Bürgermeisterin Dagmar Pohle verabschiedet sich bald in den Ruhestand
„Scheinbar kluge Ratschläge wird es von mir nicht geben“

Bürgermeisterin Dagmar Pohle (Die Linke) verabschiedet sich am 15. Oktober in den wohlverdienten Ruhestand. Das Gemälde mit der Marzahner Bockwindmühle von Antje Püpke (2010) im Hintergrund nimmt sie aus dem Büro mit. Sie hat es gekauft, weil es ihr so gut gefiel. | Foto: Philipp Hartmann
  • Bürgermeisterin Dagmar Pohle (Die Linke) verabschiedet sich am 15. Oktober in den wohlverdienten Ruhestand. Das Gemälde mit der Marzahner Bockwindmühle von Antje Püpke (2010) im Hintergrund nimmt sie aus dem Büro mit. Sie hat es gekauft, weil es ihr so gut gefiel.
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Der 15. Oktober wird der letzte Arbeitstag von Bürgermeisterin Dagmar Pohle (Die Linke) sein. An diesem Freitag wird sie ihr Büro im zweiten Stock des Rathauses mit Blick auf den Alice-Salomon-Platz räumen und sich von ihren Kollegen im Bezirksamt verabschieden.

Nach dem Wahltag am 26. September moderiert die 67-Jährige, die seit 1978 in Marzahn lebt, nur noch den Übergang in die neue Legislaturperiode. Angesprochen auf ihr Ende in der aktiven Politik sagt sie: „Es ist weder Wehmut noch Erleichterung, sondern ich blicke schon auf ein sehr erfülltes Berufsleben zurück.“

Ihre politische Karriere begann 1975 mit dem Eintritt in die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED). In den 90er-Jahren war sie Abgeordnete für die PDS. Lange Zeit arbeitete sie parallel als Arzthelferin. 2002 stieg sie als Stadträtin für Wirtschaft, Soziales und Gesundheit im Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf wieder hauptberuflich in die Politik ein und war von 2006 bis 2011 erstmals Bürgermeisterin.

Als sie 2016 erneut als Bürgermeisterin kandidierte, wollte sie die Haushaltskonsolidierung abschließen. Und mit dem vergangenen Doppelhaushalt sei es gut gelungen, neuen finanziellen Spielraum für den Bezirk zu gewinnen. Weil sie im Laufe ihrer zweiten Amtszeit die gesetzliche Altersgrenze von 65 Jahren erreichte, benötigte sie im September 2018 die Zustimmung der Mehrheit der Bezirksverordnetenversammlung für eine Verlängerung über das Renteneintrittsalter hinaus. Das habe sie als Aufforderung gesehen, „auch wirklich bis zum Ende durchzuhalten“. Nun sei aber „wirklich Zeit zu gehen“.

Die Wende 1989 war für sie ein einschneidendes Erlebnis. Jeder habe damals seinen Platz neu suchen müssen. Viele aus der SED hätten einfach Tschüss gesagt, sie aber habe politische Verantwortung übernehmen wollen. „Worauf ich auch ein Stück weit stolz war: Ich habe mich mit meiner Biografie nicht versteckt, sondern bin in dem Wahlkreis gewählt worden, wo ich auch vor der Wende gewohnt habe.“ Vier Legislaturperioden durchzuziehen, hätte sie damals nicht für möglich gehalten. Es sei ihr jedoch ein Herzensbedürfnis gewesen, dem Bezirk nicht nur beim Wachsen zuzusehen, sondern diese Veränderungen auch zu gestalten.

Wenn Sie zurückblicken auf Ihre Zeit im Bezirksamt: Auf welches Projekt sind Sie besonders stolz, auch weil Sie selbst einen großen Anteil daran hatten?

Dagmar Pohle: Meine Schwerpunkte lagen immer in der Gesundheits- und Sozialpolitik, auch ein Stück weit in der Haushaltspolitik. Was mich wirklich stolz macht, weil das über lange Jahre auch Gegenstand meiner unmittelbaren Arbeit war, ist die Entwicklung der Nachbarschafts- und Gemeinwesenarbeit im Bezirk. Die Ausstattung aller Stadtteile mit Stadtteilzentren und auch einer gesicherten Finanzierung, die es möglich gemacht hat und nach wie vor möglich macht, dass es solche Anlaufpunkte in jedem Stadtteil für die Nachbarschaft gibt. Und damit also auch Räumlichkeiten und Mitarbeitende, die in sehr vielfältiger Weise diese Nachbarschafts- und Gemeinwesenarbeit gestalten. Das Zweite, was für mich über die Jahre auch ganz wichtig war und woran ich schon gearbeitet habe, als ich noch im Abgeordnetenhaus war, ist der Standort des Krankenhauses Kaulsdorf. Es ist uns gelungen, den schon von Schließung bedrohten Standort nicht nur zu erhalten, sondern zu erreichen, dass er sich auch baulich und inhaltlich entwickeln konnte, wie er jetzt ist. Wir werden im August auch noch das Pflegeheim dort eröffnen und damit einerseits etwas für die Pflege, andererseits auch für die psychiatrische Versorgung tun. Das freut mich.

