Ausnahmezustand im Amt: Personalnot im Bau- und Jugendressort lähmt den Bezirk
Charlottenburg-Wilmersdorf. Unbearbeitete Anträge, Aktenstau, abgesagte Sprechstunden: Offene Stellen und dauerhafte Erkrankungen bringen den Behördenalltag immer öfter zum Erliegen. Die Bauwirtschaft protestiert dagegen besonders laut.
Wenn Architekten ihre Vorhaben mit dem Stadtplanungsamt abstimmen wollen, ergeht es ihnen manchmal wie den Figuren aus Kafkas Erzählungen: Sie erbitten die Bewilligung ihrer Eingaben. Aber sie verzweifeln daran, dass der Behördenapparat, von dem sie abhängen, untauglich wird zum Erbringen seiner Arbeit. Der Grund: Mangel und Überforderung von Personal.
„Unhaltbare Zustände in der Berliner Verwaltung“, prangert der Architekten- und Ingenieurverein (AIV) zu Berlin in einem Brief öffentlich an. Architekt Tobias Nöfer, unter anderem befasst mit Wohnungsbauvorhaben in Wilmersdorf, behauptet darin, das Stadtplanungsamt sei „chronisch so unterbesetzt, dass es nicht einmal mehr die üblichen und unbedingt notwendigen Beratungstermine zur Verfügung stellen kann.“ Tatsächlich bewog Nöfer ein bestimmter Anlass, die Misere publik zu machen: „An einem Morgen zur normalen Geschäftszeit war das Stadtplanungsamt mit nur einem einzigen Mitarbeiter besetzt, der verzweifelt wie Sisyphos versucht, den Berg an Vorgängen abzuarbeiten. Davon wird der sicher auch bald krank“, sorgt sich der Architekt. Und fordert eine sofortige Abhilfe in Sachen Personalpolitik, damit Bauprojekte nicht versacken und Mitarbeiter nicht ausbrennen. „Die Stadt fährt Vollgas und die Politik zieht die Handbremse“, beschreibt er den paradoxen Zustand. Er sorge dafür, „dass Bauvorhaben verzögert oder ganz abgesagt werden, die die Stadt dringend benötigt.“
Baustadtrat: Personell nachlegen!
Baustadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) fand diesen Zustand bei seinem Amtsantritt so vor. Und er stimmt zu, dass es von jetzt an dringend eine personelle Aufstockung braucht. „Es wird die Aufgabe der nächsten Jahre sein, das zu ändern“, wird er vom Architektenverein zitiert.
Zwar hat der neue rot-rot-grüne Senat den Personalabbau vorzeitig für beendet erklärt. Doch Überalterung, hoher Krankenstand und zähe Verfahren zur Stellenbesetzung werden den Bezirk noch eine Weile begleiten.
Eine Trendumkehr versuchen die Stadträte im Bezirksamt mit allen Mitteln durchzusetzen. So kämpft Jugend- und Schulstadträtin Heike Schmitt-Schmelz (SPD), ebenfalls neu im Amt, mit einem alten Problem: 13 Stellen im Regionalen Sozialpädagogischen Dienst des Jugendamts (RSD) sind offen und lassen sich kaum besetzten. Bewerber sagen, der Job sei nicht attraktiv genug. „Höchst unbefriedigend und belastend“, sei diese Situation, erklärte Schmitt-Schmelz nun auf Anfrage der CDU in der BVV.
Anfang des Jahres fielen spontan alle Sprechstunden des RSD aus – nur eine Krisenhotline stand bei Notfällen mit Kindern noch zur Verfügung. Die neue Stadträtin will wie alle im Bezirksamt zu einer Beschleunigung des Einstellungsverfahrens für die vakanten Posten kommen.
Die schlechtere Bezahlung ist ein Problem
Doch selbst wenn das gelingt, steht man vor der nächsten Hürde: Der vergleichsweise schwachen Bezahlung von Bezirksmitarbeitern im Vergleich zu Bediensteten des Landes Berlin. Wer würde es einem Bewerber verdenken, wenn er das bessere Angebot wählt? tsc
Autor:Thomas Schubert aus Charlottenburg |
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