Im Cura-Projekt betreuen Ehrenamtliche wie Eva Henkel geflüchtete Minderjährige
Schöneberg. Das Thema bewegt die Gemüter nicht mehr so sehr. Aber die aus Krisengebieten Geflüchteten sind nach wie vor da. Sie brauchen Hilfe, insbesondere Minderjährige. Wertvolle Arbeit leisten hier Menschen wie Eva Henkel.
Eva Henkel ist ehrenamtlicher Vormund. Seit gut einem Jahr vertritt sie an Eltern statt Sakhidad. Der junge Afghane kam im Oktober 2015 aus dem Iran nach Berlin. Es war die Hochzeit des Flüchtlingswanderung; unter ihnen viele Minderjährige. Die Jugendämter riefen „Land unter“ und wandten sich an den Betreuungsverein Cura, eine Einrichtung des Nachbarschaftsheims Schöneberg. Cura sollte nach geeigneten Ehrenamtlichen für eine Vormundschaft der Jugendlichen ohne Eltern suchen und sie für die Aufgabe qualifizieren.
Eva Henkel gehörte zu den Ersten. „Ich fühlte mich gefordert von den Verwerfungen in der Welt“, sagt sie über ihre Motive, und: „Das ist das Mindeste, was ich tun kann.“
Eva Henkel und Sakhidad lernten sich beim Besuch des Karnevals der Kulturen und bei der Arbeit im Schrebergarten näher kennen. Am Anfang war eine iranische Sprachmittlerin dabei. „Bald haben wir nur noch Deutsch miteinander gesprochen“, sagt Eva Henkel.
Jetzt sitzen Sakhidad, der demnächst 17 Jahre alt wird, und Eva Henkel, wie jeden Mittwoch, in einem Café am Potsdamer Platz. Sakhidad erzählt, was er seit dem letzten Treffen erlebt hat; dass er eine Ausbildungsmesse besucht und sich dort insbesondere für den Beruf des Hotelfachmanns interessiert hat. Im März hat er ein Schulpraktikum in einem Hotel absolviert. „Der Hotelmanager war sehr zufrieden mit mir“, sagt Sakhidad in bestem Deutsch.
Die Sprache hat er schnell gelernt. „Es war ein Glücksfall, dass er in eine Notunterkunft in Britz kam“, sagt Eva Henkel. Im Bezirk Neukölln seien nicht so viele Flüchtlinge untergebracht worden wie anderswo, mit dem Vorteil, dass Sakhidad recht bald eine Willkommensklasse besuchen durfte.
Mittlerweile wohnt er mit fünf anderen Jungen in einem Haus in Heiligensee, das vom Albert-Schweitzer-Kinderdorf betreut wird. Er ist zufrieden. Nur der lange Schulweg nach Britz nervt. Gleich nebenan kann Sakhidad in einem Verein Fußball spielen. Er treibt überhaupt viel Sport. Gern geht er aber auch nur spazieren. „Ich kann mich auf der Straße frei bewegen, ohne dass die Polizei mir folgt“, sagt er.
Afghanen im Iran haben so gut wie keine Rechte, erzählt Eva Henkel. „Sie werden leicht Opfer von staatlicher Repression und Übergriffen.“ Sobald Jugendliche volljährig seien, würden die meisten nach Afghanistan abgeschoben. Dort würden sie sogenannte Tanzjungen älterer Männer oder von Taliban aufgegriffen und zu Kämpfern ausgebildet.
Das plötzliche Verschwinden eines Schulkameraden war der Auslöser, dass Sakhidads Eltern ihren Sohn auf die drei Monate dauernde, gefährliche Reise nach Europa schickten. Drei Brüder folgten. Sie sind in Bonn. Die Eltern und vier weitere Geschwister blieben zurück. Das macht Sakhidad traurig. Wie glücklich wäre er, wenn seine ganze Familie in Berlin sein könnte. Daraus wird wohl nichts. Sakhidad wurde nicht als Flüchtling anerkannt. „Er unterliegt aber einem Abschiebeverbot“, sagt Eva Henkel, die sehr hofft, dass ihr Schützling einen Schulabschluss schafft und Perspektiven erhält. Ihr Vormundschaft dauert noch ein gutes Jahr. Sofort würde sie wieder eine übernehmen, sagt die resolute Frau. KEN
Autor:Karen Noetzel aus Schöneberg |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.