„Einfach mal klingeln und fragen“
Der Leiter der Oskar Freiwilligenagentur über ehrenamtliche Hilfe in der Corona-Krise
Ende März hat das Bezirksamt Lichtenberg eine Hotline eingerichtet, um die nachbarschaftliche Hilfe in der Corona-Krise besser zu vernetzen. Wichtiger Partner ist dabei die Oskar Freiwilligenagentur. Berliner-Woche-Reporterin Berit Müller sprach mit dem Leiter der Lichtenberger Anlaufstelle für ehrenamtliches Engagement, Peter Wagenknecht.
Wie funktioniert der bezirkliche Telefondienst?
An der Hotline kümmern sich Mitarbeiter des Bezirksamtes und der Stadtteilkoordinatoren um Anliegen, die mit der Corona-Krise zu tun haben. Dabei geht es nicht um medizinische Fragen, aber das Leben hat sich ja sehr verändert. Einrichtungen sind geschlossen, Menschen müssen zu Hause bleiben, die sozialen Kontakte sind reduziert. Am Telefon gibt es wichtige Informationen, und es wird Unterstützung vermittelt. Die Oskar Freiwilligenagentur ist dabei, wenn Hilfe angeboten wird.
Was genau macht die Agentur?
Bei uns haben sich inzwischen über 300 Menschen gemeldet, die anderen helfen möchten. Sie übernehmen kleine Erledigungen, bringen beim Einkauf gleich etwas mit, gehen mit dem Hund raus oder telefonieren einfach mal länger mit jemandem, der sonst keinen zum Reden hat. Wir vermitteln die hilfsbereiten Menschen anderen, die gern Hilfe hätten. Das passiert vielerorts sowieso schon in der Nachbarschaft. Aber es gibt auch Hausaufgänge, in denen keine jüngeren Leute wohnen, die nach den älteren schauen können. Dann wohnt vielleicht jemand eine Straße weiter, und der lässt sich über Oskar finden. Wir bringen also Helfende und Hilfe-Suchende so zusammen, dass die Wege kurz sind. Wir lassen uns Adressen geben, überprüfen sie und sind ansprechbar, falls es ein Problem gibt. Außerdem achten wir darauf, dass eine freiwillige Person möglichst auch nur einer anderen hilft, damit kein Massenbetrieb entsteht.
Unerwartete Schwerpunkte
Wer meldet sich unter der Hotline mit der Bitte um Hilfe? Was brauchen die Menschen in dieser Zeit besonders?
Zum einen geht es um Fragen zu den Ämtern. An wen wende ich mich mit meinem Bedarf, wie erreiche ich jene Abteilung, wie fülle diesen Antrag aus? Andere brauchen praktische Unterstützung. Wer nach einer Reise in Quarantäne ist oder gerade aus dem Krankenhaus entlassen wurde, kann nicht selbst einkaufen gehen. Wer ein erhöhtes Risiko für eine schwere Erkrankung hat, freut sich auch, wenn Besorgungen übernommen werden. Ich hatte allerdings erwartet, dass mehr Menschen jemanden zum Reden suchen. Und ich dachte, dass viele Leute sich jemanden wünschen, der ihnen mal in aller Ruhe die digitale Technik erklärt. Ist doch praktisch in dieser Zeit, wenn man auch Video-Telefonieren kann! Aber vielleicht kommt ja beides noch.
Welches sind denn die Dienste, die am meisten angeboten werden?
Das sind tatsächlich Einkauf und Besorgungen, was mich nicht erstaunt. Es gibt auch Menschen, die Community-Masken nähen wollen, also einen Mundschutz aus Stoff. Das ist schön, dazu braucht man nicht einmal vor die Tür. Für andere Angebote gibt es bereits spezialisierte Plattformen, wie corona-school.de zur Lernunterstützung oder Silbernetz für ältere Menschen.
Haben Sie eigentlich Unterschiede zwischen Lichtenberg und Hohenschönhausen festgestellt, für beide gibt es ja eine eigene Telefonnummer?
Der Bedarf ist ungefähr gleich verteilt, mehr Hilfsangebote kommen aus Lichtenberg.
Also ist das Angebot generell größer, als die Nachfrage? Woran liegt das?
Das weiß ich nicht, aber ich freue mich darüber! Ist doch ein gutes Gefühl für uns alle zu wissen, dass wir Unterstützung bekommen können. Und ich finde es überhaupt nicht schlimm, sie im Bedarfsfall anzunehmen. Es kommen auch wieder Zeiten, in denen man selbst anderen etwas Gutes tun kann.
Bezirk mit vielen Engagierten
Sie leiten seit Juli 2016 die Oscar Freiwilligenagentur in Lichtenberg und arbeiten seit vielen Jahren im Bereich des ehrenamtlichen Engagements. Überrascht Sie die große Solidarität dennoch?
Nein, die überrascht mich wirklich nicht. Ich habe Lichtenberg von Anfang an als einen Bezirk erlebt, in dem sich viele Menschen freiwillig engagieren. Unsere Agentur bietet dafür viele Möglichkeiten. Und natürlich gibt es noch viel mehr, in den Stadtteilzentren und Begegnungsstätten, in Kiez-Initiativen, in Migranten-Organisationen. Ich kann gar nicht alles aufzählen.
Was macht Ihnen aktuell besondere Sorgen?
Das sind die Menschen, die kaum technische Möglichkeiten haben, also zum Beispiel keinen Internet-Anschluss. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir alle auch auf diese Nachbarn achten. Einfach mal klingeln und fragen, wie es so geht. Bei Bedarf kann man ja die Hotline-Nummer weitergeben, aber manchmal reicht ein Gespräch über den Flur von Wohnungstür zu Wohnungstür.
Wer sich als Helfer registrieren lassen möchte, kontaktiert die Freiwilligenagentur unter https://oskar.berlin/corona-freiwillig-helfen-lichtenberg. Die bezirkliche Hotline für nachbarschaftliche Hilfe lautet 902 96 22 33 für Hohenschönhausen, für Lichtenberg: 902 96 22 44
Autor:Berit Müller aus Lichtenberg |
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