Quorum gegen Deutsche Wohnen
Mehr als ein Drittel der Mieter an der Karl-Marx-Allee stimmt "gestrecktem Erwerb" zu

Die Allee in rot, gelb und orange. Tücher als Ausdruck des Protests gegen die Deutsche Wohnen.  | Foto: Thomas Frey
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34, 40, 46. Drei Zahlen, die nicht Teil einer Lottoreihe sind, aber ebenfalls eine Art "großes Los" bedeuten können.

Sie stehen für den jeweiligen Prozentsatz der Mieter in den drei Blöcken an der Karl-Marx-Allee, die einem sogenannten "gestreckten Erwerb" durch die kommunale Wohnungsbaugesellschaft Gewobag zugestimmt haben. Damit ist der vom Immobilienmulti Deutsche Wohnen vorgesehene Kauf dieser Objekte zumindest durchlöchert, im besten Fall ziemlich ausgebremst worden. Denn die Gewobag verfügt jetzt in der Eigentümerversammlung über eine Sperrminorität. Die Marke dafür lag bei 25 Prozent. Sie wurde mit deutlich mehr als einem Drittel klar übertroffen. So können zum Beispiel teure Sanierungsvorhaben verhindert werden.

Wie mehrfach berichtet, war im November der geplante Einstieg der Deutsche Wohnen bei vier Gebäudekomplexen mit rund 800 Wohnungen bekannt geworden. Dagegen regte sich Widerstand der Mieter, der von Bezirk und Senat unterstützt wurde. Befürchtet wurden Mietsteigerungen und damit verbundene Verdrängung. Zumal die Deutsche Wohnen einen selbst für die Immobilienbranche besonders schlechten Ruf genießt. Und dass sie sich ausgerechnet an der Allee breitmachen will, wertete auch die regierende Politik als besonders unfreundlichen Akt.

Bündel von Gegenmaßnahmen

Beschlossen wurde danach ein ganzes Bündel an Gegenmaßnahmen. Für einen Block mit rund 80 Appartements, der sich im Milieuschutzgebiet Weberwiese befindet, zog der Bezirk das Vorkaufsrecht zugunsten der Wohnungsbaugesellschaft WBM. Außerdem gab es die Möglichkeit für die Mieter, mit Hilfe eines Kredits der Investitionsbank Berlin (IBB) ihre Wohnungen zu kaufen. Rund 30 haben davon Gebrauch gemacht.

Herzstück war aber der "gestreckte Erwerb". Er bedeutete, dass sie Bewohner für einen Moment Eigentümer ihrer vier Wände werden, sie dann aber sofort an die Gewobag weitergeben. Möglich wurde das durch die Vorkaufoption, über die die meisten verfügten. Sie musste bis 5. Januar gezogen werden. Schon deshalb war Eile angesagt.

Mit dieser Konstruktion werde "Neuland" betreten, räumten auch die Verantwortlichen in Bezirk und Senat ein. Und sie konnte nur funktionieren, wenn genügend Mieter mitmachen.

Rechtlich sicheres Vorgehen?

Dass die noch viele Fragen hatten, zeigte sich am 2. und 3. Januar im Gebäude des "Neuen Deutschland" am Franz-Mehring-Platz. Dort mussten Interessierte ihre Unterlagen abgeben und sich in die Vorkauflisten eintragen. In mehreren Informationsrunden ging es darum, Einwände und Unsicherheiten abzubauen. Auch durch Stadtentwicklungsstaatssekretär Sebastian Scheel (Linke) und Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis90/Grüne).

Immer wieder spielte die rechtliche Sicherheit dieser Konstruktion eine Rolle. Was passiere, wenn ein Gericht dieses Modell stoppe?, stellte eine Frau die in mehreren Varianten geäußerte Gretchenfrage. Selbst wenn dieser nicht erwartete "Worst Case" eintreten würde, wäre die Ausgangslage ja keine andere als vor dem Abwehrkampf, kam als Replik. Und ja, es sei nicht auszuschließen, dass die Deutsche Wohnen dagegen vorgehe. Aber was auch passiere, es gebe weiter Flankenschutz, machte Staatssekretär Scheel deutlich.

Beim Thema kurzfristiger Erwerb kamen Befürchtungen, die Mieter könnten auf ihrem Kauf vielleicht sitzenbleiben. Das wurde ebenfalls klar verneint. Die Gewobag übernehme die Wohnungen, das habe deren Vorstand im Dezember beschlossen. Außerdem stehe ja das Land hinter dieser Gesellschaft. Alles Aussagen, die zur Vertrauensbildung beitragen sollten und schließlich zu einem ausreichenden Quorum für den gestreckten Erwerb führten.

Kritik von der Opposition

Kritik gab es allerdings aus dem politischen Raum, etwa von den Oppositionsparteien CDU und FDP im Abgeordnetenhaus. Keine einzige neue Wohnung würde durch die teure Rekommunalisierung an der Karl-Marx-Allee entstehen, wurde dort unter anderem eingewendet. Auch die Frage, wie sehr das Vorgehen zum Präzedenzfall taugt, war zuletzt Teil der Diskussion. Im Klartext: Können auch andere bedrängte Mieter mit ähnlicher Unterstützung rechnen? Eine konkrete Antwort darauf wurde bisher vermieden. Jeder Fall wäre anders, so die Sprachregelung der Verantwortlichen.

Ein Präzedenzfall ist der Abwehrkampf an der Allee aber vielleicht insoweit, dass das Arsenal möglicher Gegenmaßnahmen in Stellung gebracht wurde. Verbunden mit dem unterschwelligen Hinweis, es könnte auch anderswo zur Geltung kommen.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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