„Typische Frauenberufe werden zu schlecht bezahlt“
Mit der Gleichstellungsbeauftragten Anke Armbrust im Gespräch zum Equal Pay Day am 10. März

Anke Armbrust hat viele Jahre im Sozialamt gearbeitet und sich mit Themen wie Ehrenamt und Altenhilfe beschäftigt. Danach war sie Teamleiterin im Jobcenter. Seit März 2012 ist sie Gleichstellungsbeauftragte Treptow-Köpenicks. Sie wohnt in Wendenschloß und hat ihr Büro im Rathaus Köpenick. | Foto: Philipp Hartmann
  • Anke Armbrust hat viele Jahre im Sozialamt gearbeitet und sich mit Themen wie Ehrenamt und Altenhilfe beschäftigt. Danach war sie Teamleiterin im Jobcenter. Seit März 2012 ist sie Gleichstellungsbeauftragte Treptow-Köpenicks. Sie wohnt in Wendenschloß und hat ihr Büro im Rathaus Köpenick.
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Im Schnitt verdienen Frauen in Deutschland 19 Prozent weniger als Männer. Der Equal Pay Day am 10. März macht auf diese Ungerechtigkeit aufmerksam. Zum internationalen Aktionstag sprach Berliner-Woche-Reporter Philipp Hartmann mit Anke Armbrust (61), der Gleichstellungsbeauftragten in Treptow-Köpenick.

Zu ihren großen Projekten zählen der Aufbau eines Netzwerks Alleinerziehende im Bezirk sowie das 2020 eröffnete Frauenzentrum in Friedrichshagen.

Inwieweit ist die ungerechte Bezahlung von Frauen im Vergleich zu Männern auch im Bezirk ein Thema?

Anke Armbrust: Da ist Treptow-Köpenick natürlich genauso betroffen wie alle anderen Berliner Bezirke. Dieser Lohnunterschied ist ja ein statistisch errechneter Wert, der auf alle Frauen in Deutschland auch zutrifft.

Warum gibt es im Jahr 2021 immer noch solche Unterschiede?

Anke Armbrust: Es gibt nicht diesen einen Grund für den Lohnunterschied. Es sind mehrere, im Wesentlichen auch strukturelle Gründe. Zum einen fängt es damit an, dass Frauen Berufe in bestimmten Richtungen wählen – zum Beispiel im Pflege- und Dienstleistungsbereich –, die per se auch nicht so gut bezahlt werden wie männerdominierte Berufszweige wie Ingenieurwesen oder IT-Technik. Das ist schon eine große Falle. Das Nächste ist, dass es natürlich auch familienbedingt Knicke im Lebensverlauf der Frauen gibt. Sie bekommen Kinder, steigen dann für eine gewisse Zeit aus und müssen hinterher wieder einsteigen, wo sie in der Regel auch nicht da anknüpfen, wo sie aufgehört haben. Hinzukommt, dass sich viele Frauen aufgrund der Familiensorge entscheiden, verkürzt zu arbeiten. Da fehlt wieder ein Stück im Einkommensbeutel. Viele Frauen arbeiten auch in Minijobs. Knapp 62 Prozent aller Minijobs werden von Frauen ausgeübt. Schon eine bezeichnende Zahl. Um es auf den Punkt zu bringen: Für mich ist der größte Nachteil, dass die „typischen“ Frauenberufe einfach zu schlecht bezahlt werden.

Folgende These: Männer verdienen oft mehr, weil sie sich in Vorstellungsgesprächen besser verkaufen können. Ist da auch etwas Wahres dran?

Anke Armbrust: Aus meiner Lebenserfahrung heraus kann ich nur sagen: Ja, das scheint wohl so zu sein. Frauen sind da immer ein Stück weit bescheidener und können sich dementsprechend auch nicht so gut verkaufen. Aber ich glaube auch, dass Frauen im Selbstbewusstsein aufholen.

Müssen Frauen mehr leisten, um die gleiche Anerkennung zu erhalten wie Männer?

Anke Armbrust: Ja. Und das begründet sich mit klischeebehafteten Rollenbildern, die immer noch da sind. Wenn es in der Kita oder Schule ein Problem gibt, wer wird zuerst angerufen? Es ist wahrscheinlich die Mutter. Unabhängig davon weiß ich auch, dass es da schon eine gute, positive Entwicklung gibt und Partnerschaften heute sehr gleichberechtigt und modern geführt werden. Zuletzt gab es auch Unterstützung dadurch, dass die Väter Erziehungsurlaub beanspruchen dürfen. Es gibt also Maßnahmen vom Gesetzgeber, die eine gleichberechtigte Partnerschaft und auch ein Vorankommen der Frauen im Job fördern. Seit dem 6. Juli 2017 gibt es das Entgelttransparenzgesetz. Das soll in Unternehmen dafür sorgen, dass die Vergütungsstrukturen transparenter gemacht werden. Sodass auch erkennbar ist, ob Männer, die den gleichen Job ausüben, gegebenenfalls eine höhere Vergütung bekommen. Ich persönlich sage: Es ist noch ein zahnloser Tiger. Da muss mehr Kontrolle her an der Stelle, wie die Unternehmen auch Transparenz schaffen. Aber es gibt zumindest von der Politik die Bemühung, auch da reinzusteuern. Wir müssen an allen Stellen Druck aufbauen. Das ist einfach so.

Eine repräsentative Umfrage der Bertelsmann-Stiftung hat ergeben, dass die Corona-Pandemie alte Rollenbilder verfestigt. Frauen erledigen demnach den Großteil der Hausarbeit. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?

Anke Armbrust: Absolut. Homeschooling, Hausarbeit, Sorge und Einkaufen bleiben bei den Frauen hängen. Viele Frauen sagen in der Pandemie auch: Okay, ich reduziere jetzt meine Arbeitszeit, um irgendwie alles zu managen. Insofern landen wir bei allen wunden Punkten, die das Thema Gleichstellung auch heute noch ausmachen.

Wie lassen sich die Ungerechtigkeiten am ehesten ausgleichen?

Anke Armbrust: Rollenbilder existieren in unserem Kopf. Es muss ein Umdenken stattfinden. Das bekommen wir hin, indem wir für die Themen Öffentlichkeit schaffen und einfach auch klar miteinander kommunizieren: Wie geht es den Frauen in der Arbeitswelt? Seit über zehn Jahren haben wir bei uns im Bezirk schon diesen schönen Wettbewerb und suchen immer die familienfreundlichsten Unternehmen, kleine wie auch große. Und ich freue mich jedes Jahr aufs Neue, dass es unzählige Beispiele von kleineren und größeren Unternehmen in Treptow-Köpenick gibt, die sich ernsthaft bemühen. Die erkennen, in welcher Bredouille die Frauen stecken, und passende Strukturen schaffen.

Autor:

Philipp Hartmann aus Köpenick

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