Maßnahmen zur Eindämmung zeigen wenig Wirkung
Wildschweine wüten in der Hilfswerk-Siedlung

Anika Kairies und ihr Sohn Alex entdecken jeden Tag neue Wildschweinspuren in ihrem Wohnviertel.  | Foto: K. Rabe
4Bilder
  • Anika Kairies und ihr Sohn Alex entdecken jeden Tag neue Wildschweinspuren in ihrem Wohnviertel.
  • Foto: K. Rabe
  • hochgeladen von Karla Rabe

Wenn es dunkel wird in der Hilfswerk-Siedlung in Zehlendorf, geht kaum noch jemand auf die Straße. Das hat nichts mit der Corona-Ausgangssperre zu tun. Viel mehr haben die Bewohner des Kiezes Angst. Denn nachts kommen die Wildschweine und suchen auf den Wiesen im Wohnviertel nach Leckereien.

Fast jede Nacht hört Familie Kairies das Grunzen der Wildschweine. „Das ist beängstigend“, sagt Anika Kairies. Die imposanten Tiere wühlen die Rasenflächen zwischen den Wohnblocks gründlich um. „Die Wiesen sind völlig zerstört und können kaum noch genutzt werden“, schildert die Anwohnerin die Situation. Dabei reagiert das Wohnungsunternehmen Hilfswerk-Siedlung schnell und lässt die Schäden durch eine externe Gartenpflege-Firma beseitigen.

Revier von Düppel bis Dahlemer Weg

Tagsüber ziehen sich die Tiere in das sumpfige Gebiet im Buschgraben zurück. „Nachts suchen sie nach proteinhaltigen Wurzeln oder Blumenzwiebeln“, erklärt Derk Ehlert, Wildtierbeautragter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. In der Siedlung an der Sachtlebenstraße halten sich nach seiner Kenntnis derzeit drei Bachen mit ihren Jungen auf. Das Revier sei jedoch wesentlich größer. Es erstreckt sich über Düppel, Buschgraben, Schönower Wiesen, Sundgauer Straße und Dahlemer Weg.

Die Tiere seien erst seit zwei Jahren wieder verstärkt in dem Gebiet unterwegs. „In Zehlendorf Süd war lange Zeit Ruhe, bis vor zwei Jahren eine größere Rotte aufgetaucht ist“, erläutert der Wildtierexperte. Diese Rotte habe sich mehrfach geteilt und sei nun in verschiedenen Revieren unterwegs. Angst haben müsse man aber nicht vor den Tieren, sagt Ehlert. In den über zwanzig Jahren als Wildtierexperte sei ihm kein einziger Fall bekannt, bei dem Menschen von einem Wildschwein angegriffen wurden. Zu Zwischenfällen würde es höchstens mit Hunden kommen. „Bei einer Begegnung mit Wildschweinen ist wichtig: stehen bleiben, Hunde anleinen und sich ruhig von den Tieren zu entfernen“, rät Ehlert.

Füttern der Schwarzkittel ist fahrlässig

Das Allerwichtigste sei aber, Wildschweine nicht zu füttern. Füttern? „Ja, es kommt immer wieder vor, dass die Tiere gefüttert werden. Das klingt absurd, aber ist gar nicht so selten“, sagt der Wildtierexperte. Immer wieder werde beobachtet, dass die Wildschweine vom Balkon oder aus dem Fenster heraus gefüttert würden. „Die Tiere merken sich das und kommen wieder.“ Auch Grünen-Umweltstadträtin Maren Schellenberg hält das Füttern für ein ernstzunehmendes Problem. Neben dem bewussten Füttern sind es auch Essensreste in den Grünanlagen, die das Borstenvieh anziehen. Das Grünflächenamt hat jedes Jahr damit zu tun, die Schäden in bezirklichen Grünanlagen und auf Friedhöfen zu beseitigen. Erst kürzlich hat der Fachbereich dafür neue, leistungsstarke Maschinen angeschafft.

Stabile Zäune als Schutz

Immer wieder werden auch Friedhöfe von Wildschweinen heimgesucht. Hier hat der Bezirk in neue und stabile Zäune investiert. Unter anderem wurden am Friedhof Lindenstraße in Wannsee neue Tore installiert. Der Parkfriedhof Lichterfelde hat auf der Seite zum Osteweg einen komplett neuen Zaun erhalten. Allerdings sollten die Tore der Friedhöfe auch immer verschlossen werden, so der Appell der Stadträtin an die Bürger.

"Wir müssen mit den Tieren leben"

Unterm Strich herrscht Einigkeit darin, dass sich Wildtiere aus der Stadt nicht mehr vetreiben lassen. „Wir müssen mit den Tieren leben“, sagt Ehlert. Auch Anika Kairies ist klar, dass die Tiere ihren Raum bekommen sollen. „Aber wenn sie uns zu nahe rücken, ist das doch sehr beängstigend.“ Sie hofft, dass sich die Verantwortlichen Lösungen einfallen lassen, um öffentliche Grünflächen sowie Mensch und Tier zu schützen.