Was war für Sie die größte politische Enttäuschung?

Dagmar Pohle: Die Erfahrung, dass das eigene politische Verständnis für Kommunalpolitik, die eigentlich im Konsens zwischen den demokratischen Parteien entwickelt werden sollte, nicht durchgängig umsetzbar ist. Und dass man insbesondere in Wahlkampfzeiten vielfach von Menschen, mit denen man vorher gut zusammengearbeitet hat, verlassen wird. Ich finde das durchaus enttäuschend und auch schade, dass es nicht gelingt, dort, wo es um die ureigenen Lebensinteressen von Menschen geht, eine gute Zusammenarbeit in allen Zeiten über die Parteigrenzen hinweg zu sichern.

Was haben Sie in Ihrer aktiven Zeit als Bürgermeisterin nicht mehr umsetzen können?

Dagmar Pohle: Die Sanierung des Rathauses Marzahn. Dass das noch nicht umgesetzt ist, darüber bin ich traurig. Total glücklich bin ich darüber, dass es uns gelungen ist, in dieser Legislaturperiode das Geld dafür aufzutreiben. Die Gesetzgebung und Regularien aber, bis man am Ende wirklich zum Bauen kommt, sind so unendlich aufwendig und bürokratisch, dass man echt die Nerven verlieren könnte. Es dauert einfach viel zu lange.

Seit März 2020 ist unser aller Leben stark verändert. Wie sehr hat die Corona-Pandemie Planungen, die Sie in Ihrer letzten Legislaturperiode voranbringen wollten, ausgebremst?

Dagmar Pohle: Die Arbeit ist natürlich total umgestaltet worden. Den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger an wirkliche Bürgerbeteiligung vor Ort, die sicherlich auch durch die aktuelle Entwicklung des Baugeschehens sehr gewachsen und auch völlig berechtigt sind, konnten wir in dieser Legislaturperiode unter den Pandemiebedingungen nur bedingt Folge leisten. Das war außerordentlich schwierig. Was für mich auch absolut belastend war: dass man faktisch seine Tage mehrheitlich in Video- und Telefonkonferenzen verbracht hat. Vieles war sicherlich möglich, auch so zu bearbeiten. Ich weiß aber einfach, dass direkte Kontakte – ob nun auf den Arbeitsebenen, der politischen Ebene oder mit den Bürgerinnen und Bürgern – ganz wichtig sind, um auch zum Einvernehmen und zur Lösung zu kommen. Das hat diese anderthalb Jahre ein Stück weit gefehlt.

Was werden Sie vermissen, wenn Sie an Ihrem letzten Arbeitstag das Büro verlassen?

Dagmar Pohle:
Ich glaube, ich werde diese Kontakte mit den Bürgerinnen und Bürgern, aber auch ganz bestimmt mein Team vermissen, was ich über die Jahre hatte und mit dem ich gut zusammengearbeitet habe. Was ich wahrscheinlich nicht vermissen werde, sind das frühe Aufstehen und das lange Arbeiten. (lacht)

Wofür werden Sie sich im Ruhestand mehr Zeit nehmen und worauf freuen Sie sich besonders?

Dagmar Pohle: Ich hoffe, dass es mir und meinem Mann gelingt, noch lange halbwegs gesund zu bleiben, um all das zu machen, wofür wir bisher keine Zeit hatten, beispielsweise viel zu reisen. Ich habe ganz viele Bücher, die gelesen werden wollen. Außerdem werde ich mich sicher viel mehr um meinen Verein (Kulturverein im Land Brandenburg), dessen Vorsitzende ich bin, kümmern können. Und dann würde ich gerne noch Gasthörerin sein im Public-Health-Studiengang an der Alice-Salomon-Hochschule. Also es gibt ganz viel, was ich machen will.

Werden Sie sich in Zukunft noch zum politischen Geschehen im Bezirk äußern oder ist das für Sie im Ruhestand komplett abgehakt?

Dagmar Pohle: Abgehakt ist es insofern nicht, als dass ich natürlich ein politischer Mensch bleibe und mich sicherlich auch weiter politisch in irgendeiner Form betätigen werde. Was ich aber nicht machen werde: scheinbar kluge Ratschläge an meine Nachfolgerin oder meinen Nachfolger zu geben. Da werde ich mich total zurückhalten, weil ich das nicht angemessen finde.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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