Stadtspaziergang
Hofgeschichten aus der Königstadt

Heute ist die Königstadtbrauerei ein Gewerbehof, der von einer Genossenschaft verwaltet wird. | Foto: Bernd S. Meyer
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  • Heute ist die Königstadtbrauerei ein Gewerbehof, der von einer Genossenschaft verwaltet wird.
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Zu meinem 204. monatlichen Spaziergang lade ich Sie zur Saarbrücker ein. Dort sitzt die Gewerbe-Immobilien-Genossenschaft in der Alten Königstadtbrauerei auf einem Gelände, das schon lange Vorteile aus der Hanglage zieht.

Auf Befehl von Friedrich II. kamen jene acht königlichen Windmühlen vor das Prenzlauer Tor, denen Prenzlauer Berg seinen Namen verdankt. Seit den 1840ern trieb man in Hangschrägen des Barnim, in Sand, Lehm, Mergel große Backsteingewölbe. So an der Ecke Schönhauser für Wagner’s Bairisch Bierbrauerei, später für viel größere Keller der Königstadt Aktienbrauerei.

Die Nachbarn hießen Pfefferberg, Bötzow, Schultheiß, dazu mehrere Dutzend weitere. Wussten Sie, dass Berlin mit Lagerbier bayrischer oder böhmischer Art europäische Biermetropole wurde – auch ohne Felsenkeller? Die Königstadt-Brauerei AG, Mitte der 1870er-Jahre auf Platz zwei der Berliner Aktienbrauereien, gab im Nachkriegsjahr 1921 die Braurechte an Kindl ab. Die AG vermietete nun die Immobilie, vor allem an Kfz-Betriebe. Es entstanden Hoch- und Kellergaragen, zuletzt Luftschutzkeller.

Foto: Bernd S. Meyer

1945 wurde das heutige Gewerbehofareal Fahrzeughof der Roten Armee. 1951 ging das Grundstück in DDR-Verwaltung, der Stadtfuhrpark des Magistrats von Gross-Berlin zog ein. Eine wechselvolle Geschichte!

Zeitschriften wie Troll oder Bummi wurden dort gedruckt, wo dann das Archiv des Staatssicherheitsministeriums einzog. Die kleineren Betriebe blieben: mehrere Handwerks-Produktionsgenossenschaften, ein Institut für Kulturbauten. In den Kellern wuchsen später sogar Champignons.

Foto: Bernd S. Meyer

Nach 1990 war wieder alles offen, doch die lukrative Immobilie blieb kommunal. Ansässige Handwerker, Neu-Firmen, Künstler wie Medienunternehmen, Frauen und Männer, alle mit wackeligen Kurzzeit-Mietverträgen, überlegten, wie der Standort zu sichern wäre. 1995 eine gute Idee: die Gründung einer rechtsfähigen Gewerbehof-Genossenschaft. Als der Senat vor 20 Jahren die drei Höfe meistbietend verkaufen wollte, schafften die „Ansässigen“ mit Hartnäckigkeit, kluger Taktik, einer freundlichen Bank und maßgeblichen Fürsprechern, das Areal im September 2003 zu übernehmen, trotz zweistelliger Millionensumme.

Eines der Mitglieder ist Klaus Lemmnitz, studierter Diplom-Volkswirt. Mit seinen Erfahrungen als Mitarbeiter des VEB Kombinat Automatisierungsanlagen übernahm er den Geschäftsführerposten. Nun galt es, die Gewerbehöfe zu bespielen – etwa nach dem Prinzip „Jeder macht seins – Zusammen sind wir stark“. Heute ist Lemmnitz Ehrenvorsitzender.

Foto: Bernd S. Meyer

Die Erfolge des „Kulturwirtschaftshofs“ setzen sich bis heute mit Christoph Andres, geschäftsführender Vorstand, und Frank Windel, stellvertretender Vorstand, fort, stets unterstützt von den Hausmeister-Profis. Die Zahl der Firmen erhöhte sich seit 2003 von 35 auf heute rund 50, die Zahl der Arbeitsplätze stieg von einst 90 auf über 400.

Vor 15 Jahren – bei Stadtgänger Meyers damals beiläufig gefilmten Hofgesprächen – war dies eine Umgebung, die noch ein wenig morbiden Charme verströmte, aber schon vom Keller bis zum Dach von kreativen Leuten besetzt war. So wie der nun historische Druckerei-Name: Bunter Hund! Damalige Zufallsbegegnungen: ein Autorestaurateur mit goldenen Händen, der an der Marke Adler einen Narren gefressen hat. Spielplatzbauer, die auf das Krumm- und Hartholz der Robinie schwören und vom bekannten Zeichner Manfred Bofinger erfolgreich zum Figurenschnitzen angeregt wurden. Henryk Schwerdtner ist einer der besten Tischlermeister Berlins. Oben die Miet-Ateliers des Vereins Werketage, unten die Entwickler, Betreiber von Berlins populärster E-Fahrradrikscha, heute Bike-Taxi. Ansässige Architekten wie Roland Heppert (1940-2014), der Stralsunds Meeresmuseum gestaltete, zuletzt auch das Ozeaneum mit dem Pinguin-Ausguck auf dem Dach. Maßgeblich: Klinkenberg-Architekten – ein Büro, das strenge Denkmalsauflagen einhielt, Bauten, Höfe und Keller erneuerte.

Foto: Bernd S. Meyer

Das Brauerei-Buch gibt die volle Historie aus 170 Jahren. Kulturkantine, früher Dachgeschoss, bekam einen ebenerdigen Neubau. Dazu der neue Viergeschosser zur Straßburger. Gerade fährt das „Schiff der Wissenschaften“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit einer interaktiven Ausstellung zur Künstlichen Intelligenz durch Berlin, das schon in 30 Städten anlegte. Ausgestattet hat es 2019 eine der Hoffirmen „Archimedes“. Kürzlich gewann „Archimedes“ den Wettbewerb des Guangdong Science Centers um die neue Basic Science Galerie dieses weltgrößten Wissenschaftsmuseums. 2021 haben die Ausstellungsprofis im Deutschen Dom am Gendarmenmarkt zwei Etagen der Ausstellung zur Parlamentsgeschichte neu gestaltet. Einfach mal hingehen …

In den alten Braukellern wurden immer wieder spannende Krimis gedreht. Mehrere Filmfirmen haben auf dem Gelände ihren Sitz genommen. Kleinere und größere, auch die von Wim Wenders, der in Cannes eine Goldene Palme und auch den Goldenen Ehrenbären der Berlinale bekam. Auch das hiesige Kino in der Königstadt soll wieder anlaufen!

Der Spaziergang beginnt am Sonnabend, 17. Dezember, um 11 Uhr. Treffpunkt ist das Senefelder-Denkmal am U-Bahnhof Senefelderplatz, Ausgang Saarbrücker Straße. Die Tour wiederhole ich an gleicher Stelle am Donnerstag, 29. Dezember, um 14 Uhr. Der Treffpunkt bleibt derselbe, die Teilnahme kostet sieben Euro. Anmeldung dafür unter Tel. 442 32 31. Weitere Informationen auf www.stadtgaenge.de.

Die Führung ist für Leser der Berliner Woche und des Spandauer Volksblatts kostenlos. Allerdings ist eine Anmeldung erforderlich: Am Montag, 12. Dezember, in der Zeit von 10 bis 12 Uhr anrufen unter Tel. 887 27 73 02.

Autor:

Bernd S. Meyer aus Mitte

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