Eine Gedenktafel erinnert jetzt an den SPD-Politiker Fritz Erler

Fritz Erler bei einer Rede in den 60er-Jahren. | Foto: SPD
2Bilder
  • Fritz Erler bei einer Rede in den 60er-Jahren.
  • Foto: SPD
  • hochgeladen von Bernd Wähner

Prenzlauer Berg. Mit einer Gedenktafel wird der Bezirk am Haus Chodowieckistraße 17 an ein Urgestein der Bonner Republik erinnern: an Fritz Erler.

Was nur wenige wissen: Der Mann, der in den 60er-Jahren an der Spitze der SPD-Fraktion im Bonner Bundestag stand, war ein Arbeiterjunge aus Prenzlauer Berg. Ihn in seinem Geburtsort zu würdigen, hat sich Dr. Heiko Holste vorgenommen. „Als ich nach Prenzlauer Berg zog, freute ich mich, dass hier so viele Straßennamen an Widerstandskämpfer erinnern“, sagt der Historiker und Autor. Aber er stellte fest, dass Widerstandskämpfer, die später in der Bundesrepublik eine Rolle spielten, von dieser Ehrung im Ostteil der Stadt ausgeschlossen waren. „Dazu zählt auch Fritz Erler. Obwohl er ein echter Prenzlauer Berger Junge war, findet sich hier nichts über ihn.“ Das wollte Holste ändern. Dazu wandte er sich an die Gedenktafelkommission des Bezirks. Weil es kaum Informationen dazu gab, recherchierte er das Leben von Fritz Erler in Prenzlauer Berg und in der Zeit des Zweiten Weltkriegs – und stieß auf Erstaunliches.

Der spätere SPD-Fraktionschef kam 1913 in der Zelterstraße 8 zur Welt. Als er drei Jahre alt war, zog er mit seinen Eltern in die Chodowieckistraße 17 im Winsviertel um. „In diesem Haus wohnte er 20 Jahre lang. Fritz Erler war ein ausgezeichneter Schüler“, erklärt Holste. „Er wollte studieren. Aber seine Eltern hatten kein Geld dafür. So begann er eine Ausbildung im damaligen Bezirksamt Prenzlauer Berg. Er wurde Steuerbeamter.“

Seine Arbeit machte er offenbar sehr gut. Nach der Machtübernahme der Nazis durfte er trotz sozialdemokratischer Gesinnung weiter im Bezirksamt bleiben. „Aber sein Auftreten als normaler, staatstreuer Bürger war nur äußere Fassade“, weiß Holste. Er war einer der führenden Köpfe der Widerstandsgruppe „Neu Beginnen“. Aufgrund seiner guten Auslandskontakte und seiner hervorragenden Sprachkenntnisse unternahm er viele Reisen. Diese nutzte er, um als Auslandskurier für die Gruppe tätig zu sein.

Im November 1938 kam ihm die Gestapo auf die Spur. Der Volksgerichtshof verurteilte ihn zu zehn Jahren Zuchthaus. Er erlebte eine harte Zeit als einer der Moorsoldaten. Auf einem Todesmarsch im April 1945 gelang ihm die Flucht. Er versteckte sich in Biberach in Württemberg. Dort erlebte er die Befreiung durch die Alliierten. Die dort stationierten französischen Truppen wurden auf sein Sprachtalent aufmerksam. Sie stellten ihn am 2. Mai 1945 als Dolmetscher ein. Knapp drei Wochen später ernannten sie ihn zum Landrat von Biberach.

Schon bald wurde er Landtagsabgeordneter und 1949 Abgeordneter des Bundestags. Seit 1964 war er SPD-Fraktionsvorsitzender und als solcher Oppositionsführer im Bundestag. Viel zu früh verstarb er 1967. „Wenn Fritz Erler nicht so früh gestorben wäre, hätte er es vielleicht noch zum Kanzlerkandidaten oder zumindest zum Minister gebracht“, sagt Bürgermeister Matthias Köhne (SPD) anlässlich der Präsentation der Gedenktafel.

