Von der "Null" weit entfernt
Charlottenburg-Wilmersdorf Bezirk zieht bei Treibhausgasen enttäuschende Bilanz

Viel zu groß und schwer heizbar: Für das Rathaus Charlottenburg dürfte die Klimabilanz negativ sein.  | Foto:  Ulrike Kiefert
  • Viel zu groß und schwer heizbar: Für das Rathaus Charlottenburg dürfte die Klimabilanz negativ sein.
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Der Bezirk hat Bilanz bei seinen Treibhausgasen gezogen. Das Ergebnis ist ernüchternd. Die Emissionen sinken viel zu langsam, sagt Umweltstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne). Einer der Hauptverursacher ist der Verkehr.

Der Weg zur Klimaneutralität ist für Charlottenburg-Wilmersdorf noch weit. Das geht aus einer jetzt vorgelegten Treibhausgasbilanz des Bezirks hervor. Zwar gingen die Emissionen von Kohlendioxid aus Strom, Benzin, Diesel, Fernwärme und Erdgas zwischen 2016 und 2020 kontinuierlich von rund 2,4 Millionen Tonnen auf zwei Millionen Tonnen zurück. Doch die Klimaneutralität ist damit längst nicht erreicht. „Davon sind wir noch weit entfernt“, musste Umweltstadtrat Oliver Schruoffeneger ernüchtert feststellen. „Wenn das in diesem Tempo so weiter geht, sind wir erst in 28 Jahren dort, wo wir schon vor Jahren hätten sein sollen.“ Das Ziel „Null“ erreiche damit nicht mal die Frist des Pariser Klimaschutzziels von 2050.

Mitverursacher des schädlichen Kohlendioxids ist der Verkehr. Laut Bilanz ist der Benzinverbrauch im Bezirk weitgehend konstant geblieben, beim Diesel ging der Verbrauch minimal zurück. Da halfen auch der „der spürbare Anteil“ von Elektroautos, mehr Fahrradwege und mehr ÖPNV nichts. Fazit für das Bezirksamt: Die bisher getroffenen Maßnahmen reichen nicht aus, wirken nicht oder werden durch mehr Verkehr und größere Fahrzeuge, die im Bezirk rollen, „aufgezehrt“. Um die Klimaziele zu erreichen, müssten Verbrennerautos und Lkw „erheblich reduziert“ werden.

Deutlicher Rückgang beim Stromverbrauch

Deutlich gesunken sind dagegen die Emissionen aus dem Stromverbrauch. Um 28 Prozent in fünf Jahren, was durchaus ein beeindruckender Erfolg sei, sagte Wilhelm Friedrich Graf zu Lynar, Leiter des Umwelt- und Naturschutzamtes. Solaranlagen auf bezirkseigenen Dächern und viele andere Maßnahmen seitens des Bezirksamtes hätten zu diesem Rückgang beigetragen. Hält diese Entwicklung an, könnte der Bezirk die Klimaneutralität im Stromsektor in 18 Jahren erreicht haben. Wäre da nicht die stark steigende Stromnachfrage, vor allem für Elektroautos und Wärmepumpen, die das Ziel zu gefährden droht. Eine Konsequenz für das Bezirksamt: Werden Wärmepumpen eingebaut, muss das Gebäude bestmöglich gedämmt werde, um den Stromverbrauch der Pumpe gering zu halten. Allerdings hat das Bezirksamt wenig Einfluss auf private Eigentümer oder Vermieter, ebenso wenig wie auf die Wahl der Heizung. Stichwort: Berliner Bauordnung. Man wolle aber bei Bauvorhaben vermehrt darauf dringen, dass Bauherren die Schadstoffmengen weit unter das gesetzliche Höchstmaß absenken.

Worauf der Bezirk hingegen Einfluss hat, ist die Gestaltung des öffentlichen Raums, auf mehr Fuß- und Radwege, mehr Solaranlagen auf Schulen, mehr Parkraumbewirtschaftung und auf mehr E-Ladesäulen, deren Beantragung allerdings umständlich ist. Auch die entsprechende Modernisierung bezirkseigener Gebäude gehört dazu. Weitere Maßnahmen, die der Bezirk auf den Weg gebracht hat, sind das neue Bürgernahwärmenetz in der Siedlung Eichkamp, der Klimanotstandsbeschluss und das hauseigene Klimaanpassungskonzept. Was noch kommt, ist eine kommunale Wärmeplanung, die als Bundesgesetz gerade vorbereitet wird.

Mehr Personal gefordert

„Wir sind auf dem richtigen Weg“, fasste Stadtrat Schruoffeneger zusammen. Die Erfolge aber seien zu klein. Die Charlottenburger und Wilmersdorfer, Gewerbetreibende, Politik und Verwaltung müssten „gemeinsam ihr Engagement verstärken“. Zudem brauche der Bezirk „dringend rechtliche Instrumentarien“, um etwa Bauherren in Sachen Klimaschutz in die Pflicht zu nehmen und Tempo zu machen. Der Appell des Stadtrats ging Richtung Landes- und Bundesebene. „Berlin will einen Sonderfonds über zehn Milliarden Euro für den Klimaschutz auflegen“, so Schruoffeneger. Das sei zwar „wunderschön“, doch man habe mit Förderprogrammen die Erfahrung gemacht, dass die Mittel am Ende nicht immer fließen. Außerdem sei der Bezirk personell zu schwach aufgestellt, um Klimaschutzmaßnahmen ausreichend zu koordinieren, sämtliche Förderprogramme auszuschöpfen und das angekündigte Sondervermögen umzusetzen. Mit nur drei Stellen bei etwa 340 000 Einwohnern könne der Bezirk hier nur wenig schaffen. Laut dem Deutschen Institut für Urbanistik ist mindestens ein Mitarbeiter pro 50 000 Einwohnern nötig, um in den Bezirken den Klimaschutz zu koordinieren. Charlottenburg-Wilmersdorf stünden nach dieser Rechnung sieben Stellen zu.

Zum Schluss machte der Stadtrat das Treibhausgas-Dilemma bildlich. Würde man die gesamten Emissionen des Jahres 2020 als Gas über den Bezirk „ausgießen“, würde Charlottenburg-Wilmersdorf in einem 15 Meter tiefen See versinken. Das Schloss Charlottenburg wäre dann etwa bis zur Dachkante untergetaucht.

Autor:

Ulrike Kiefert aus Mitte

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