Methode "Friss Vogel oder stirb": Unmut über Veränderungen auf dem Postareal

Auch im ehemaligen Posthochhaus soll sowohl gewohnt, als auch gearbeitet werden. | Foto: Thomas Frey
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Der Ärger war allgemein. Jeder Redebeitrag kritisierte die vorgesehene Planungsänderung, die der Stadtplanungsausschuss sozusagen aus dem Stand absegnen sollten.

Der dachte allerdings nicht daran. Erst recht nicht, wenn das, wie in einer Einschätzung beklagt, nach der Methode "Friss Vogel oder stirb" erfolgen sollte.

Anlass für den Unmut war das Vorpreschen der CG-Gruppe, Bauherr auf dem ehemaligen Postareal am Halleschen Ufer. Wie mehrfach berichtet, soll dort rund um das Bestandshochhaus ein neues Stadtquartier entstehen. 720 Wohnungen, die damit rund 70 Prozent des Bauvolumens ausmachen, lautete die bisherige Vorgabe. Die restlichen 30 Prozent sind Gewerbe. Das war bereits ein mühsam ausgehandelter Kompromiss.

Der jetzt aber nicht mehr gelten soll. Vielmehr wolle sein Unternehmen das Konzept verändern, erklärte CG-Vorstand Jürgen Kutz. Statt im Verhältnis 70 zu 30 soll der Anteil von Wohnungen und Gewerbe jetzt jeweils rund 50 Prozent betragen. Die Zahl der Appartements würde sich demnach auf 573 reduzieren. Ein bisher für Wohnen vorgesehenes Gebäude an der Westseite des Areals soll jetzt vor allem zu einem Ort für Arbeitsplätze werden. Jürgen Kutz begründete das unter anderem mit Lärmproblemen. Auch erste Ergebnisse aus der frühzeitigen Bürgerbeteiligung hätten für ein Umdenken in diese Richtung gesorgt. Und insgesamt, auch das machte Kutz deutlich, gebe es in Berlin nicht nur auf dem Wohn-, sondern auch dem Gewerbeimmobilienmarkt eine angespannte Lage.

Mehr Geld mit Gewerbe zu verdienen?

Letzteres sahen einige Bezirksverordnete dann auch als wahrscheinlichen Hauptgrund für die vorgesehenen Veränderungen. Die CG-Gruppe habe einfach erkannt, dass sie mit Büroflächen noch weitaus mehr Geld erzielen kann als mit vermieteten Wohnungen. Aber das würde nicht so einfach abgenickt.

Ein Knackpunkt war dabei vor allem der Anteil der Wohnungen im preisgünstigen Segment. 125 würden von der Wohnungsbaugesellschaft Degewo zum Preis von 6,50 Euro errichtet, erklärte Kutz. Dazu kämen weitere 57 mit Quadratmetermieten von acht Euro. Mache insgesamt 182 und damit ein Anteil von fast einem Drittel. Andere Rechnungen gingen anders. Fakt sei, dass genau das Haus, in dem CG eigentlich einigermaßen bezahlbaren Wohnraum für Familien versprochen habe, jetzt als Wohngebäude wegfalle, konterte die Bürgerdeputierte Gundel Riebe. Außerdem, das räumte auch der Bauherr ein, reduziere sich wegen der geringeren Wohnungszahl auch die Fläche für die vorgesehene Kita auf dem Gelände. Exakt von 850 auf 590 Quadratmeter.

Neben der CG-Gruppe nahmen die Ausschussmitglieder auch den zuständigen Baustadtrat Florian Schmidt (Bündnis 90/Grüne) ins Visier. Seit wann wisse er von den angepeilten Veränderungen? Und wie stehe er überhaupt dazu?

Konkret davon erfahren habe er Anfang Februar und das auch gleich weitergegeben, erklärte der Stadtrat. "Ich habe auch gesagt, dass ich das für problematisch halte". Gleichzeitig ließen sich seine Aussagen aber auch in Richtung Mäßigung interpretieren. "Wir müssen da vorankommen", lautete eine. "Und wenn wir an dieser Stelle überhaupt noch Wohnungen haben wollen, dann bringt eine destruktive Haltung wohl nichts."

Gemeinbedarf Post nicht aufgehoben

Antworten, die auf mehrere Fragen und Probleme verwiesen. Zum einen auf die bisherige baurechtliche Einordnung des Geländes. Es gilt laut Bebauungsplan als Gewerbe-standort mit Gemeinbedarf Post. Der Stadtrat scheint allerdings skeptisch, ob sich das noch durchsetzen lässt, nachdem die Post dort nicht mehr vorhanden ist. Anders sieht das der Grüne-Fraktionsvorsitzende Julian Schwarze. "Der Gemeinbedarf Post muss von der BVV aufgehoben werden. Das sehe ich gerade nicht." Lässt sich diese Einschätzung durchhalten, könnte der Investor zumindest Schwierigkeiten bekommen. Anders sähe es aus, wenn nur das Gewerbegebiet übrig bliebe. Dann könnte die CG-Gruppe sogar ein vollständiges Gewerbequartier errichten.

Das ist natürlich nicht gewollt. Senat und Bezirk brauchen Wohnungen, selbst wenn es weniger werden, als ursprünglich geplant. Nicht umsonst taucht das Postareal auch in der Kooperationsvereinbarung zwischen Land und Bezirk als eines der Grundstücke für großflächigen Wohnungsneubau in den kommenden Jahren in Friedrichshain-Kreuzberg auf.

Die Vertreter im Stadtplanungsausschuss sahen aber vor allem, dass sie zum bloßen Abnickorgan degradiert werden sollten. Und das stieß parteiübergreifend auf Gegenwehr. "Wir haben uns auf ein gemeinsamen Ziel verständigt, das es jetzt nicht mehr gibt", so fasste es Julian Schwarze zusammen. "Alle Fraktionen und Gruppen, die sich hier gemeldet haben, haben erklärt, dass sie mit dem Vorgehen nicht einverstanden sind", unterstrich Lothar Jösting-Schüßler (Linke). Zumindest Kompromissvorschläge werden deshalb erwartet.

Autor:

Thomas Frey aus Friedrichshain

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