Ein Quadratkilometer Weltgeschichte
Künstler-Duo bringt Buch zum Steinplatz heraus
Die Bedeutung des Gebietes vom Ernst-Reuter-Platz bis zum Bahnhof Zoo, mit dem Steinplatz als Zentrum, den Menschen bewusst zu machen, ist der Plan des Bezirks. Der Startschuss fiel im Sommer 2018 mit dem Wettbewerb „Kunst am Bau“, dessen Siegerinnen die Ergebnisse ihres Entwurfs „Steinplatz reloaded“ nun zu einem Buch binden ließen.
133 Jahre existierte der Steinplatz, als der Wettbewerb ausgerufen wurde. „Für uns war sofort klar, dass wir die Geschichte dieses Ortes aufarbeiten“, sagte die Künstlerin Stefka Ammon bei der Präsentation des Buches. Zusammen mit der Architektin Katharina Lottner hat sie also begonnen, mit Institutionen zu telefonieren und in Archiven zu wühlen. „Wir haben uns überlegt, welche der Geschichten zur jeweiligen Zeit ein Denkmal verdient gehabt hätten, haben sie kreiert und 21 davon auf dem Steinplatz installiert. Auf Paletten und sorgsam verpackt, weil wir nicht wussten, welche Kräfte wirken, wenn man quasi ein Zeit-Raum-Kontinuum schafft“, erklärte Ammon augenzwinkernd.
Der Vorwand für die Plastikfolien war also geschaffen, und die Neugierde war geweckt. Die Menschen kamen, versuchten die Figuren zu erkennen und blieben wie gewünscht an den Geschichten hängen, die auf Aufklebern im Archiv-Style geschrieben standen. Die Installation ist längst selber Geschichte, mit dem Buch „Steinplatz reloaded“ bringen Bezirk und Künstler-Duo nun also das Nachschlagewerk dazu auf den Markt.
Viel Spaß habe die Arbeit gemacht, sagt Ammon und berichtete von einigen lustigen, interessanten und dramatischen Ereignissen, die sich auf und um den Steinplatz ereignet haben. „Alain Delon und Romy Schneider sollen sich nach Aussagen von Anwohnern lautstark vor dem Hotel Steinplatz auf Französisch gestritten haben.“ Zu Zeiten, als die Kneipe „Volle Pulle“ der Hotspot der Promi-Szene in Berlin war, zwischen 1950 und 1970. Interessant auch, findet Ammon, dass es bereits 1907 den Versuch gegeben habe, ein Denkmal für Freiherr vom Stein, den Namensgeber des Platzes, zu errichten. Der Entwurf „Pelikan und Elefantenbrunnen“ des Tierplastikers August Gaul sei so lange umstritten gewesen, bis auf einmal kein Geld mehr für ein Denkmal da war, erzählt Ammon. „An den Führungen zur Installation hat damals eine armenische Touristengruppe teilgenommen und sich wahnsinnig darüber gefreut, dass wir auch den 'Mördermord' von 1921 bedacht haben.“
Oliver Schruoffeneger, Leiter der Abteilung Stadtentwicklung und Mitinitiator der Belebung des Steinplatzes, versprach, die Schulen und Bibliotheken des Bezirks mit Exemplaren von „Steinplatz reloaded“ versorgen zu wollen: „Eigentlich findet sich in dem Buch die Weltgeschichte auf einem Quadratkilometer wieder: die Beziehung zwischen der Türkei und Armenien; Täter und Opfer des Faschismus’; ein Polizeipräsident Bernhard Weiß als Widerstandskämpfer, Kunstgeschichte, Wissenschaft und sogar die erste Genderfrage mit den beiden ersten Professorinnen der Künste, Renèe Sintenis und Rebecca Horn. Ein Schatz für Lehrer, weil sie ihren Unterricht mit dem Leben aus der Nachbarschaft ergänzen können.“
Hier sei ein kleines Quartier gut aufbereitet worden, so Schruoffeneger. Ammon ergänzt: „Hinten im Buch haben wir Anwohner zu ihren Erlebnissen mit dem Steinplatz zu Wort kommen lassen.“
„Steinplatz reloaded“ ist für 18 Euro beim Verlag Eeclectic, Lindenstraße 91, 10969 Berlin postalisch oder per E-Mail unter contact@eeclectic.de mit Angabe der ISBN 978-3-947295-40-1 (Buch) oder ISBN 978-3-947295-57-9 (E-Book, Pdf-Format) bestellbar.
Autor:Matthias Vogel aus Charlottenburg |
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