Die Arbeit ist nicht weniger geworden, nur anders
Institutionen wie der Lesben- und Schwulenverband trotzen Corona

Nähe trotz räumlicher Distanz: Saskia Ratajszczak, Alexander Scheld und Julia López Sobrino vom Lesben- und Schwulenverband im Videochat mit Berliner Woche-Reporterin Karen Eva Noetzel (unten rechts). | Foto: LSVD
  • Nähe trotz räumlicher Distanz: Saskia Ratajszczak, Alexander Scheld und Julia López Sobrino vom Lesben- und Schwulenverband im Videochat mit Berliner Woche-Reporterin Karen Eva Noetzel (unten rechts).
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Das Land befindet sich in einer Situation, wie sie so noch nie dagewesen ist. Wie arbeiten jetzt eigentlich Organisationen, zu deren DNA der enge Kontakt und das vertraute Gespräch mit Menschen gehört? Die Berliner Woche hat mit Mitarbeitern des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD) Berlin-Brandenburg gesprochen – in einer Videokonferenz.

Julia López Sobrino ist Beraterin im LSVD-Zentrum für Migranten, Lesben und Schwule (MILES). Normalerweise arbeitet sie in der Geschäftsstelle des Verbands in der Kleiststraße 35. In der Coronakrise ist die übliche persönliche Beratung in Rechts- und psychoszialen Fragen nicht möglich. López Sobrino muss von zu Hause aus arbeiten, per Telefon oder im Videochat. Denn die Beraterin hat zum Arbeitsplatz einen weiten Anfahrtsweg mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Für diese Fälle hat der LSVD die Möglichkeit zum Homeoffice geschaffen. Ähnlich geht es Saskia Ratajszczak, die üblicherweise im LSVD-Regenbogenfamilienzentrum in der Cheruskerstraße 22 sitzt. Doch jetzt müsse man kreativ werden, um Angebote umzugestalten oder ganz neue zu entwickeln. Darin bestehe aber auch die Chance, Familien zu erreichen, die man bisher nicht erreicht habe. „Die Leute sind froh, dass eine Beratung weiterhin stattfindet“, so Ratajszczak. Nach Ostern wird es auch Online-Gruppenangebote geben.

Homeoffice und Videokonferenzen sind Dinge, die Institutionen wie der LSVD bisher abgelehnt hätten. „Wir sind strukturkonservativ“, sagt Jörg Steinert. Der Geschäftsführer ist sicher: „Manche dieser Neuerungen werden nach dem Ende der Krise fortgeführt.“

Jörg Steinert und sein Kollege Alexander Scheld – er koordiniert unter anderem die Rechtsberatung für Julia López Sobrino und Saskia Ratajszczak – sind in der Schöneberger Geschäftsstelle verblieben. Beide wohnen im Kiez, gehen zu Fuß zur Arbeit. Sie sitzen alleine in ihren Büros und benutzen ihre eigenen Geräte und Stifte.

Vermitteln, dass man weiterhin da ist

Es sei durchaus ein Kraftakt gewesen, unmittelbar nach Erlass der ersten Beschränkungen alles umzuorganisieren und die Ratsuchenden über die gravierenden Veränderungen zu informieren, sagt Jörg Steinert. Unterstützung hat der LSVD vom Paritätischen Wohlfahrtsverband erhalten, dessen Mitglied er ist. „Wir tragen Verantwortung für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, so Steinert. Manche seien vorbelastet, andere hätten Kinder zu Hause. „Die Arbeit ist nicht weniger geworden, nur eben anders“, erklärt Alexander Scheld. Die Erreichbarkeit müsse sichergestellt sein. „Wir müssen vermitteln, dass wir weiterhin da sind.“ Scheld gibt das Motto aus: Soziale Nähe trotz räumlicher Distanz.

Julia López Sobrino erfährt in diesen Tagen, wie „total ratlos“ viele Geflüchtete seien. „Sie fragen sich, was aus ihren Asylverfahren wird. Das Personal in den Verwaltungen ist schwieriger zu erreichen.“ Die Geflüchteten, die bei ihr Rat suchen, seien nervös und voller Angst. „Ihre Probleme sind durch Corona größer geworden.“ Jeden Tag sammelt die Beraterin amtliche Informationen, die sie in einfache Sprache überträgt. Jörg Steinert glaubt, dass die Einschränkungen noch nicht aufgehoben werden. Seine Sportveranstaltung „Respect Gaymes“, die für den 16. Mai vorgesehen war, hat der Lesben- und Schwulenverband schon verschoben. Als neuer Termin wird der 26. September diskutiert. „Wir brauchen viel Geduld.“

Direkter Menschenkontakt fehlt

Jörg Steinerts Mitarbeiter tragen die Veränderungen tapfer. „Zu Hause ist es ganz okay“, meint Julia López Sobrino. Sie geht nur zum Einkaufen aus dem Haus. „Ich lese mehr. Ich schlafe mehr.“ „Zu Hause ist alles gut“, sagt auch Saskia Ratajszczak. Doch sie denkt viel an ihre Eltern, die in einem vorangeschrittenen Alter sind. „Ich würde gerne zu ihnen fahren. Aber das geht ja nicht.“

Alexander Scheld beschreibt sich als einen sehr sozialen Menschen, der viel und gerne mit anderen zusammentrifft. „Das vermisse ich. Aber wir müssen uns unbedingt zurückhalten.“ Julia López Sobrino kann Corona sogar etwas Positives abgewinnen: „Wir werden hinterher viel solidarischer sein.“

Autor:

Karen Noetzel aus Schöneberg

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