Komplette Einzäunung der Siedlung eine Kostenfrage

Im Bereich der Hilfswerk-Siedlung hat das Wohnungsunternehmen zahlreiche Maßnahmen zur Eindämmung der Wildschweinplage unternommen. „Leider zeigen Vergrämungsmittel nur wenig Erfolg. Zudem steht unser Förster im intensiven Kontakt mit dem Stadtjäger“, teilt die HWS mit. Zusätzlich wurde der Ansprechpartner vom Runden Tisch Zehlendorf-Süd kontaktiert und der Einbau von Toren im Bereich Buschgraben angeregt. Eine Einzäunung der gesamten Wohnanlage ist aufgrund der vielen Zugänge und der Durchschneidung mit öffentlichen Gehwegen nicht verhältnismäßig und würde sehr hohe Investitionen erfordern.

Autor:

Karla Rabe aus Steglitz

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

29 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

Beitragsempfehlungen

WirtschaftAnzeige
Foto: pexels/Giulia Freitas
5 Bilder

Mode oder mehr?
Piercing. Von alten Ritualen bis zu moderner Kunst

Ist das Modeakzent oder kulturelles Erbe? Auf jeden Fall ist Piercing die beliebteste und gefragteste Körpermodifikation der Welt, die sowohl persönliche Vorlieben und Modetrends als auch tiefe kulturelle Traditionen widerspiegelt. Was ein modisches Piercing heute ist und wie es sich im Laufe der Zeit verändert hat, erfahren wir zusammen mit VEAN TATTOO in diesem Artikel. Eine der beliebtesten Arten von Piercings ist das Ohrlochstechen. Ein Klassiker aller Zeiten, ist das wirklich so und woher...

  • Mitte
  • 17.04.24
  • 473× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Wenn auch Sie mehr über Ihre Schulterbeschwerden erfahren möchten und sich über mögliche Behandlungsansätze informieren möchten, kommen Sie zum Informationsabend am 23. Mai. | Foto: B. BOISSONNET / BSIP

Wir informieren Sie
Schmerzen in der Schulter – Ursachen und Behandlungen

Schmerzen in der Schulter können vielfältige Ursachen haben – sei es durch Unfälle oder Verschleißerscheinungen. Diese Ursachen können die Beweglichkeit beeinträchtigen und die Lebensqualität stark einschränken. Unsere Experten, Dr. med. Louise Thieme und Robert Tischner, Teamchefärzte des Caritas Schulter- und Sportorthopädiezentrums, werden bei unserem Informationsabend speziell auf die Problematik von Schulterbeschwerden eingehen – vom Riss der Rotatorenmanschette bis zur Arthrose. Sie...

  • Pankow
  • 18.04.24
  • 441× gelesen
Gesundheit und Medizin
Wenn Hüfte oder Knie schmerzen, kann eine Arthrose die Ursache sein.

Infos für Patienten
Spezialthema: Arthrose in Hüft- und Kniegelenken

Sie leiden unter Schmerzen im Knie- und Hüftgelenk? Diese Beschwerden können verschiedene Ursachen haben, wie beispielsweise Unfälle, Verschleißerscheinungen, angeborene oder erworbene Fehlstellungen. Die Auswirkungen beeinflussen nicht nur die Beweglichkeit, sondern auch die Lebensqualität entscheidend. An diesem Infoabend möchten wir speziell auf die Arthrose in Knie- und Hüftgelenken eingehen. Die Behandlung von Arthrose erfolgt individuell aufgrund der vielfältigen Ursachen und...

  • Pankow
  • 19.04.24
  • 389× gelesen
Gesundheit und MedizinAnzeige
Langanhaltende Schmerzen können ein Anzeichen für Gallensteine sein.  | Foto: Caritas-Klinik Dominikus

Wann ist eine OP sinnvoll?
Infos zu Gallensteinen und Hernien

Leiden Sie unter belastenden Gallensteinen oder Hernien (Eingeweidebruch) Langanhaltende Schmerzen begleiten viele Betroffene, unabhängig des Lebensalters, bevor sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können jedoch häufig Komplikationen vermeiden. Wir sind auf die Behandlung dieser Probleme spezialisiert und bieten Ihnen erstklassige allgemein- und viszeralchirurgische Expertise. Von Diagnostik bis Nachsorge: Wir kümmern uns individuell um Ihre...

  • Reinickendorf
  • 17.04.24
  • 423× gelesen
Jobs und KarriereAnzeige
Foto: VEAN TATTOO
4 Bilder

Tattoo-Kurse
Ausbildung für Topberuf des letzten Jahrzehnts

Eine Frage, die immer aktuell ist, auch wenn man schon vor langer Zeit erwachsen ist. Sehr oft entscheiden wir uns aufgrund des sozialen Drucks für einen Beruf. Wie oft haben Sie sich gefragt, was aus Ihnen geworden wäre, wenn Sie auf sich selbst gehört hätten? VEAN TATTOO hat diese wichtige Frage vor zwölf Jahren ehrlich für sich selbst beantwortet und reicht daher ohne Zweifel allen, die über ihren ersten oder neuen Beruf nachdenken, eine helfende Hand. Es liegt an Ihnen, zu entscheiden,...

  • Mitte
  • 25.03.24
  • 1.739× gelesen
  • 1
add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.