerei-Frühaufstehern Kulturleute, die, samt der damaligen Aufpasser, lange wach blieben. So wach, dass der Klub – vor 33 Jahren am 6. März eröffnet – schon acht Wochen später aus politischen Gründen „wegen Umbau“ wieder geschlossen wurde. Der Zuspruch aus dem wilden Prenzlauer Berg war so groß gewesen, dass die Staatsmacht einen Schreck bekam. Es dauerte elf Monate, bis er wieder öffnete – nun als „Studentenklub“. Langweiliger wurde es trotzdem nicht.

Ab Mai 1990 ermunterten Bezirk und Ostberliner Magistrat die Macher zu Eigenverantwortung. So begann das dritte Leben der „Spitze“, nun als „Brotfabrik“. Inzwischen gibt es 1300 Veranstaltungen pro Jahr. Betreiber wurde Glashaus e.V. Auch das ein alter Name, der an jene gläsernen Studios erinnert, die Weißensee 1913 bis 1929 zu „Deutschlands größter Stummfilmstadt“ machten. Das „Brotfabrik-Kino“ war 1991 Ostberlins erstes Programmkino. Ein Jahrzehnt später schlug der Glashaus-Verein für die Freifläche vor dem Haus den Namen Caligariplatz vor: 1919 hatte Robert Wiene bei der Weißenseer Decla-Filmgesellschaft den expressionistischen Horrorfilm "Das Cabinet des Dr. Caligari" gedreht.

Der Spaziergang beginnt am Sonnabend, 23. Februar, um 11 Uhr. Treffpunkt ist Prenzlauer Allee/Ecke Ostseestraße, Erich-Weinert-Park. Die Führung ist für Leser der Berliner Woche kostenlos. Allerdings ist eine Anmeldung erforderlich: am Freitag, 22. Februar von 10 bis 12 Uhr anrufen unter der Rufnummer 887 27 74 14.

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

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