Maßnahmen zur Eindämmung zeigen wenig Wirkung
Wildschweine wüten in der Hilfswerk-Siedlung
Wenn es dunkel wird in der Hilfswerk-Siedlung in Zehlendorf, geht kaum noch jemand auf die Straße. Das hat nichts mit der Corona-Ausgangssperre zu tun. Viel mehr haben die Bewohner des Kiezes Angst. Denn nachts kommen die Wildschweine und suchen auf den Wiesen im Wohnviertel nach Leckereien.
Fast jede Nacht hört Familie Kairies das Grunzen der Wildschweine. „Das ist beängstigend“, sagt Anika Kairies. Die imposanten Tiere wühlen die Rasenflächen zwischen den Wohnblocks gründlich um. „Die Wiesen sind völlig zerstört und können kaum noch genutzt werden“, schildert die Anwohnerin die Situation. Dabei reagiert das Wohnungsunternehmen Hilfswerk-Siedlung schnell und lässt die Schäden durch eine externe Gartenpflege-Firma beseitigen.
Revier von Düppel bis Dahlemer Weg
Tagsüber ziehen sich die Tiere in das sumpfige Gebiet im Buschgraben zurück. „Nachts suchen sie nach proteinhaltigen Wurzeln oder Blumenzwiebeln“, erklärt Derk Ehlert, Wildtierbeautragter der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. In der Siedlung an der Sachtlebenstraße halten sich nach seiner Kenntnis derzeit drei Bachen mit ihren Jungen auf. Das Revier sei jedoch wesentlich größer. Es erstreckt sich über Düppel, Buschgraben, Schönower Wiesen, Sundgauer Straße und Dahlemer Weg.
Die Tiere seien erst seit zwei Jahren wieder verstärkt in dem Gebiet unterwegs. „In Zehlendorf Süd war lange Zeit Ruhe, bis vor zwei Jahren eine größere Rotte aufgetaucht ist“, erläutert der Wildtierexperte. Diese Rotte habe sich mehrfach geteilt und sei nun in verschiedenen Revieren unterwegs. Angst haben müsse man aber nicht vor den Tieren, sagt Ehlert. In den über zwanzig Jahren als Wildtierexperte sei ihm kein einziger Fall bekannt, bei dem Menschen von einem Wildschwein angegriffen wurden. Zu Zwischenfällen würde es höchstens mit Hunden kommen. „Bei einer Begegnung mit Wildschweinen ist wichtig: stehen bleiben, Hunde anleinen und sich ruhig von den Tieren zu entfernen“, rät Ehlert.
Füttern der Schwarzkittel ist fahrlässig
Das Allerwichtigste sei aber, Wildschweine nicht zu füttern. Füttern? „Ja, es kommt immer wieder vor, dass die Tiere gefüttert werden. Das klingt absurd, aber ist gar nicht so selten“, sagt der Wildtierexperte. Immer wieder werde beobachtet, dass die Wildschweine vom Balkon oder aus dem Fenster heraus gefüttert würden. „Die Tiere merken sich das und kommen wieder.“ Auch Grünen-Umweltstadträtin Maren Schellenberg hält das Füttern für ein ernstzunehmendes Problem. Neben dem bewussten Füttern sind es auch Essensreste in den Grünanlagen, die das Borstenvieh anziehen. Das Grünflächenamt hat jedes Jahr damit zu tun, die Schäden in bezirklichen Grünanlagen und auf Friedhöfen zu beseitigen. Erst kürzlich hat der Fachbereich dafür neue, leistungsstarke Maschinen angeschafft.
Stabile Zäune als Schutz
Immer wieder werden auch Friedhöfe von Wildschweinen heimgesucht. Hier hat der Bezirk in neue und stabile Zäune investiert. Unter anderem wurden am Friedhof Lindenstraße in Wannsee neue Tore installiert. Der Parkfriedhof Lichterfelde hat auf der Seite zum Osteweg einen komplett neuen Zaun erhalten. Allerdings sollten die Tore der Friedhöfe auch immer verschlossen werden, so der Appell der Stadträtin an die Bürger.
"Wir müssen mit den Tieren leben"
Unterm Strich herrscht Einigkeit darin, dass sich Wildtiere aus der Stadt nicht mehr vetreiben lassen. „Wir müssen mit den Tieren leben“, sagt Ehlert. Auch Anika Kairies ist klar, dass die Tiere ihren Raum bekommen sollen. „Aber wenn sie uns zu nahe rücken, ist das doch sehr beängstigend.“ Sie hofft, dass sich die Verantwortlichen Lösungen einfallen lassen, um öffentliche Grünflächen sowie Mensch und Tier zu schützen.
Komplette Einzäunung der Siedlung eine Kostenfrage
Im Bereich der Hilfswerk-Siedlung hat das Wohnungsunternehmen zahlreiche Maßnahmen zur Eindämmung der Wildschweinplage unternommen. „Leider zeigen Vergrämungsmittel nur wenig Erfolg. Zudem steht unser Förster im intensiven Kontakt mit dem Stadtjäger“, teilt die HWS mit. Zusätzlich wurde der Ansprechpartner vom Runden Tisch Zehlendorf-Süd kontaktiert und der Einbau von Toren im Bereich Buschgraben angeregt. Eine Einzäunung der gesamten Wohnanlage ist aufgrund der vielen Zugänge und der Durchschneidung mit öffentlichen Gehwegen nicht verhältnismäßig und würde sehr hohe Investitionen erfordern.
Autor:Karla Rabe aus Steglitz |
Kommentare
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.