Der Verwalter des Hauses habe laut Köhne das Anbringen der Gedenktafel zunächst abgelehnt, weil sie nicht seinen Vorstellungen entsprach. Hausbewohner stellten zur Einweihung indes klar, dass sie sich für deren Anbringung einsetzen wollen. „Solch eine Tafel soll ja zum Nachdenken und Diskutieren anregen. Ich denke, dass wir eine Lösung finden werden“, sagt der Bürgermeister. BW

Fritz Erler bei einer Rede in den 60er-Jahren. | Foto: SPD
Bürgermeister Matthias Köhne, der Vorsitzende der Pankower Gedenktafelkommission Torsten Kühne (CDU), Tafel-Initiator Heiko Holste und der Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup präsentierten die Gedenktafel vor dem Haus an der Chodowieckistraße 17. Foto: BW | Foto: Bernd Wähner
Autor:

Bernd Wähner aus Pankow

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

89 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

BauenAnzeige
2024 war Richtfest für die Grundschule in der Elsenstraße. | Foto: SenBJF
7 Bilder

Berliner Schulbauoffensive 2016-2024
Erfolgsgeschichte für unsere Stadt

Die Berliner Schulbauoffensive ist nach wie vor eines der zentralen Projekte unserer Stadt. Mit aktuell mehr als 44.000 neu entstandenen Schulplätzen setzt die Offensive ihre Ziele erfolgreich um. So wurden von 2016 bis 2023 bereits 5 Milliarden Euro in moderne Bildung investiert. Auch in den kommenden Jahren wird das derzeit größte Investitionsvorhaben für Schulen fortgesetzt. Die Offensive geht weiter und führt zu einer dauerhaft verbesserten schulischen Umgebung für unsere Schülerinnen und...

  • Charlottenburg
  • 13.12.24
  • 150× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 180.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom baut Netz aus
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Ab Dezember starten die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Borsigwalde, Friedenau, Frohnau, Hakenfelde, Lichtenrade, Lübars, Mariendorf, Neu-Tempelhof, Reinickendorf, Schöneberg, Spandau, Tegel, Waidmannslust, Wilhelmstadt und Wittenau. Damit können weitere rund 180.000 Haushalte und Unternehmen in Berlin einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2030 plant...

  • Borsigwalde
  • 11.12.24
  • 929× gelesen
WirtschaftAnzeige
Einstiegstüren machen Baden und Duschen komfortabler. | Foto: AdobeStock

GleichWerk GmbH
Seniorengerechte Bäder und Duschen

Seit März vergangenen Jahres ist die Firma GleichWerk GmbH in Kremmen der richtige Partner an Ihrer Seite, wenn es um den Innenausbau Ihres Hauses oder Ihrer Wohnung geht. Darüber hinaus bietet das Unternehmen auch seine Dienste für Hausverwaltungen an. Geschäftsführender Inhaber des Fachbetriebs ist Dennis Garte, der nach jahrelanger Berufserfahrung den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, wobei er über ein großes Netzwerk an Kooperationspartnern sowie angesehenen Handwerksfirmen verfügt....

  • Umland Nord
  • 04.12.24
  • 595× gelesen
WirtschaftAnzeige
Für weitere rund 84.000 Haushalte in Berlin baut die Telekom Glasfaserleitungen aus. | Foto: Telekom

Telekom vernetzt
Glasfaser-Internet hier im Bezirk

Aktuell laufen die Arbeiten zum Ausbau des hochmodernen Glasfaser-Netzes in Berlin auf Hochtouren. Neue Arbeiten starten nun auch in Alt-Hohenschönhausen, Fennpfuhl, Friedrichsfelde, Friedrichshain, Karlshorst, Kreuzberg, Lichtenberg und Rummelsburg. Damit können nun rund 84.000 Haushalte und Unternehmen einen direkten Glasfaser-Anschluss bis in die Wohn- oder Geschäftsräume erhalten. Die Verlegung der Anschlüsse wird im Auftrag der Telekom durchgeführt. Bis 2023 plant die Telekom insgesamt...

  • Alt-Hohenschönhausen
  • 11.12.24
  • 1.092× gelesen
KulturAnzeige
Blick in die Ausstellung über den Palast der Republik. | Foto: David von Becker
2 Bilder

Geschichte zum Anfassen
Die Ausstellung "Hin und weg" im Humboldt Forum

Im Humboldt Forum wird seit Mai die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ gezeigt. Auf rund 1.300 Quadratmetern erwacht die Geschichte des berühmten Palastes der Republik zum Leben – von seiner Errichtung in den 1970er-Jahren bis zu seinem Abriss 2008. Objekte aus dem Palast, wie Fragmente der Skulptur „Gläserne Blume“, das Gemälde „Die Rote Fahne“ von Willi Sitte, Zeichnungen und Fotos erzählen von der damaligen Zeit. Zahlreiche Audio- und Videointerviews geben...

  • Mitte
  • 08.11.24
  • 1.981× gelesen
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.