Aus für den Familienbetrieb
Gedächtniskirche beendet Zusammenarbeit mit dem Weltladen

"Zum Sterben geht man nicht ins Krematorium." Renate und Thorsten Neumann haben kein Geld und keine Kraft mehr, sich einen neuen Laden zu suchen.  | Foto: Matthias Vogel
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  • "Zum Sterben geht man nicht ins Krematorium." Renate und Thorsten Neumann haben kein Geld und keine Kraft mehr, sich einen neuen Laden zu suchen.
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Renate Neumann und ihr Sohn Thorsten sind geschockt: Die Betreiber des Weltladens im Erdgeschoss des Glockenturms der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche müssen ihr Geschäft räumen. Aus „heiterem Himmel“, wie sie sagen. Pfarrer Martin Germer sieht es anders.

Seit 45 Jahren führen die Neumanns den Weltladen, seit 42 Jahren am Breitscheidplatz. Fair gehandelte Produkte werden angeboten und mit Partnern aus den Importländern soziale Projekte unterschiedlichster Art durchführt. Nun soll Schluss sein, denn geht es nach der Stiftung Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche als Gebäudeeigentümerin und der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirchengemeinde, soll der achteckige Verkaufsraum zum 17. Februar besenrein übergeben werden.

Die Neumanns wussten nach eigenem Bekunden, übergangsweise in das Foyergebäude der Kirche ausweichen zu müssen, weil Pflasterarbeiten rund um den Glockenturm anstanden. Auch, dass diese Phase bis Ende 2020 dauern würde, weil sich die Sanierung der blauen Glasfassaden von Egon Eiermann im Glockenturm direkt an das Pflastern anschließen würde. Überrascht seien sie vom am 20. Januar eröffneten Termindruck für die Räumung gewesen und von der Mitteilung, die Zeit im Foyer werde kein Übergang sein, sondern den Anfang vom Ende des Weltladens beschreiben. „Wir könnten da jetzt für den Abverkauf rüberziehen. Aber man geht doch auch nicht zum Sterben ins Krematorium“, sagt Thorsten Neumann. Und Mutter Renate ergänzt: „Dort würde uns auch keiner finden, ohne entsprechende und kostspielige Werbung. Das Foyer liegt versteckt und der Raum im Gebäude sehr verwinkelt.“

Pfarrer Martin Germer sagt, er habe die Informationen selbst relativ kurzfristig erhalten, dann aber auch stets umgehend der Dritte-Welt-Laden GmbH weitergeleitet. Die Zusammenarbeit könne nicht über das Jahr 2020 hinausgehen, weil die Kirche an einem neuen Konzept arbeite, um sich den Berlinern und Besuchern aus aller Welt als City-Kirche modern, offen und einladend zu präsentieren. „Wir könnten uns zum Beispiel ein Kirchen-Cafè im Foyer vorstellen. Und auch die Fläche des Weltladens im Erdgeschoss des Glockenturms brauchen wir dafür.“ Germer versteht das Befinden der Neumanns. Doch ihnen müsse auch aufgrund der vielen Gespräche klar gewesen sein, dass in irgendeiner Art und Weise der Zeitpunkt kommt, an dem es nicht mehr weitergeht.

Bei der Suche nach einer alternativen Ladenfläche wolle die Kirche gerne behilflich sein, sofern sich wieder eine Gesprächsbasis finde, so Germer. Im Moment sind die Fronten verhärtet, die Neumanns sind menschlich enttäuscht, sagen sie. Sie würden nicht ins Foyergebäude ziehen und auch generell nicht weitermachen. An einem neuen Ort weiterzumachen, sei finanziell zu riskant. Sie monieren, an den Planungen nicht partizipiert gewesen zu sein. Das Gebaren passe nicht zu einer Kirche, die den fairen Handel mitbegründet hat, über ihre Hilfswerke Geld für Institutionen des fairen Handels bereitstellt, nd auch nicht zu einem Bezirk, der den Titel „Fair Trade Town“ trägt.

Das Tischtuch wirkt zerschnitten, die Betreiber erwägen rechtliche Schritte. „Nach Auffassung unseres Anwaltes besteht ein Mietverhältnis, das Vorgehen ist also nicht rechtens“, sagt Thorsten Neumann. Martin Germer beschreibt das Verhältnis so: „Lange Jahre mussten die Betreiber nichts bezahlen. Seit einiger Zeit leisten sie monatliche Zahlungen, allerdings unaufgefordert. Wie das rechtlich zu bewerten ist, weiß ich nicht.“ Fest steht, dass der Weltladen vielen Menschen aus Berlin und der ganzen Welt fehlen wird. Eine lange Unterschriftenliste im Geschäft der Neumanns zeugt davon.

Autor:

Matthias Vogel aus Charlottenburg

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