„Singen ist gesund und macht glücklich“
Nach Corona-Einschränkungen starten die Chöre wieder voll durch

Gerhard Schwab hat Saxophon studiert, war Berufsmusiker bei der Berliner Modern-Cross-Funk-Band „Gom Jabbar“. Seit 2018 ist er Chef des Chorverbandes Berlin, der größten Amateurmusikorganisation der Hauptstadt. | Foto:  Dirk Jericho
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  • Gerhard Schwab hat Saxophon studiert, war Berufsmusiker bei der Berliner Modern-Cross-Funk-Band „Gom Jabbar“. Seit 2018 ist er Chef des Chorverbandes Berlin, der größten Amateurmusikorganisation der Hauptstadt.
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Der Chorverband Berlin mit etwa 290 Ensembles und ungefähr 11 000 Sängerinnen und Sängern ist Berlins größte Amateurmusikorganisation. Im Interview mit Berliner-Woche-Reporter Dirk Jericho spricht Geschäftsführer Gerhard Schwab über die schwierige Zeit der Pandemie, die Kraft der Amateurchorszene und die Zukunft der wichtigen Singbewegung.

Nach zwei Jahren Pandemie, Proben- und Auftrittsverboten – ist Ihnen da das Singen vergangen?

Gerhard Schwab: Ganz im Gegenteil, wir alle haben richtig Lust und freuen uns auf die vielen Auftritte und Veranstaltungen in den kommenden Wochen wie die Fête de la Musique am 21. Juni hier in unserem neuen Deutschen Chorzentrum in der Karl-Marx-Straße 145 oder im Heimathafen direkt nebenan. Singen ist wichtig und macht gute Laune. Die Chorleiter haben in der Pandemie eine unglaublich gute Arbeit geleistet. In Berlin als einzigem Bundesland wurde sogar ein regelrechtes Singverbot erlassen. Singen war auf einmal gefährlich; es gab Meldungen wie „Singen tötet“. Dagegen haben wir angekämpft, denn das Singen ist nicht das Gefährliche, sondern die Aerosole. Wir haben mit der Charité und dem Senat perfekte Hygienekonzepte entwickelt. Proben fanden nur noch im Digitalen über Videokonferenzen statt.

Im Chor singen, jeder allein zu Hause. Sicher nicht jedermanns Sache. Wie viele Chöre haben aufgegeben?

Gerhard Schwab: Wir konnten fast alle Chöre halten. Die Chorleiter wurden geschult in den digitalen Alternativen und haben ihre Gruppen zusammengehalten. Für Kinder und Senioren war das natürlich besonders schwierig, Chorproben vor dem Rechner zu machen. In den Chören sind deshalb auch Leute ausgestiegen, weil sie mit der digitalen Arbeit nicht zurechtkamen oder auch Angst vor dem Virus bei zukünftigen Gesangsproben hatten. Wir haben leider viele Sängerinnen und Sänger vorübergehend verloren, etwa zehn Prozent aller Mitglieder. Wir werden aus diesem Grunde eine Kampagne starten, so eine Art Rückholaktion.

Mit Kampagne meinen Sie das Jahr der Chöre?

Gerhard Schwab: Ja, das wird bundesweit vom Deutschen Chorverband organisiert als Zeichen, dass es wieder losgeht. Wir starten voll durch. Viele Berliner Chöre sind beim Deutschen Chorfest in Leipzig dabei. Dann gibt es den Berliner Chortreff und unser eigenes Dabei-Festival unter freiem Himmel am 1. und 2. Juli auf dem Flughafen Tempelhof. Da werden wir auch das Publikum singen lassen. Denn singen ist und bleibt gesund und macht glücklich. Das Singen war nie das Problem.

Fühlen Sie sich als Chorverband genügend von der Politik unterstützt?

Gerhard Schwab: Es gab heftige Einschläge bei den Chören, da brauchen wir Hilfe. Vor allem Räume, wo die Chöre proben können. Die Probenräume sind teurer geworden und es gibt auch viel weniger durch Corona. Chorproben in öffentlichen Gebäuden müssen kostenfrei sein. Gemeinsam mit dem Landesmusikrat kämpfen wir um ein Kulturfördergesetz, damit Chöre wie auch Sportvereine kostenfrei Räume nutzen können. Das Chorwesen muss gleichgestellt werden mit dem Sport, denn wir leisten ebenso eine wichtige gesellschaftliche Arbeit. Die Amateurmusikszene braucht kostenfreie Proben- und bezahlbare Konzerträume. Wir sind das musikalische Berlin und machen ein kulturelles Angebot so bunt wie die Stadt. An jeder Ecke kann man Musik hören, wie zum Beispiel bei den Sonntagsmatineen im Körnerpark, und nicht nur in der Philharmonie.

Haben Sie eigentlich Angst vor einer möglichen neuen Herbstwelle mit erneuten Einschränkungen?

Gerhard Schwab: Nein, wir sind da ganz optimistisch. Die Chöre sind gut aufgestellt, wir haben alle viel gelernt in den vergangenen beiden Jahren, sind digitaler geworden und haben größere Netzwerke. Die Pandemie hat uns stärker gemacht und gezeigt, welchen Zusammenhalt die Menschen in den Chören haben und wie sie sich gegenseitig in schwierigen Zeiten unterstützen. Wir werden weiter singen und unsere Stimme lauter denn je erheben. Singen darf nie wieder verboten werden! Wer singen will, soll zu uns kommen.

Autor:

Dirk Jericho aus Mitte

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