"Das ist eine Katastrophe hier"
Senat streicht SprInt-Projekt für seine außerschulischen Angebote 50 000 Euro

Elyesa, Soraya und Ranim (v.l.) bereiten gerade die Nachhilfe vor. Herbert Weber ist stolz auf die Einser-Schüler. | Foto: Ulrike Kiefert
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Mehr als 20 freie Träger und Projekte aus Wedding beklagen in einem offen Brief an die Senatsbildungsverwaltung den niedrigen Bildungsstand vieler Schüler und die mangelnde Finanzierung von außerschulischen Förderangeboten. Auch das SprInt-Projekt ist betroffen. Der sozialen Einrichtung wurden jetzt 50 000 Euro gestrichen.

In Brennpunktkiezen wie dem Soldiner Kiez stehen Kinder und Jugendliche vor vielen Hürden. Ohne ausreichende Deutschkenntnisse haben sie keinen Zugang zu Wissen, und ohne Sprache und Wissen keine Chancen auf einen vernünftigen Beruf. „Hier bräuchte fast jedes Kind und jeder Jugendliche individuelle Förderung“, sagt Herbert Weber, Geschäftsführer der gemeinnützigen „SprInt“ GmbH im Medienhof Wedding an der Prinzenallee. Doch die meisten Schulen seien damit überfordert. „Und auch nicht alle Eltern können ihrem Kind die deutsche Grammatik erklären oder mit ihnen Mathe für den nächsten Test büffeln.“ Für einen Nachhilfe-Lehrer wiederum fehlt den meisten das Geld. Die Folge: „Manche Kinder verstehen in einem Kinderbuch gerade mal 20 Worte", sagt Weber. "Ältere Schüler wissen nicht mal, was eine Birke ist. Das ist eine echte Katastrophe hier.“

Bessere Chancen dank besserer Bildung

Herbert Weber, der selbst als Erster in seiner Familie studiert hat, war es deshalb ein Bedürfnis, mitten im Wedding 2005 das SprInt-Projekt zu gründen. „Wir geben Kindern und Jugendlichen aus dem Kiez kostenlos Nachhilfe, machen Berufsberatung und unterstützen sie dabei, sich auf ihrem Bildungs- und Karriereweg zu orientieren.“ Damit sie bessere Chancen im deutschen Bildungssystem haben. Denn die meisten von ihnen haben Migrationshintergrund. Hinzu kommt oft zu wenig Platz daheim, kein Laptop, keine E-Mail-Adresse und überlastete Lehrer in den Schulen. „Deshalb müssen wir in unserer Einrichtung viel auffangen“, sagt Weber, „und versuchen, den Kindern und Jugendlichen neue Perspektiven zu eröffnen, damit sie einen Lebensweg beschreiten können, der abseits der üblichen Pfade hier im Kiez verläuft.“ Was die Kids dafür mitbringen müssen, sind die Motivation und der Wille, sich zu verbessern.

Herbert Weber und sein Team machen aber nicht nur gratis Angebote außerhalb der Schule. SprInt schickt auch regelmäßig 50 Lehramtsstudenten in acht Partnerschulen. Der ehemalige Deutsch- und Geschichtslehrer Weber arbeitet selbst 26 Stunden in der Woche. Doch wie viele Angebote dieser Art steht auch das SprInt-Projekt im Medienhof Wedding finanziell auf wackeligen Beinen.

„Es muss sich endlich etwas ändern oder nächstes Jahr ist hier Schluss“

210 000 Euro bekam das Projekt bisher pro Jahr für seine außerschulischen Angebote, die im vergangenen Jahr trotz Corona immerhin 730 Kinder und Jugendliche im Alter von zehn bis 20 Jahren nutzten. Doch diese Förderung hat der Senat jetzt um 50 000 Euro gestrichen. Auch deshalb hat Herbert Weber den offenen Brief an die Senatsbildungsverwaltung initiiert. „Die Kürzung entzieht uns unsere Arbeitsgrundlage“, sagt Weber. „Wir sind schon sparsam und verprassen das Geld nicht für die Verwaltung, sondern stecken jeden Cent in die Förderung der Kinder.“ Natürlich müssten auch die Honorare der Studenten und die Mitarbeiter bezahlt werden. „Darum hätten wir uns eigentlich eine Aufstockung der Mittel gewünscht.“ Zumal auch schon länger geplant ist, dass sein Projekt auf die „Wiesenburg“ in Gesundbrunnen umzieht. Das Areal an der Panke wird städtebaulich gerade „wiederbelebt“ und SprInt käme dort günstig unter. „Wir sind ja leider nicht die einzigen, es geht allen Anbietern von außerschulischer Nachhilfe so“, sagt Herbert Weber. „Es muss sich endlich etwas ändern oder nächstes Jahr ist hier Schluss.“

„Schüler helfen Schülern“

Das wäre dann auch das Aus für das Angebot „Schüler helfen Schülern“ von SprInt: Ältere Schüler oder Studenten, die früher einst selbst in den Medienhof Wedding zur Nachhilfe kamen, geben ihr Wissen nun jeden Freitagnachmittag an Jüngere weiter. Wie Elyesa vom Diesterweg-Gymnasium. Der 17-Jährige gibt Nachhilfe in Mathe, Deutsch, Englisch und Geisteswissenschaften. Oder wie Ranim vom Gymnasium Tiergarten. „Wir begleiten unsere Schüler teilweise bis zum Schulabschluss“, erzählt die 17-Jährige. Sie selbst will nach dem Abitur Biotechnologie oder Wirtschaftsingenieurwesen studieren. Auch Alin, heute 25 Jahre alt, hat es geschafft. Die junge Frau hat Lebensmitteltechnologie studiert. „Ohne die Nachhilfe hier hätte ich damals mein Abi nicht geschafft.“

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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