Knolle statt Knöllchen
Aktion auf der Karl-Marx-Straße gegen Falschparker auf dem Fahrradweg

Heinrich Stößenreuther und Wasilis von Rauch setzen Zeichen beim Auftakt der Aktionswoche. | Foto: Schilp
4Bilder
  • Heinrich Stößenreuther und Wasilis von Rauch setzen Zeichen beim Auftakt der Aktionswoche.
  • Foto: Schilp
  • hochgeladen von Ulrike Lückermann

Sie haben Pop-up-Radwege angelegt, Autos mit Sprühsahne verziert, Fake-Knöllchen verteilt und gelbe Luftballons an Seitenspiegel gehängt: Eine Woche lang waren Aktivisten auf Berlins Straßen unterwegs, um auf Falschparker hinzuweisen. Den Auftakt machten sie am 20. Mai an der Karl-Marx-Straße.

8.30 Uhr, Ecke Uthmannstraße. Ausnahmsweise steht kein Auto auf dem neuen, markierten Radstreifen. Das verwundert nicht, denn Polizei und Ordnungsamt sind vor Ort. Dass es allzu oft anders zugeht, beweist Anlieger Artur Albrecht. Er zeigt ein Foto vom vergangenen Sonnabendnachmittag: Auf der Höhe Heimathafen reiht sich auf dem Radweg ein parkender Pkw an den anderen. Situationen wie diese haben die Initiative Clevere Städte und den Verkehrsclub VCD bewegt, zu der Aktionswoche aufzurufen. „Radfahrer müssen Zweite-Reihe-Parker gefährlich umfahren oder auf Fußwege ausweichen. Falschparker an Straßenecken zwingen Fußgänger, zwischen den Autos und damit erst spät erkennbar auf die Fahrbahn zu laufen“, umreißt Heinrich Stößenreuther, Geschäftsführer der Initiative Clevere Städte, das Problem.

Also haben er und seine Mitstreiter viele „Gelbe Karten” hinter Scheibenwischer geklemmt, um Autofahrer zur Rücksicht und fairem Verhalten aufzufordern. Außerdem haben sie mit rot-weißen Pylonen „Pop-up-Gassen“ angelegt, die um widerrechtlich abgestellte Autos herumführen. In der Kreuzberger Oranienstraße haben Radfahrer „zurückgeparkt“ und ihre Gefährte in zweiter Reihe auf die Fahrbahn gestellt – mit der autofahrertypischen Ausrede, sie müssten nur mal ganz kurz …“. Andernorts wurde auf Heckklappen, Dächern und Schnauzen von Pkws mit Sprühkreide oder Sahne der Verlauf des zugestellten Fahrradwegs markiert.

Aber nicht nur der einzelne Autofahrer ist gefragt, sondern auch der Gesetzgeber. Wasilis von Rauch, Bundesvorsitzender des VCD, hält die geltenden Bußgelder für lächerlich niedrig. Fünfzehn Euro sind für das Autoabstellen an Fußgängerüberwegen zu zahlen, 20 bis 35 Euro für Falschparken in zweiter Reihe. Im Vergleich: In Dänemark werden mindestens 70 Euro, in Holland 90 Euro und in Spanien sogar bis zu 200 Euro fällig. „Wenn ich zweimal einen Hunderter auf den Tisch gelegt habe, dann überlege ich es mir gut, ob ich das noch mal mache“, sagt von Rauch. „Wir brauchen keine Knöllchen, sondern Knollen“, ergänzt Stößenreuther.

Weitere Forderung: Das Ordnungsamt sollte vorrangig auf vielbefahrenen Straßen unterwegs sein und Falschparker aufspüren, die andere gefährden. Mehr Ladezonen seien nötig, die korrekte Nutzung müsse kontrolliert werden. Außerdem sei es wünschenswert, mehr Lieferverkehr auf Lastenräder zu verlagern.

Wasilis von Rauch weiß viele Menschen auf seiner Seite. „Es ist eine einmalige Geschichte, wie viele Initiativen in den letzten Jahren entstanden ist sind, gleichzeitig sehen wir, wie zäh Politik ist. Die gesetzlichen Grundlagen sind völlig veraltet, sie geben den Kommunen wenig Spielraum“, sagt er. Wolle eine Gemeinde oder eine Stadt beispielsweise ein Fahrradwegenetz errichten, müsse sie zig Einzelnachweise über die Gefährlichkeit dieser und jener Kreuzung erbringen. „Und eine Fahrradstraße wird nur dann genehmigt, wenn dort schon viele Zweiräder unterwegs sind, dabei will ich sie doch vielleicht bewusst hierherleiten.“

Heinrich Stößenreuther ist mit der Situation auf der Karl-Marx-Straße unzufrieden. „Radwege auf die Straße zu pinseln, ist zwar besser als gar nichts, aber sie bringen eindeutig keine große Sicherheit“, sagt er. In Berlin werde immer noch mit alten Standards geplant, obwohl das Abgeordnetenhaus das neue Mobilitätsgesetz voraussichtlich Ende Juni verabschiedet. Das sieht unter anderem den Ausbau eines Radwegeschnellnetzes und „Protected Bike Lanes“ vor, also Radwege, die durch Poller vom Straßenverkehr abgegrenzt sind.

Die waren aber an der südlichen Karl-Marx-Straße nie geplant, im Gespräch sind sie lediglich auf dem Teilstück zwischen Weichsel- und Hermannplatz. „Wir haben uns damals in Absprache mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club auf die markierten Radstreifen geeinigt“, so Bürgermeister Martin Hikel (SPD). Heinrich Stößenreuther wünscht sich dagegen weniger Bürokratie und mehr Pragmatismus. Er weist auf eine Stelle an der Karl-Marx-Straße: „Hier ist ein Radstreifen, daneben Fahrradbügel und keine Autoparkplätze. Warum stellt man hier nicht ein paar Poller auf? Das wäre eine schnelle Sache und wir hätten zumindest ein paar Meter sicheren Radweg.“

Autor:

Susanne Schilp aus Neukölln

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

25 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 174× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 129× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 185× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.519× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.