Heinrich- wird zum Rio-Reiser-Platz
Klare Mehrheit für Umbenennung

Familie, Freunde, Wegbegleiter, Fans von Rio Reiser. Dritter von links: Bruder Gert Möbius. | Foto: Thomas Frey
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  • Familie, Freunde, Wegbegleiter, Fans von Rio Reiser. Dritter von links: Bruder Gert Möbius.
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Er war schon vorher Favorit und hat sich bei der Abstimmung dann auch klar durchgesetzt. Der Heinrichplatz verliert seinen bisherigen Namen. Er soll künftig Rio-Reiser-Platz heißen.

Entschieden wurde das bei einer öffentlichen Veranstaltung am 7. November im Aquarium am Kottbusser Tor, bei der "Ein Platz für Rio Reiser" gesucht wurde. 72 Personen hatten sich an dem Votum beteiligt. Mehr als die Hälfte, nämlich 38, entschieden sich für den Heinrichplatz.

Die Umbenennung muss jetzt noch politisch bestätigt werden. Endgültig von der BVV am 27. November. Davon sei aber auszugehen, versprach Werner Heck (Bündnis90/Grüne), Vorsitzender des Kulturausschusses. Bürgerbeteiligung werde ja in Friedrichshain-Kreuzberg sehr ernst genommen. "Kommt es anders, könnt ihr mich steinigen".

Sehr partizipativ war auch das gesamte Verfahren, bei dem nach einer angemessenen Würdigung für den Sänger (1950-1996) und Frontmann der Band Ton Steine Scherben gesucht wurde. Erster Aufschlag, damals vor allem von der Linkspartei, war eine Namensgebung an der Südseite des Mariannenplatzes. Sie wurde bei einer Befragung in SO36 ebenso zur Abstimmung gestellt wie der Heinrichplatz. Auch wer überhaupt kein Rio-Reiser-Gedenken haben wollte, konnte das dort kundtun, was zwölf Prozent der Befragten taten. Ein weiterer Vorschlag: eine Ehrung in Form eines Denkmals oder einer Installation im öffentlichen Raum. Den Denkmal-Vorschlag fanden schon damals 30 Prozent gut. Er spielte auch bei der Veranstaltung eine wichtige Rolle. Sei es in Form einer Stele, Bodenplatten mit Ton-Steine-Scherben-Texten, Klangkörpern, die die erste Note mancher ihrer Songs wiedergeben. Am Ende votierte das Auditorium fast einstimmig dafür, am künftigen Rio-Reiser-Platz auch noch einen dieser visuellen oder audiovisuellen Vorschläge umzusetzen.

Viel Konkurrenz

Der Heinrichplatz stand im Aquarium zunächst nicht nur in Konkurrenz zum Mariannenplatz. Vielmehr kamen weitere Vorschläge, etwa die Grünanlagen rund um das Bethanien zum Rio-Reiser-Park zu machen oder den Uferweg auf der Lohmühleninsel nach ihm zu benennen. Außerdem wurde der Moritzplatz als weitere Alternative ins Spiel gebracht. Dann würde sogar eine U-Bahnstation nach ihm heißen, meinte Winni, von dem der Vorschlag kam. Außerdem würden sich dort die Prinzenstraße, Prinzessinnenstraße und die Prinzessinnengärten befinden. Nicht weit davon entfernt die Ritterstraße. Schon deshalb sei das "der richtige Ort für den König von Deutschland". Trotz dieser witzigen Herleitung hatte auch der Moritzplatz gegen den Heinrichplatz keine Chance. Gert Möbius, Bruder des Sängers, und Kai Sichtermann, Bassist von Ton Steine Scherben, gehörten ebenfalls zu seinen Fürsprechern. Er erinnere sich daran, wie sie dort häufig zusammen gesessen hätten, sagte der Gerd Möbius. Dazu komme, dass die Band in der Oranienstraße gegründet wurde. Ganz SO36 und nicht nur der Mariannenplatz seien Revier und Inspiration für ihre Songs gewesen. Der Heinrichplatz als dessen Zentrum stehe dafür am besten.

Das konnte auch nicht durch eine Anwohnerin entkräftet werden, die behauptete, nicht nur sie, sondern viele weitere Nachbarn wären gegen diese Umbenennung. Andere Bewohner widersprachen. Ohnehin gibt es keine Adresse "Am Heinrichplatz". Was die Umbenennung ebenfalls erleichtert.

Hätte Rio Reiser eine solche Ehrung gewollt?

Eher musste noch Grundsätzliches geklärt werden. Nicht zuletzt die Frage, ob Rio Reiser eine solche Ehrung überhaupt gut gefunden hätte. Erst recht, wenn sie sogar von staatlichen Stellen und sei es vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg forciert wurde Eine abschließende Antwort darauf wird es nicht mehr geben. Menschen aus seinem einstigen Umfeld jedenfalls haben die Gedenkinitiative unterstützt.

Auch das Bezirkspostulat, nach dem eigentlich ausschließlich Frauen durch Um- beziehungsweise Neubenennungen von Straßen oder Plätzen zum Zug kommen sollen, spielte eine Rolle. Ausnahmen seien aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sagte Werner Heck. Es hat sie auch schon bisher gegeben, für Rudi Dutschke und Silvio Meier, dann, wenn sie ins Weltbild der Mehrheit im Bezirksparlament passten. Außerdem gebe es ja gleichzeitig das Anliegen, auch "queere" Menschen zu berücksichtigen, erinnerte Heck. Rio Reiser, bekennend homosexuell, kann also auch in dieser Kategorie durchgehen. Als entscheidend wurde aber sein Beitrag zur nicht nur Kreuzberger Kulturgeschichte herausgestrichen. Kulturstadträtin Clara Herrmann (Bündnis90/Grüne) setzte schon zu Beginn den Ton, als sie formulierte, ohne ihn und die Scherben würde der Ortsteil heute anders aussehen. Erinnernd an die in Liedern abgelieferten Proteste gegen die Kahlschlagsanierung, vor allem mit dem "Rauch-Haus-Song", der Besetzung eines Gebäudes im Bethanien-Komplex. Die Band und ihr Frontmann lieferte den Soundtrack für den bis heute beschworenen Widerstandsgeist.

Angepeilt wird eine Umbenennung bis zum Herbst nächsten Jahres. Denn 2020 wäre Rio Reiser 70 und Ton Steine Scherben 50 Jahre alt geworden. Das ist vielleicht zu schaffen. Länger wird es aber auf jeden Fall mit dem beschlossenen Gedenkzeichen dauern. Dafür muss erst einmal Geld beschafft, außerdem Gremien wie "Kunst im öffentlichen Raum" damit befasst werden. Die Gestalt und das Ergebnis liegen auch nicht mehr in der Hand des Bezirks, erklärte Werner Heck. Und vor allem brauche es Zeit.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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