"Hier ist jeder Busch politisch": Arbeitsgruppe legt Handlungskonzept zum Görlitzer Park vor
Kreuzberg. Ein Parkkoordinator und sogenannte Parkläufer. Umbauten in der Anlage und mehr Angebote, etwa im kulturellen Bereich. Das sind einige Ergebnisse des jetzt vorgelegten Handlungskonzepts Görlitzer Park.
Das 70 Seiten starke Werk ist das Resultat eines einjährigen Diskussionsprozesses, zu dem sich eine AG Görlitzer Park regelmäßig getroffen hatte. Was davon umgesetzt werden kann, muss sich aber erst noch zeigen.
Die Probleme in der Grünanlage sind bekannt. Drogenhandel, Kriminalität, Ärger über Lärm und Müll. Initiativen zur Verbesserung der Situation hat es auch schon einige gegeben. Meist sind sie von bestimmten Gruppen oder dem Bezirk ausgegangen. In der AG, so wird betont, seien dagegen unterschiedliche Akteure beteiligt gewesen. Anwohner ebenso wie Vertreter von Einrichtungen und aus der Verwaltung. Unterfüttert wurden ihre Debatten durch eine Nutzungsanalyse der Ethnologin Dr. Franziska Becker. Daraus entstand zum ersten Mal ein Konzept, das alle Aspekte des Parks berücksichtige, sagt Baustadtrat Hans Panhoff (Bündnis 90/Grüne).
Gespräche mit Nachbarn und Dealern
Franziska Becker hat zwischen Dezember 2015 und März 2016 "Feldforschung" im Park betrieben und Interviews mit nahezu allen Personengruppen geführt – von Nachbarn über Anbieter und Projekte bis zu den Dealern. Dabei wurde sie mit teilweise völlig konträren Ansichten zum Görli konfrontiert. "Hier ist jeder Busch politisch", lautete dann auch die Überschrift ihrer Studie.
Für manche Leute bedeute der Görli noch immer ein Freiraum und eine "widerborstige Enklave, die es um jeden Preis zu verteidigen gilt", heißt es im Handlungskonzept. Im krassen Gegensatz dazu steht die Wahrnehmung vieler Anwohner. Eltern verbieten ihren Kindern in den Park zu gehen. Frauen machen teilweise weite Umwege, um die Anlage nicht durchqueren zu müssen. Familien suchen lieber weiter entfernte Grünflächen auf.
Der Park müsse für alle nutzbar sein, lautet ein Ergebnis. Das bezieht sich ebenso auf Personen, die sich dort nicht sicher fühlen, gilt aber auch für "Männer aus Ländern des afrikanischen Kontinents", womit wohl die Drogenhändler beschrieben werden, oder für Menschen aus Osteuropa, die im Görli campieren. Gerade für diese Gruppen müsse es mehr Unterstützung geben.
Parkläufer unterwegs
Erste Maßnahme ist das Einsetzen eines Parkkoordinators, der zeitnah seine Arbeit aufnehmen soll. Zu seinem Aufgabenfeld gehört vor allem die Kommunikation mit verschiedenen Akteuren, der Verwaltung und den Besuchern. Ebenfalls geplant sind sogenannte Parkläufer. Sie sollen zumindest tagsüber anwesend und ansprechbar sein und damit für ein größeres Sicherheitsgefühl sorgen.
Die Wirkung der Parkläufer kann allerdings allein von ihrem Auftreten und der Fähigkeit zur Vermittlung ausgehen. Gesetzliche Aufgaben oder Sanktionsmöglichkeiten wie das Ordnungsamt und die Polizei haben sie natürlich nicht. Deshalb sollen sie mit beiden in engem Kontakt stehen. Erhofft wird, dass sich durch die Parkläufer die Präsenz der Polizei verringern lässt.
Außerdem werden bauliche Veränderungen vorgeschlagen. Sie reichen vom Wegfall von Barrieren oder einem Ausbau von Querverbindungen bis zu kulturellen und sportlichen Angeboten. Etwa im Bereich des ehemaligen Pamukkale-Brunnens, wo bereits in diesem und vergangenem Jahr einige Konzerte stattgefunden haben. Als eine Art Anker für Sportaktivitäten würde sich das sogenannte Haus 3 anbieten, in dem sich das Jugendzentrum "Kreuzer" befindet. Hier könnte es zum Beispiel eine Skaterrampe oder eine Kletterwand geben. Auch Umbauten am Haus wurden überlegt.
Wie realistisch ist das?
Ob die vielen Ideen und Wünsche verwirklicht werden, hängt vor allem vom Geld ab. "Gesichert" sei die Stelle des Parkkoordinators, sagt Hans Panhoff. Allerdings scheint noch nicht ganz klar, aus welchem Topf er bezahlt werden soll. Denn im aktuellen Haushalt gibt es dafür keinen Posten.
Das gilt erst recht für die Parkläufer, für die rund 300 000 Euro benötigt werden. Bei allen Ausgaben sieht der Stadtrat nicht allein das Grünflächenamt in der Pflicht. Der Kernpunkt des Konzepts sei ja gerade, dass der Görli nicht mehr als Grünfläche, sondern als Sozialraum definiert werde. Das bedeute aber, dass auch andere Abteilungen gefordert seien.
Die vage Finanzierung war ein Grund für kritische Nachfragen. Auch dass das Handlungskonzept eher eine Art "Wunschkonzert" darstelle, wurde teilweise bemängelt. Und es gab auch Zweifel, ob sich dadurch an der Situation im Görlitzer Park etwas verändert. Stadtrat Panhoff stellt solchen Einwänden die breite Kooperation in der AG und die künftige Beteiligung vieler Akteure gegenüber. Sie soll auch in Zukunft durch einen Parkrat sicher gestellt werden. Schon das bedeute mehr Engagement und Verantwortung und sei deshalb bereits ein Fortschritt. tf
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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