Kinder haben Vorfahrt
An einem Nachmittag in der Woche wird die Böckhstraße zur Spielstraße
Toll sei das, fand Inbal (9). Und natürlich werde sie jetzt regelmäßig herkommen. Schon, weil der Besuch auch auf dem Programm ihres Schülerladens steht.
Inbal war nicht die einzige, die am 7. August auf der Böckh-straße begeistert war. Denn dort wurde an diesem Tag die Premiere von Berlins erster Spielstraße gefeiert.
Auf dem Abschnitt zwischen Grimm- und Graefestraße wird die Fahrbahn jetzt jeden Mittwoch zwischen 14 und 18 Uhr zum großen Spielplatz. Das gilt in diesem Jahr noch bis Ende September. 2020 soll es dann am 1. April weitergehen. Wieder bis zum Herbst.
Schon seit Jahren versuchen Anwohner in verschiedenen Bezirken eine solche temporäre Zweckentfremdung auf einer Straße durchzusetzen. Nachhaltig geklappt hat das aber zum ersten Mal auf der Böckhstraße. Und das aus mehreren Gründen. Zunächst gab es eine engagierte Initiative, die mit einem Einwohnerantrag für dieses Anliegen vorstellig wurde. Hilfreich war dabei, dass es anscheinend von Anfang an auf eine breite Zustimmung in der Nachbarschaft gestoßen war. Ganz wichtig war gleichzeitig, dass die Idee beim Bezirk auf offene Ohren stieß, nicht nur in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), sondern auch bei der Verwaltung.
Ball spielen, malen, Rad fahren - alles auf der Straße
Umgesetzt wurde die Spielstraße analog der Genehmigungspraxis für Veranstaltungen wie etwa einen Wochenmarkt, erklärte Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes. Auch dafür werden ja Fahrbahnabschnitte regelmäßig gesperrt. Mit der Spielstraße gehe zeitweise ein Stück öffentlicher Raum, der bisher vor allem für den Verkehr reserviert war, an die Allgemeinheit zurück. Konkret an die im Kindesalter.
Die nutze dann am ersten Tag gleich in großer Zahl das Angebot. Und es war auch fast alles möglich. Es konnte Ball gespielt werden, wenngleich, so zumindest die Vorgabe, nur mit solchen Spielgeräten, die nicht so fest sind, dass dadurch eine Scheibe zu Bruch gehen kann. Es wurden Hindernisse aufgestellt und darum herum gelaufen oder geturnt. Andere übten an Hula-Hoop-Reifen, Springseil oder kurvten mit Drei- oder anderen Rädern über das Pflaster. Sehr beliebt war das Malen auf der Fahrbahn. Auch Berlins Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther (Bündnis90/Grüne), die ebenfalls zur Eröffnung gekommen war, hinterließ einige Motive.
Damit diese und andere Freizeitvergnügen ungestört stattfinden können, wird die Straße während der Spielzeiten weitestgehend autofrei bleiben. Die Durchfahrt verhindern mobile Sperren. Außerdem stehen dort Mitglieder der Initiative, erkennbar an ihren gelben Westen. Die Initiative ist auch insgesamt für die Aufsicht verantwortlich. Das und noch mehr wurde in einem Vertrag festgelegt.
Polizei und Feuerwehr können passieren
Weitestgehend autofrei bezieht sich darauf, dass Rettungswagen oder die Polizei natürlich passieren können. Desweiteren leben in diesem Straßenabschnitt zwei Menschen mit Behinderungen, denen gestattet ist, auch am Mittwochnachmittag mit ihren Autos ein- und auszufahren.
Trotz der großen Zustimmung wird die Spielstraße wahrscheinlich nicht allen gefallen, etwa Menschen, die deshalb länger nach einem Parkplatz suchen müssen. Welche Auswirkungen die temporäre Sperre auf den Verkehr im Graefekiez hat, soll evaluiert und daraus eventuelle Konsequenzen gezogen werden, kündigt Felix Weisbrich ebenfalls an. Aber selbst wenn das nötig sei, sieht er nicht, dass das Projekt insgesamt in Frage gestellt wird.
Autor:Thomas Frey aus Friedrichshain |
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