Von der Neuen Bahnhofsstraße an die Staatsspitze
Friedrich Eberts Jahre im heutigen Friedrichshain

Friedrich Ebert (1871-1925). | Foto: gemeinfrei aus Wikipedia
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Das ursprüngliche Haus Neue Bahnhofstraße 13 gibt es schon lange nicht mehr. Es wurde bereits 1912 abgerissen. Auf dem Grundstück entstand ein Teil des Verwaltungsgebäudes der Knorr-Bremse.

Bis vor einigen Jahren befand sich dort die Fachhochschule für Wirtschaft und Recht. Danach zogen verschiedene Firmen, Einrichtungen und Dienstleister ein, etwa der Onlineriese Zalando. An den bekanntesten einstigen Bewohner erinnert seit 2013 eine Gedenktafel: Hier lebte von 1905 bis 1911 Friedrich Ebert mit seiner Familie. Der SPD-Politiker war von 1919 bis 1925 erster Reichspräsident der Weimarer Republik und damit erstes demokratisch gewähltes Staatsoberhaupt in der deutschen Geschichte.

Die Parteistiftung der Sozialdemokraten trägt seinen Namen. Aber gerade im linken Milieu sorgt Friedrich Ebert bis heute für unterschiedliche Bewertungen. Sie machen sich vor allem fest an seiner Rolle während der Revolution von 1918/19, also vor 100 Jahren.

Geboren wurde Ebert am 4. Februar 1871 in eine Schusterfamilie in Heidelberg. Er lernte Sattler und ging danach auf Wanderschaft, bei der er in Bremen hängen blieb. Seit seiner Jugendzeit Sozialdemokrat, arbeitete er dort für die Parteipresse, als Funktionär und Mitglied der Bürgerschaft. Wegen seines Organisationstalents bekam er 1905 das Angebot, als Sekretär des SPD-Vorstandes nach Berlin zu kommen. Und damit in die Neue Bahnhofstraße. Die befand sich damals in der Gemeinde Stralau-Rummelsburg. Teil des Bezirks Friedrichshain wurde sie erst 1938. Nach der Bildung von Groß-Berlin 1920 gehörte die Gegend bis zur Niederbarnimstraße zunächst zu Lichtenberg.

Den Linken suspekter "Stehkragen-Proletarier"

Das Areal zwischen Ostkreuz und Warschauer Straße ist großflächig Anfang des 20. Jahrhunderts bebaut worden. Es entstanden oft enge Wohnkomplexe mit mehreren Hinterhöfen. Die Gegend wurde zu einem überwiegenden Arbeiterquartier. Allerdings nicht durchgehend. Es gab mit dem Helenenhof und der Knorrpromenade zwei Gebäudeensembles, deren Bewohnerschaft sich vor allem aus Beamten oder Kaufleuten zusammensetzte. Innerhalb der Arbeiterschaft wären sehr schnell "immer mehr sozial schwächere Kreise" hinzugekommen, so der Kiezhistoriker Wanja Abramowski in einer 2003 erschienen Stadtteilgeschichte über "Boxhagen zwischen Aufruhr und Langeweile". Der Wegzug des SPD-Reichstagsabgeordneten Ebert lasse darauf schließen, "dass sowohl Wohnung, als auch Wohnumfeld nicht mehr den Ansprüchen dieses bedeutensten deutschen ‚Stehkragen-Proletariers‘ entsprachen", so sein süffisanter Kommentar zum Umzug der Familie nach Treptow. Abramowski datiert ihn auf das Jahr 1909. Er fand aber, laut Gedenktafel, wohl erst zwei Jahre später statt.

Der Hauptgrund, warum die Familie die Neue Bahnhofstraße verließ, scheint zunächst ein anderer gewesen zu sein. Nämlich der vorgesehene Abriss wegen der Baupläne der Knorr-Bremse, einem der größten Berliner Industriebetriebe der damaligen Zeit. Abramowskis Anmerkungen weisen aber auf die bis heute anhaltenden Diskussionen um die Person und das Wirken von Friedrich Ebert. Er gehörte innerhalb der SPD zum evolutionären Flügel. Verbesserungen für die Arbeiter sollten durch Reformen erreicht werden.

