Rücktritt als vorläufiger Höhepunkt
Nach Auseinandersetzungen im Jüdischen Museum nimmt Peter Schäfer seinen Hut

Peter Schäfer war fünf Jahre Direktor des Jüdischen Museums. | Foto: Jule Roehr
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  • Peter Schäfer war fünf Jahre Direktor des Jüdischen Museums.
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Professor Peter Schäfer, bisher Direktor des Jüdischen Museums, ist am 14. Juni mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurückgetreten. Damit wolle er weiteren Schaden abwenden, erklärte der 75-Jährige.

Seine Demission bedeutet den vorläufigen Höhepunkt schon länger anhaltender Auseinandersetzungen um das Haus an der Lindenstraße. Sie machten sich zuletzt an einem Tweet fest, den das Museum im Zusammenhang mit der Debatte um die umstrittene BDS-Bewegung absetzte.

Die ruft unter anderem zum Boykott von Waren aus Israel auf. Nicht nur deshalb hatte der Bundestag die Organisation im Mai für antisemitisch erklärt. Das wurde wiederum von 240 jüdischen Wissenschaftlern kritisiert. Nach ihrer Meinung helfe der Beschluss beim Kampf gegen Antisemitismus nicht weiter. Das Jüdische Museum hatte einen Artikel zu dieser Stellungnahme in der "taz" als "lesenswert" empfohlen. So wie der Text formuliert war, konnte er zumindest den Eindruck vermitteln, als werde die Haltung der Wissenschaftler zum Thema BDS geteilt. Das sorgte für breite Empörung. Nicht zuletzt beim Zentralrat der Juden in Deutschland. "Das Maß ist voll", hieß es dort. Das Museum scheine gänzlich außer Kontrolle geraten zu sein.

Solche und ähnliche Aussagen konnten unschwer als Rücktrittsforderung an den Direktor gewertet werden. Peter Schäfer hatte zunächst Fehler beim Abfassen des Textes eingeräumt. Einige Tag später stellte er seinen Posten zur Verfügung. Denn wie das "volle Maß" andeutete, der Tweet brachte das Fass nur zum Überlaufen.

Streit über Ausrichtung des Museums

Bereits in der Vergangenheit hatte es immer wieder Streit um die Arbeit und Ausrichtung des Museums gegeben. Er entzündete sich beispielsweise auf ganz hoher Ebene an der Sonderausstellung "Welcome to Jerusalem". Die Schau, über die auch die Berliner Woche berichtet hatte, stellte die Stadt vor allem als Zentrum der drei Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam dar. Die jüdische Perspektive wäre dadurch zu kurz gekommen, kritisierte der Zentralrat. In die Debatte mischte sich sogar der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ein. Er legte im vergangenen Jahr in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nahe, dass der Bund die Förderung des Museums einstellt. Gerade diese Attacke galt als Versuch politischer Einflussnahme.

Trotz großem Wirbel hatte sie keine direkten Konsequenzen. Zumal die Ausstellung auf großes Interesse gestoßen und insgesamt sehr positiv bewertet worden war. Aber es gab weitere Kritikpunkte, bei denen dem Museum und seinem Chef zumindest ein fragwürdiges Agieren vorgeworfen wurde.

Etwa im vergangenen März, als Peter Schäfer den Kulturattaché der iranischen Botschaft durch das Haus führte. Also einen Vertreter des Regimes in Teheran, zu dessen Agenda die Vernichtung Israels gehört. Dass das "eine Dummheit“ war, räumte der Direktor zwar ein. Aber da war der Schaden, auch wegen entsprechender Propaganda der Iraner, bereits entstanden. Auch der geplante Auftritt eines Referenten, dem von einigen Seiten Nähe zum BDS vorgeworfen wurde, gehörte zumindest in die Kategorie wenig durchdachtes oder sensibles Vorgehen. Beispiele, die in die Frage mündeten, wofür das Jüdische Museum eigentlich steht und was es sein wolle.

Ort für kontroverse Diskussionen

Für Peter Schäfer vor allem ein Ort, in dem offen und auch kontrovers über viele Themen diskutiert werden könne, wie er in den Tagen vor seinem Rücktritt mehrfach betonte. Ohne dass sich dort viele vorgebrachten Meinungen zu eigen gemacht werden. Auch bei den Ausstellungen sollte es keine schönen aber langweilige Angebote geben.

Peter Schäfer war seit 2014 Chef an der Lindenstraße. Er wurde damals Nachfolger des Gründungsdirektors W. Michael Blumenthal. Schäfer ist katholisch, galt aber wegen seiner akademischen Karriere als Professor für Jüdische Geschichte als Experte auf diesem Gebiet. Dass er trotz oder vielleicht wegen dieses Hintergrunds nicht genügend Gespür für die politischen Fallstricke bewiesen habe, war ein Vorwurf, mit dem er sich schon länger konfrontiert sah. Er ist auch nicht der Erste, bei dem am Ende eine Marginalie zum Abgang führte.

Die Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) habe in ihrer Funktion als Vorsitzende des Stiftungsrats den Rücktritt angenommen, hieß es in der Pressemitteilung des Museums. Grütters hatte zunächst ebenfalls ihr "Befremden" über den Tweet geäußert, aber auch auf die erfolgreiche Arbeit verwiesen. Sie respektiere die Entscheidung und danke Professor Schäfer für seine Arbeit, erklärte die Staatsministerin. Gleichzeitig sei sie zuversichtlich, dass das Team die von ihm angestoßenen Projekte zu einem guten Abschluss bringen werde. Die Leitung übernimmt ab sofort der Geschäftsführende Direktor Martin Michaelis.

Zu den erwähnten Projekten gehört vor allem die neue Dauerausstellung und der Bau eines Kindermuseums. Beides sollte Peter Schäfer eigentlich noch bis zu Abschluss begleiten, weshalb sein Vertrag vor kurzem um ein Jahr bis zum 30. September 2020 verlängert worden war. Jetzt muss die Suche nach einem Nachfolger schneller gehen. Und "alle Verantwortlichen müssen dazu beitragen, dass sich das Jüdische Museum wieder auf seine inhaltlich wichtige Arbeit konzentrieren kann", so Monika Grütters.

Peter Schäfer war fünf Jahre Direktor des Jüdischen Museums. | Foto: Jule Roehr
Der kommissarische Direktor Martin Michaelis. | Foto: Yves Sucksdorff
Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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