Ausstellung "Fassbinder jetzt" eröffnet im Martin-Gropius-Bau

Rainer Werner Fassbinder (rechts) und Kameramann Michael Ballhaus bei den Dreharbeiten zum Film "Warnung vor einer heiligen Nutte", der 1970/71 entstand. Michael Ballhaus machte später auch in Hollywood Karriere. | Foto: Copyright: Deutsches Filminstitut Frankfurt/Main, Peter Gauhe
  • Rainer Werner Fassbinder (rechts) und Kameramann Michael Ballhaus bei den Dreharbeiten zum Film "Warnung vor einer heiligen Nutte", der 1970/71 entstand. Michael Ballhaus machte später auch in Hollywood Karriere.
  • Foto: Copyright: Deutsches Filminstitut Frankfurt/Main, Peter Gauhe
  • hochgeladen von Thomas Frey

Kreuzberg. Er starb mit 37, drehte innerhalb von 16 Jahren 44 Filme und gilt als einer der bahnbrechenden Regisseure zumindest der alten Bundesrepublik.

Die Rede ist von Rainer Werner Fassbinder (1945-1982). Am 31. Mai wäre er 70 Jahre alt geworden. Das Datum ist Anlass für viele Fassbinder-Retrospektiven. In ihrem Zentrum steht eine Ausstellung, die bis zum 6. August im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, zu sehen ist.

"Fassbinder jetzt" heißt der programmatische Titel der Schau. Der Anspruch: Rainer Werner Fassbinder und sein Werk ist bis heute von Bedeutung. In der Ausstellung erschließt sich das nicht sofort. Vielmehr herrscht zunächst der Eindruck einer Reise in die Zeit zwischen den späten 60er- und frühen 80er-Jahren. Dargestellt zum Beispiel an persönlichen Gegenständen: ein überdimensionaler Videorekorder, seine Schreibmaschine, die Lederjacke, ein Bayern-München-Trikot mit Paul Breitners Rückennummer 8 und ein Flipperautomat.

In Vitrinen liegen Briefe, Drehbücher oder Besetzungspläne diverser Filme. Auch Fassbinders Bewerbungsschreiben um Aufnahme an die Berliner Filmhochschule aus dem Jahr 1966 findet sich dort. Er wurde damals abgelehnt.

Beim Wandern entlang der Schaukästen wird aber zumindest eine Art Struktur erkennbar. "Gruppen und Gangsterfilme" heißt die Überschrift zu seiner Anfangsperiode. Aufgehängt unter anderem an seinem ersten bedeutenden Werk "Katzelmacher" aus dem Jahr 1969. Es folgt ab Mitte der 70er-Jahre die "Hinwendung zu Melodramen". Dafür steht etwa die 1974 entstandene Literaturverfilmung "Effi Briest". Dieser Epoche schließt sich in den letzten vier, fünf Jahren bis zum Tod 1982 die Phase "Europäische Produktionen und deutsche Geschichte" an. Gerade diese Filme gehören bis heute zu seinen bekanntesten. "Die Ehe der Maria Braun", "Lilly Marleen" oder "Die Sehnsucht der Veronika Voss".

Sie verweisen auch am meisten auf das "Fassbinder jetzt"-Postulat. Schon die kurzen Ausschnitte in der Schau zeigen eine damals in Deutschland nicht unbedingt durchgängige Ausstattung und Üppigkeit. Unterstrichen wird das noch durch zahlreiche ebenfalls ausgestellte Kostüme.

Dazu kommt die internationale Besetzung in vielen Produktionen. Eddie Constantine oder Mel Ferrer spielen mit. Auch um Romy Schneider und Michael Douglas hat sich Fassbinder bemüht, wie Briefwechsel zeigen. Bereits ein solcher Rahmen sorgte für großes Kino.

Noch mehr gilt das für die Themen der Filme. Fassbinder entwirft in vielen Werken opulente biografische Erzählungen, eingewebt in die Zeitläufe. Häufig mit starken Frauen im Mittelpunkt. In "Die Ehe der Maria Braun" erkämpft sich die Protagonistin, deren Mann im Krieg vermisst wird, ihren Platz in der Nachkriegszeit und dem beginnenden Wirtschaftswunder. "Lilli Marleen" handelt von der Geschichte des gleichnamigen Liedes und seiner Interpretin während der Nazizeit. Das "Dritte Reich" und die Anfänge der Bundesrepublik auf diese Weise auszuleuchten, bleibt Fassbinders Verdienst. Wobei es ihm nicht nur bei diesen Beispielen auf die gesellschaftliche Situation und Konvention ankam. Schon in seinen früheren Phasen bezog sich das auch auf aktuelle Fragen der unmittelbaren Gegenwart. In "Angst essen Seele auf" geht es bereits 1974 um die damals so genannten "Gastarbeiter" und ihre Akzeptanz. Dass die Botschaften oft sehr deklamatorisch transportiert werden, war wiederum ganz im Stil der Zeit.

Rainer Werner Fassbinder galt als Regietyrann. Um sich hatte er eine mehr oder weniger geschlossene "Familie" mit Schauspielern gesammelt, die er nicht nur beruflich eng an sich band. Sein nach außen eher chaotisches und provozierendes Auftreten konterkarierte mit einer strukturierten Arbeitswut. Anschaulich nachzuvollziehen an seinem Mammutepos "Berlin Alexanderplatz", der zwölfteiligen Fernsehverfilmung aus dem Jahr 1980.

"Er dreht Filme, wie andere Leute Zigaretten", schrieb der Spiegel bereits im Jahr 1975 über Rainer Werner Fassbinder. Ein Regierausch, dem sich auch nahezu alles private unterordnete, oder Teil der Inszenierung wurde. Und der befeuert durch Kokain bis zum tödlichen Absturz nicht abebbte. "Kokain" hieß übrigens eines seiner geplanten und nicht mehr realisierten Projekte.

"Fassbinder jetzt" ist die Standortbestimmung eines Filmgenies, das wegweisend war und bis heute Spuren hinterlassen hat. Sie freizulegen ist das Ziel der Schau. Wobei der Blick auf Leben und Werk von Rainer Werner Fassbinder auch deutlich macht, was zeittypisch war. Und was bleibt.

Die Ausstellung ist täglich außer Dienstag von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet neun, ermäßigt 6,50 Euro, für Jugendliche bis 16 Jahre frei.
Thomas Frey / tf
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

50 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 133× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 917× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 587× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.086× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.976× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.