1913, als Nachfolger von August Bebel, zu einem der beiden Vorsitzenden der Sozialdemokraten gewählt, war Ebert während des Ersten Weltkriegs ein Befürworter der sogenannten "Burgfriedenspolitik", etwa beim Bewilligen von Kriegskrediten durch seine Partei im Reichstag. Was sich innerhalb der SPD immer schwerer durchsetzen ließ. Deshalb kam es 1917 zur Abspaltung der USPD (unabhängige Sozialdemokratische Partei). Aus der ging der Spartacusbund und daraus die Deutsche Kommunistische Partei (KPD) hervor. Schon das macht Ebert bei vielen Linken suspekt. Erst recht sein Agieren bei der Revolution nach Ende des Ersten Weltkriegs. Zunächst zum kurzzeitigen Reichskanzler ernannt, war er nach dem 9. November 1918 Teil des sechsköpfigen "Rats der Volksbeauftragten", bestehend aus drei SPD- und ebenso vielen USPD-Mitgliedern. Dort ging es auch um den künftigen Weg der nunmehr Deutschen Republik. Parlamentarische Demokratie oder Rätesystem?

Ebert entschied sich für Ersteres. Die Ereignisse in Russland nach der Machtübernahme durch Lenin und die Bolschewisten bestärkten ihn darin: kein Umsturz, der in eine Diktatur führen kann, freie Wahlen, Mehrheitsentscheidungen. Er hat dabei auch fragwürdige Wege eingeschlagen. Das gilt vor allem für sein Bündnis mit den alten Mächten, deren reaktionäre Freikorps eingesetzt wurden, um den sogenannten Spartacusaufstand niederzuschlagen. Das habe zur Spaltung der Arbeiterbewegung geführt.

Deutschlands erste Demokratie

Ebert hatte maßgeblichen Anteil daran, dass Deutschland zum ersten Mal eine wirkliche Demokratie wurde, wird ihm nicht nur von der Sozialdemokratie als Verdienst angerechnet. Speziell als Reichspräsident, gewählt 1919 von der Nationalversammlung.

Die Weimarer Republik hatte nur 14 Jahre Bestand. Ihr folgte der Absturz in die NS-Diktatur. Friedrich Ebert hat das nicht mehr erlebt. Er starb im Februar 1925 mit nur 54 Jahren nach einer verschleppten Blinddarmentzündung.

Präsent blieb der Name später auch durch seinen Sohn Friedrich junior (1894-1979). Er besuchte einst die damalige Schule an der Holteistraße (später Max-Kreutziger-Schule, heute ein Wohnhaus) und war ab 1928 Reichstagsabgeordneter der SPD. Nach 1933 zeitweise in Konzentrationslagern gefangen gehalten, wurde "Fritz" Ebert 1945 zunächst Landesvorsitzender der Sozialdemokraten in Brandenburg. Nach der (Zwangs)Vereinigung mit der KPD zur SED auf dem Gebiet der späteren DDR war er für die Staatspartei unter anderem Mitglied des Politbüros, stellvertretender Staatsrat und amtierte von 1948 bis 1967 als Oberbürgermeister von Ost-Berlin. Aufgrund des Wirken des Juniors sind in der DDR einige ursprünglich nach dem Vater benannte Straßen und Plätze nicht aus dem Stadtbild getilgt worden, sondern bezogen sich jetzt auf den Sohn. Nach der Wende erfolgte der Rückgriff auf den eigentlichen Namensgeber.

Die Gedenktafel in der Neuen Bahnhofstraße wurde 2013, anlässlich des 150. Gründungstags der SPD, angebracht. Sie erinnert an einen der wichtigsten Repräsentanten nicht nur ihrer Geschichte und dessen Lebensabschnitt im heutigen Friedrichshain.

Friedrich Ebert (1871-1925). | Foto: gemeinfrei aus Wikipedia
Die Gedenktafel in der Neuen Bahnhofstraße. | Foto: Thomas Frey
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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