Applaus für Rixdorfer Kissen und Tempo 20
Neues Verkehrskonzept für Richardkiez stößt bei Anwohnern auf Zustimmung
Die Gemüter der Anwohner des Richardkiezes waren zu Beginn der Informationsveranstaltung zum neuen Verkehrskonzept erhitzt. Es hat sich Frust aufgestaut.
Seit Jahren versuchen Initiativen, beim Bezirk umfassende Maßnahmen zu erwirken, um der problematischen Verkehrslage beizukommen. Die wichtigsten Forderungen: eine strenge Durchsetzung der Verkehrsberuhigung und mehr Sicherheit für Fußgänger und Fahrradfahrer.
Umzusetzen ist das alles nicht leicht, denn der Kiez liegt zwischen den wichtigen Verkehrsadern Sonnenallee und Karl-Marx-Straße. Viele Autofahrer nutzen das Gebiet für Abkürzungen, erst recht, seit die Karl-Marx-Straße wegen einer Dauerbaustelle gesperrt ist. Besonders der Richardplatz, der Böhmische Platz, die Donau-, die Saale und die Braunschweiger Straße sind vom hohen Verkehrsaufkommen belastet. Daran haben auch 1,8 Millionen Euro, die der Bezirk in den vergangenen zehn Jahren in die Verkehrsberuhigung investiert hat, wenig geändert. Fahrbahnverengungen, Gehwegvorstreckungen und das berühmte Geschwindigkeitshemmnis Rixdorfer Kissen zeigen bisher nicht genug Wirkung.
Es brauchte also eine ganzheitliche Lösung, die alle Verkehrsströme im Kiez berücksichtigt. Die hat das Bezirksamt Ende 2017 mit einem neuen Verkehrskonzept in Auftrag gegeben. Grundlage sollten die von Anwohnern benannten Problemstellen sein. Dazu kamen die Daten einer quantitativen Verkehrsuntersuchung. Die Ergebnisse und das darauf basierende Verkehrskonzept wurden am 2. Juli im Gemeindesaal der Evangelischen Brüdergemeinde präsentiert und öffentlich zur Diskussion gestellt.
Noch während Paul-Martin Richter von der Planergemeinschaft für Stadt und Raum eG die Ergebnisse zusammenfasste, gab es vehemente Zwischenfragen. Eine Durschnittsgeschwindigkeit von um die 30 Kilometer pro Stunde? Kann nicht sein, waren sich die Anwohner einig. Zu viele Raser nutzten am Wochenende die Straßen für ihr Kräftemessen. Richter lenkte ein. Die Verkehrsspitzen seien wie üblich herausgerechnet worden. Darüber gab es Empörung.
Ein weiteres Ergebnis: Im Vergleich zu früheren Erhebungen 2003 und 2014 habe die Frequenz des motorisierten Verkehrs sich an den meisten Messstellen kaum verändert. Nur auf der Braunschweiger Straße habe es eine deutliche Erhöhung gegeben. Die Anwohner monierten, dass könne wohl nicht als Erfolg gesehen werden, denn schon 2003 sei die Lage problematisch gewesen.
Für die Unzufriedenheit zeigten die Experten Verständnis, zunehmend ging die Diskussion so in einen konstruktiven Dialog über. Die geplanten Maßnahmen, um den Verkehr im Kiez zu beruhigen, fanden schließlich sogar viel Zustimmung. Etwa, dass die belastete Braunschweiger Straße nur noch vom Kiez aus kommend befahrbar sein soll. Für Radler bleibt sie frei, diese bekommen sogar einen besser befahrbaren Straßenbelag. Eine ähnliche Reglung, allerdings ohne neues Pflaster, ist für den Karl-Marx-Platz vorgesehen. Die Einfahrverbote zielen direkt auf den Durchgangsverkehr ab.
Am Böhmischen Platz sind an allen einmündenden Straßen Poller geplant, sodass dieser nur noch für Radfahrer frei befahrbar ist. Der Aufenthalt auf dem Platz soll auf diese Weise angenehmer und das Risiko für Verkehrskonflikte mit Fußgängern verringert werden. Dies quittierten die Anwohner mit Applaus und ebenso, dass in Aussicht gestellt wurde, besonders vor Schulen Falschparker verstärkt abschleppen zu lassen.
Damit die Schüler der Richardschule sich sicherer bewegen können, soll dort noch ein Rixdorfer Kissen installiert werden, eine Erhöhung des Bodens, die Autofahrer zur langsamen Durchfahrt zwingt. Ebenfalls auf Beifall stieß die Einführung einer durchgehenden Tempo-20-Zone in Rixdorf. Zur Sicherung dieser Regel kann sich Bürgermeister Martin Hikel (SPD) in Zukunft sogar Blitzer vorstellen.
"Noch besser als Verkehrslenkung ist in der wachsenden Stadt natürlich Verkehrsvermeidung. Aber das ist auch eine persönliche Sache, jeder muss sein Verhalten ändern. Und wir arbeiten an guten Rahmenbedingungen, das zu tun", sagte Stadtentwicklungsstadtrat Jochen Biedermann (Bündnis90/Grüne) zu den Plänen.
Autor:Josephine Macfoy aus Schöneberg |
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