Endstation Straße- und es werden immer mehr

Jedem begegnen sie tagtäglich in der Stadt: In der U-Bahn. Unter Brücken. Vor Supermärkten. Im Bankvorraum beim Geld abheben: Obdachlose. Bettler. Lästig. Vorwurfsvoll? Weil es uns Arbeitenden besser geht ? Jahrelang hat mich das genervt, hab ich weggeschaut. Schon wieder so einer, der eine endlose Litanei loslässt, um eine motz oder einen Straßenfeger zu verkaufen- oft von einer U-Bahnstation bis zur nächsten. Herrgott noch mal- können die sich nicht kürzer fassen? Müssen die überhaupt betteln? Es gibt ja wohl schließlich auch Hartz 4 für Obdachlose! Und warum stinken manche so, dass ich fast kotzen muss? Warum werden es eigentlich immer mehr „Penner“?
Irgendwann hab ich mich mal hingesetzt und das Ganze recherchiert.

Garantierte staatliche Hilfen für alle Obdachlose? Fehlanzeige

Okay. Hartz-4-Tagessätze stehen ihnen rein theoretisch zu. Hilfe von den Kommunen, um Wohnraum zu finden, auch. Verdammt, was ist das Problem?
Die mangelnden Hilfen seitens der Politik sind das Problem. Die oftmals vorhandenen psychischen Probleme der Betroffenen sind das Problem und meist die Schicksale. Flucht aus dem Kinderheim. Oder aus asozialen Familienverhältnissen. Oder Frau weg, Kinder weg. Oder Partner gestorben. Dadurch Absturz mit Alkohol oder anderen Drogen. Was folgt? Jobverlust. Dann Wohnungsverlust. Die Spirale geht nur noch abwärts und selten führt ein Weg da wieder raus. Scham, Hilfen anzunehmen oder Nichtwissen, welche Hilfen zustehen. Psychisch bedingte Unfähigkeit, Hilfen anzunehmen. Alkoholisierte, Drogenabhängige, Stinkende, die von den Amtsmitarbeitern rausgeschmissen werden und deshalb keine Sozialleistungen bekommen. Die harten Lebensumstände auf der Straße sind das Problem. Und zu wenig sozialer Wohnraum und zu wenig staatliche Hilfen.


Ohne karitative Organisationen und private Spender ginge gar nichts

Ich lande bei meiner Recherche schnell bei der Berliner Bahnhofsmission am Zoo und dem angeschlossenem Hygienecenter, für das der Leiter der Bahnhofsmission, Dieter Puhl, 7 Jahre lang hart gekämpft hat und das auch Dank der Deutschen Bahn so entstanden ist. Charismatischer Typ. Kämpfer für die Obdachlosen seit Jahrzehnten. Empathisch und vor allem pragmatisch. Und mehr als engagiert. Dafür hat er ein Bundesverdienstkreuz bekommen- zu Recht.

Hinschauen und umdenken

Bei mir hat ein Umdenkprozess stattgefunden. Ich hab eigentlich immer gedacht, ich engagiere mich mal ehrenamtlich, wenn ich in Rente bin. Aber nee- zwei Stunden pro Woche kann ich ja wohl auch als Berufstätige mit Kind hinkriegen, oder?
Ja! Zwei Wochen später hatte ich eine ganz liebe Antwort von Shiva Baberowski, die für die Ehrenämtler der Bahnhofsmission am Zoo zuständig ist. Tolle Frau!

Jetzt bin ich ganz frisch dabei: Bereite z.B. mit sehr netten anderen Ehrenamtlichen zusammen das Abendbrot vor und mach alle Aufgaben, die eben so anfallen.
Vor ein paar Wochen hab ich das erste Mal Türdienst gemacht. Also, Gästen, sprich, den Obdachlosen, Wasser austeilen, Spenden von wirklich tollen Menschen annehmen, in der Bahnhofsmission herumführen und vieles mehr. Aber es passiert dann eben auch, dass ein Gast- wir dachten, er hat einen epileptischen Anfall und haben natürlich den Notarzt gerufen-- vor unserer Tür krampft. Tatsächlich hatte er seinen Pegel noch nicht erreicht und sein alkoholkranker Körper hatte ihm das auf diese Art mitgeteilt. Nur als Beispiel. Vor der Tür geht’s auch mal rauer zu. Stört mich aber nicht. Egal, ob Aggressionen, Beleidigungen oder Notarzteinsätze. Den Türdienst hab ich mir ja bewusst ausgesucht. Beim zweiten Mal war alles friedlich. Mein Kollege und ich haben mit den Gästen vor der Tür geplauscht, gelacht, aber auch erfahren, wo sie „wohnen“: Manche eben direkt auf der Straße, manche im Zelt im Park. Zwei von ihnen sind erst 17 Jahre alt. Das schockiert.

Meine Mutter hat mich gefragt, ob mich das alles nicht zu sehr belastet? Mütter eben. Die meinen es immer gut. Nein, liebe Mama, mir tut das richtig gut, dass ich endlich mal was wirklich Sinnvolles mache.

Engagement für Obdachlose macht Spaß!

Da waren doch neulich bei den Spendern echt zwei junge Mädel darunter, die vom Treffen ihrer politischen Jugendorganisation belegte Brötchen vorbeigebracht haben. Klasse! Einmal die Ladies rumgeführt und gefragt, ob sie sich es vorstellen können, ehrenamtlich mitzuhelfen. Sie waren beide sehr interessiert und wollen gern mit ihrer ganzen Truppe mal einen Servicetag bei uns verbringen und das Mittagessen ausgeben. Das können übrigens auch alle anderen Betriebe oder Institutionen gern machen. Zu mehreren macht`s noch mehr Spaß!

In diesem Sinne: Gerade Menschen auf der Straße gebührt äußerster Respekt für das, was sie Tag und Nacht durchmachen. Schaut hin. Habt ein nettes Wort oder einen freundlichen Blick. Vielleicht eine kleine Spende. Aber bitte vor allem Höflichkeit und Menschlichkeit. Und verurteilt sie nicht dafür, dass sie das Leben auf der Straße oftmals nur mit Alkohol oder Drogen ertragen können. Danke!

Kontakt Berliner Bahnhofsmission am Zoo:
Jebensstr.5
10623 Berlin
Tel: 030- 31 80 88
www.berliner-stadtmission.de

Autor:

Antje Gebauer aus Schöneberg

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